Gutachten: Prävention - Verlustgeschäft durch Finanzausgleich / Innungskrankenkassen fordern Korrektur des Morbi-RSA
(ots) - Prävention - medizinisch und volkswirtschaftlich
zwar bedeutsam, aber für die Krankenkassen ein Verlustgeschäft. So
lautet das Ergebnis eines von den Innungskrankenkassen in Auftrag
gegebenen wissenschaftlichen Gutachtens zu Präventionsanreizen im
Finanzausgleich der Krankenkassen.
Hans Peter Wollseifer, Vorstandsvorsitzender des IKK e.V.,
kritisiert: "Krankenkassen setzen sich für die Gesunderhaltung ihrer
Versicherten in vielfältiger Weise ein. Mit dem Präventionsgesetz
wurden die Kassen hier noch mehr in die Pflicht genommen.
Gleichzeitig gibt es einen Finanzausgleich zwischen den Kassen, der
sich an Krankheit orientiert - man kann sogar sagen, Krankheit
belohnt. Dass hier ein Zielkonflikt besteht, sticht doch jedem ins
Auge!"
Dabei verweist Wollseifer auf die immense Bedeutung von
Prävention: "Sie lohnt sich. Wer wüsste das nicht besser als die
Innungskrankenkassen." Allein für primärpräventive Maßnahmen haben
die Innungskrankenkassen im Jahre 2014 fast 24 Millionen Euro
ausgegeben. Das sind pro Versicherten 4,36 Euro. Der Schnitt über
alle Kassenarten hinweg habe 4,16 Euro betragen. "Wir nehmen
Prävention ernst, sehr ernst sogar", so Wollseifer. Es müsse sich
jedoch auch rechnen.
Was lange nur als Vermutung galt, kann jetzt endlich
wissenschaftlich mit Fakten belegt werden: "Kassen werden
systematisch finanziell bestraft, wenn sie in Prävention investieren.
Das kann doch nicht ernsthaft politisch gewollt sein", fragt Hans
Peter Wollseifer. Und Jürgen Hohnl, Geschäftsführer des IKK e.V. fügt
hinzu: "Wenn Krankheitsdiagnosen mehr als Präventionserfolge wiegen -
wer investiert dann noch langfristig in Prävention?"
Erstmalig belastbare Aussagen
Für belastbare Aussagen haben die Innungskrankenkassen
anonymisierte Daten von rund sechs Millionen Versicherten aus dem
Zeitraum von 2010 bis 2014 zur Verfügung gestellt. Zwei nach Alter,
Geschlecht und Krankheitslast vergleichbare Gruppen wurden gebildet.
Die Personen in der einen Gruppe haben Präventionsleistungen in
Anspruch genommen, die in der Kontrollgruppe nicht. Untersucht wurde
die Entwicklung von verschiedenen, der Prävention zugänglichen
Krankheiten, von Leistungsausgaben und Zuweisungen aus dem
Gesundheitsfonds.
Das Ergebnis: Die Präventionsgruppe ist gesünder als die Gruppe,
die keine Prävention betreibt. Auch bei der Entwicklung der
Leistungsausgaben gibt es erhebliche Unterschiede. Wer sich gesund
ernährt, sich aktiv bewegt und an Vorsorgeuntersuchungen teilnimmt,
verursacht weniger Leistungsausgaben - vor allem im stationären
Bereich und bei Arzneimittelausgaben. Dieser positive Effekt verkehrt
sich aber durch entgangene Zuweisungen aus dem Finanzausgleich "Dass
die Ergebnisse die finanzielle Benachteiligung der Kassen so klar
belegen, hat uns selbst überrascht: Prävention rechnet sich
betriebswirtschaftlich für die Krankenkassen nicht", sagt Dr. Dennis
Häckl, Geschäftsführer des WIG² Institutes.
Kritisch sieht diesen Effekt auch die IKK classic, mit 3,5
Millionen Versicherten die sechstgrößte Krankenkasse Deutschlands.
Mehr als eine halbe Million Versicherte haben im letzten Jahr einen
finanziellen Bonus erhalten, wenn sie sich durch Teilnahme an Kursen,
Vorsorgeuntersuchungen, durch Sport und aktive Lebensweise für die
eigene Gesundheit stark gemacht haben. Kostenpunkt: 48,5 Millionen
Euro. In diesem Jahr rechnet Vorstandsvorsitzender Gerd Ludwig mit
gut 50 Millionen Euro Ausgaben für diese Programme. "Als Kasse
schwimmen wir mit der Präventionsidee gegenwärtig gegen den Strom des
eigenen wirtschaftlichen Interesses", sagt Ludwig. Dies führe "zu
Ermüdungseffekten, insbesondere weil der finanzielle Druck auf die
GKV wächst". Ludwig warnt vor möglichen Folgen: "Der Druck kann zu
einem sukzessiven Abflachen des Engagements für Präventionsziele,
wenn nicht zum schleichenden Rückzug aus diesem Praxisfeld führen."
Dies gelte es zu verhindern.
Änderung der Krankheitsauswahl
Aus diesem Grund verlangen die Innungskrankenkassen, den
Präventionsanreiz im Morbi-RSA zu verstärken. Die unangemessen starke
Berücksichtigung von sogenannten Volkskrankheiten bei der
Krankheitsauswahl müsse zurückgenommen werden. Dabei handelt es sich
um jene Erkrankungen, die durch Prävention vermieden oder deren
Verlauf durch Prävention günstig beeinflusst werden können. Darunter
fallen beispielsweise Diabetes mellitus, Hypertonie oder auch die
Lungenerkrankung COPD.
Aber auch an dem derzeitigen System der pauschalen
Berücksichtigung der Präventionsausgaben muss sich etwas ändern. Hier
verloren die Innungskrankenkassen in 2014 über 40 Millionen Euro.
"Die kassenindividuellen Zuweisungen für Primärprävention muss sich
mehr an den realen Ausgaben der jeweiligen Kassen orientieren", sagt
Jürgen Hohnl, Geschäftsführer des IKK e.V. Ein "gedeckelter
Ist-Kosten-Ausgleich" würde die Präventionsanreize für die Kassen
nachhaltig stärken.
"Der Morbi-RSA konterkariert die Bemühungen der Krankenkassen um
zielgerichtete Prävention", sagt Hans Peter Wollseifer,
Vorstandsvorsitzender des IKK e.V. Die Innungskrankenkassen erwarten
deshalb eine Korrektur: Der Finanzausgleich muss sich stärker am
Präventionsgedanken orientieren.
Die komplette Pressemappe sowie das Gutachten finden Sie hier
https://www.ikkev.de/downloads-pressekonferenz/.
Über den IKK e.V.:
Der IKK e.V. ist die Interessenvertretung von Innungskrankenkassen
auf Bundesebene. Der Verein wurde 2008 gegründet mit dem Ziel, die
Interessen seiner Mitglieder und deren rund 5,5 Millionen
Versicherten gegenüber allen wesentlichen Beteiligten des
Gesundheitswesens zu vertreten. Dem IKK e.V. gehören die BIG direkt
gesund, die IKK Brandenburg und Berlin, die IKK classic, die IKK
gesund plus, die IKK Nord sowie die IKK Südwest an.
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Datum: 19.04.2016 - 11:45 Uhr
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