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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur gesäuberten Sprache

ID: 795911

(ots) - »Es war Fastnacht im Dorf«, so liest man, und so
strömten die beiden Negerlein, die Menschenfresser, Eskimos und
Hottentotten zusammen. Eigentlich wollten sie gemeinsam Spaß haben,
aber zwei werden jetzt aussortiert: die beiden Negerlein müssen
gehen. Otfried Preußler hat sich diese niedliche Szene einfallen
lassen, im Kinderbuch »Die kleine Hexe«. Nun gibt es Leute, die
finden das nicht niedlich, die passen auf, dass wir nichts Falsches
sagen. Und »Neger« sagt man nicht. Also werden in der Neuausgabe die
»Negerlein« gestrichen. Der »Negerkönig« aus »Pippi Langstrumpf«
musste schon vorher abdanken. Preußlers »Negerlein« wurde auch zum
Verhängnis, dass sie ihre Gesichter offenbar mit Schuhwichse färbten.
»Schuhwichse« soll ebenfalls ein Wort sein, das niemand mehr versteht
und deshalb gestrichen gehört, behauptet Klaus Willberg vom
Thienemann-Verlag, in dem die »Kleine Hexe« erscheint. Woher die Wut?
Woher rührt der Furor, mit dem da in Texten herumgefuhrwerkt wird?
Als vor Jahr und Tag die französische Nationalbibliothek eine
Ausstellung mit einem Sartre-Plakat bewarb, retuschierte man dem
Philosophen die Zigarette weg. Damals meldeten sich -
grenzüberschreitend! - erstmals bedächtige (Nach-)Denker zu Wort und
sprachen von Zensur. Ihre These: In einer kompliziert gewordenen
Welt, in der nach dem Dafürhalten vieler Bürger anonyme (»globale«)
Mächte das Geschick bestimmen, das der Bürger ohnmächtig hinzunehmen
hat, gedeihen Allmachtphantasien. Wo jedoch alle politisch relevanten
Themen von ebenjenen anonymen Kräften entschieden werden, kann der
Bürger nurmehr auf Nebenkriegsschauplätzen aktiv werden. Zuerst wird
das Rauchen verboten. Hat funktioniert. Dann sind die Risikosportler
an der Reihe, die man bereits mehrfach an die Leine legen wollte.
Übergewichtige. Fleischesser. Und die Sprache sowieso. Wo die




Messlatte für ausdrucksstarkes Deutsch bei 140 Zeichen (Twitter)
liegt, bleibt nicht nur die Schuhwichse auf der Strecke. Längst
werden alte Texte, Vorstellungswelten von höchster dichterischer
Brillanz, auf Klippschulniveau heruntergedimmt. Lesen Sie Victor
Hugos »Nôtre Dame de Paris«. Was da alles drinsteht im Original, in
jenem Gesellschafts- und Kulturpanorama des 19. Jahrhunderts, da
gehen Ihnen die Augen über! Oder nein, eher nicht. Denn
wahrscheinlich fällt Ihnen das kastrierte Büchlein in die Hand, das
die Sprachwächter übriggelassen haben: das verkitschte Dramolett
eines körperlich anders Qualifizierten und einer Sinti-Roma-Dame.
Dass Victor Hugo den Vereinfachern in die Hände fiel, hat sein
grandioses Panorama nicht überlebt. Wer ohne Sinn und Verstand an der
Sprache herumfummelt, dem sei das Märchen »Vom Fischer un syner Fru«
empfohlen: Da wollte auch jemand viel zu viel - und saß am Ende »all
weller in'n Pißputt«.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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Datum: 14.01.2013 - 20:05 Uhr
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