HOMBURGER-Interview für die ?Passauer Neue Presse? (18.10.2010)
HOMBURGER-Interview für die "Passauer Neue Presse" (18.10.2010)
(pressrelations) - . Die FDP-Fraktionsvorsitzende, Präsidiumsmitglied BIRGIT HOMBURGER gab der "Passauer Neuen Presse" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte RASMUS BUCHSTEINER.
Frage: Frau Homburger, Sie sind gerade zurückgekehrt von einer Afghanistan-Reise. Immer mehr Gefechte und Selbstmordanschläge - ist das Land von Frieden und Stabi¬lität nicht weiter denn je entfernt?
HOMBURGER: Die Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte realisieren, dass sie unter Druck geraten. Die Afghanen haben die Nase voll von Jahrzehnten Bürger¬krieg in ihrem Land. Sie wollen endlich eine Perspektive für sich und ihre Familien. Richtig ist: die Sicherheitslage hat sich in den letzten Jahren verschärft. Gleichzeitig hat der Aufbau, die Ausbildung und die Einsatzfähigkeit der afghanischen Armee große Fortschritte gemacht. Dieser Aufbau liegt vor dem vereinbarten Zeitplan. Der Anstieg sicherheitsrelevanter Vorfälle erklärt sich auch daraus, dass die afghanische Armee mit Unterstützung der internationalen Truppen zwischenzeitlich weit in die Fläche hinein agiert. Die Stabilisierung Afghanistans ist erreichbar.
Frage: Im Bundestag steht Anfang 2011 die Verlängerung des Afghanistan-Mandats an. Was wollen Sie ändern?
HOMBURGER: Die verstärkte Ausbildung der afghanischen Armee und Polizei, ge¬koppelt mit dem zivilen Wiederaufbau, muss weitergeführt werden. Meine Reise hat bestätigt, dass dies der richtige Weg ist. Die schrittweise Übergabe der Sicherheitsver¬antwortung ab 2011 an die Afghanen in einzelnen Distrikten und Regionen ist Voraus¬setzung für die Abzugsperspektive.
Frage: Bleibt es dabei, dass sich die Bundeswehr spätestens 2014 zurückziehen wird?
HOMBURGER: Präsident KARZAI hat mir im Gespräch versichert, dass die Afgha¬nen daran festhalten bis 2014 selbst die Verantwortung für die Sicherheit zu überneh¬men. Das bedeutet aber nicht, dass wir Afghanistan danach alleine lassen können. Auch dann wird noch Unterstützung bei der Ausbildung von Armee und Polizei, beim Wiederaufbau oder beim Thema gute Regierungsführung nötig sein.
Frage: Zur Innenpolitik in Deutschland: Ob in CDU, CSU oder FDP - in den Koaliti¬onsparteien werden bereits Szenarien für die Zeit nach den derzeitigen Parteivorsit¬zenden durchgespielt. Ein Zeichen wachsender Nervosität im schwarz-gelben Lager?
HOMBURGER: Wir sind kein Lager, sondern eine Koalition mit einem klaren Ziel für Deutschland. Wir wollen mehr Chancen für mehr Menschen. Das werden wir in die¬sem Herbst beweisen, indem wir große Reformprojekte entscheiden: bei der Haus¬haltssanierung, bei Hartz IV, bei der Gesundheitsreform und beim Energiekonzept. Bei der Bundeswehr-Reform haben wir jetzt die Chance mit der Aussetzung der Wehr¬pflicht eine zentrale Forderung der FDP umzusetzen. Die Koalition muss liefern und die Entscheidungen dann gemeinsam vertreten. Dann wird die Stimmung bis zum Ende des Jahres eine andere sein.
Frage: Vor fünf Jahren, als die rot-grüne Koalition die Wahl in Nordrhein-Westfalen verlor, gab es vorgezogene Neuwahlen im Bund. Läuft es darauf auch jetzt hinaus, sollte Schwarz-Gelb bei den Landtagswahlen im Frühjahr weiter an Boden verlieren?
HOMBURGER: Wir lassen uns eine solche Diskussion nicht aufzwingen. Wir haben eine klare Agenda für Deutschland. Wir wollen das Land zukunftsfähig machen. Die schlechte Stimmung bei den Menschen hat ihren Ursprung nicht in den Ländern, son¬dern vor allem in der Bundespolitik. Wir werden im Bund Handlungsfähigkeit zeigen und damit in den Ländern für Rückenwind sorgen. Deshalb stellt sich die Frage nicht.
Frage: Haben CDU und FDP die Bedeutung des Themas Stuttgart 21 unterschätzt?
HOMBURGER: Es musste jedem klar sein, dass der Baubeginn, die Abrissarbeiten und das Fällen der Bäume Proteste hervorrufen würden. Darauf ist leider viel zu spät reagiert worden. Wer von einem Projekt überzeugt ist, muss in die Offensive gehen, argumentieren und dafür kämpfen.
Frage: Unter Moderation von Heiner GEIßLER läuft das Schlichtungsverfahren. Steht das Ergebnis aus Ihrer Sicht nicht schon von vorneherein fest?
HOMBURGER: Wichtig ist doch, dass Gegner und Befürworter des Projekts endlich miteinander ins Gespräch kommen. Wir müssen jetzt über Inhalte sprechen, die Emo¬tionen herausnehmen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir in Baden-Württemberg eine Mehrheit für Stuttgart 21 haben. Das Projekt bindet Baden-Württemberg an das europäische Schienenhochgeschwindigkeitsnetz an, verbessert die Zuganbindung vie¬ler Regionen, schafft dauerhaft 10.000 neue Arbeitsplätze und bringt Stuttgart eine neue grüne Lunge. Es ist demokratisch legitimiert, tausende Widersprüche aus der Be¬völkerung sind bearbeitet, viele von Gerichten entschieden worden.
Frage: Hat Stuttgart 21 durch die Rede der Bundeskanzlerin nicht längst bundespoliti¬sche Bedeutung?
HOMBURGER: Stuttgart 21 hat inzwischen eine Bedeutung weit über Baden-Würt¬temberg hinaus. Es ist zum Synonym für Zukunftsfähigkeit geworden. Es geht um die Frage, ob wir überhaupt noch Infrastrukturprojekte umsetzen können, die entscheidend für unsere Wettbewerbsfähigkeit sind. Wir wollen die Zukunft sichern, die Grünen reden nur davon. Sie sind für die Stärkung des Schienenverkehrs, aber gegen den dafür nötigen Bahnhof und Gleisausbau, sie sind für Offshore-Windanlagen, aber gegen die Stromleitung, die den Strom von der Küste zum Verbraucher bringt ? das werden wir den Grünen nicht durchgehen lassen.
Frage: Die FDP wollte die Mehrsteuersätze auf den Prüfstand stellen, einschließlich der umstrittenen Hotelsteuer. Wann kommt die große Reform?
HOMBURGER: Die FDP hat im Koalitionsvertrag durchgesetzt, dass eine Kommis¬sion zur Überarbeitung des komplizierten Mehrwertsteuersystems eingesetzt werden soll. Daran halten wir fest. Das Mehrwertsteuersystem muss von Grund auf reformiert worden. Das hat sich bisher niemand getraut, weil da immer sofort alle Interessensver¬bände aufheulen. Das wird uns nicht davon abhalten, eine Vereinfachung der Mehr¬wertsteuer auf den Weg zu bringen.
Frage: Bleibt es beim Sparkurs oder sehen Sie angesichts der guten Konjunkturent¬wicklung auch Spielraum für Steuersenkungen?
HOMBURGER: Es bleibt beim Sparkurs. Ursache der Euro-Krise war doch, dass die Verschuldung in einzelnen Mitgliedstaaten zu hoch war. Wenn unser eigener Haushalt nicht in Ordnung ist, können wir von anderen Eurostaaten nicht glaubwürdig ver¬stärkte Anstrengungen zur Etatsanierung verlangen. Wir wollen den Stabilitätspakt verschärfen, weil wir eine Transferunion verhindern wollen. Deutschland darf nicht zum Zahlmeister für die Schulden anderer Länder werden. Gleichwohl können wir uns durch Einsparungen auch neue Spielräume erarbeiten. Die gute konjunkturelle Ent¬wicklung wird dabei helfen. Wir wollen die dringend notwendige steuerliche Entlas¬tung der Mitte unserer Gesellschaft bis zum Ende der Legislaturperiode noch umsetzen und dazu stehen wir auch.
Frage: Zu einem anderen Thema, das die Koalition in den nächsten Wochen beschäfti¬gen wird ? dem Embryonenschutz. Kanzlerin Angela Merkel hat sich für ein Verbot der so genannten Präimplantationsdiagnostik ausgesprochen. Ist das mit der FDP zu machen?
HOMBURGER: Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil befunden, dass die Prä¬implantationsdiagnostik, kurz PID, nicht verboten ist. Und das ist auch gut so. Wenn die Medizin heute in der Lage ist, im Vorfeld schwere Krankheiten zu erkennen und damit unnötiges Leid zu ersparen, dann sollten wir dieses Wissen nutzen.
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Datum: 18.10.2010 - 20:16 Uhr
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