„Zu langsam und nicht entschieden genug“
Interview mit Elke Döring, Hauptgeschäftsführerin der IHK Heilbronn-Franken

(PresseBox) - Frau Döring, Blicken Sie zum Jahreswechsel 2025/26 zuversichtlicher nach vorn, als Sie es zu Jahresbeginn 2025 getan haben?
Elke Döring: Leider Nein, im Gegenteil. Zu Beginn des Jahres hatte sich die Geschäftslage – wenn auch auf niedrigem Niveau – leicht verbessert. Die Unternehmen setzten kurz vor der Bundestagswahl auf einen neuen Kurs in der Wirtschaftspolitik. Noch am Tag nach der Wahl, am 24. Februar, hatIHK-Präsidentin Kirsten Hirschmann gemahnt, man werde eine Regierung Merz vor allem am Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik messen. Doch dann ist die Wirtschaft sehr schnell in der Realität angekommen.
Das heißt?
Von den hohen Erwartungen ist nicht viel geblieben. Die Koalition aus CDU, CSU und SPD hat aus Sicht der Unternehmen nicht geliefert. Der Herbst der Reformen ist ebenso wenig eingelöst worden wie das Versprechen, dass sich noch vor der Sommerpause spürbar etwas für die Menschen verändern werde. Vielmehr steckt das Land in der schwersten Wirtschaftskrise seit Gründung der Bundesrepublik. Baden-Württemberg und unsere Region sind ganz besonders betroffen. Es isterschreckend, wie schnell die Meldungen von Personalabbau, Unternehmensinsolvenzen oder Übernahmen hintereinander folgen. Wir erleben gerade, wie das, was Baden-Württemberg stark gemacht hat, verloren geht, ohne dass politisch entschieden genug gegengesteuert wird.
Die Politik kann nicht alle strukturellen Probleme einer Wirtschaft lösen, die entscheidend von den Exportmärkten und der globalen Entwicklung abhängig ist.
Natürlich nicht. Das verlangt auch keiner. Mit den Verschiebungen auf den Weltmärkten kommen unsere Unternehmen schon zurecht. Es geht um die politischen Rahmenbedingungen, die es den Unternehmen ermöglichen, auf die Trumpsche Zollpolitik und die globalen Auswirkungen angemessen zu reagieren.Eine Politik, die ihnen die Wettbewerbsfähigkeit sichert und den Standort attraktiv hält. Es hat beileibe nicht an Forderungen, Handlungsempfehlungen und konkreten Maßnahmenkatalogen aus der Wirtschaft gefehlt. Ich erinnere an die Tempo-Thesen der IHK-Organisation und an die gemeinsame Erklärung der deutschen Wirtschaft, die von mehr als 100 Wirtschaftsverbänden, darunter unsere Dachorganisation DIHK, unterzeichnet wurde. Darin wird unmissverständlich auf den Reformbedarf und dringend notwendige Sofortmaßnahmen hingewiesen: Bürokratieabbau, weniger Regulierung, niedrigere Energiekosten und so weiter.
Konnte oder wollte die Bundesregierung nicht angemessen reagieren?
Ich denke, Bundeskanzler Merz und die Koalition wissen, wie gefährlich die aktuelle Situation ist. Und sie haben auch reagiert, mit Einzelmaßnahmen, vor allem aber mit einem Sondervermögen, das nun hoffentlich auch in die richtigen Kanäle zur Wiederbelebung der Wirtschaft gegossen wird.
Wo also ist das Problem?
Das Problem ist das Klein-Klein und das Bild der Zerrissenheit, das diese Koalition abgibt. Es werden einzelne Maßnahmen zur Entlastung der Wirtschaft, zum Beispiel bei der Besteuerung, auf den Weg gebracht. Doch entweder kommen sie zu spät oder sie zünden nicht, weil sie nicht Teil einer umfassenden und grundlegenden Reform der Wirtschafts- und Sozialpolitik sind. Wir sind zu langsam und angesichts des massiven Wirtschaftsverfalls nicht entschieden genug, auch unbeliebte Reformen auf den Weg zu bringen.
Wie sind ihre Aussichten für das neue Jahr?
Bisher leider nicht rosig. Vor allem unsere Leitbranche, die Industrie, steht vor massiven Umwälzungen. Es besteht die Gefahr, dass sich die Situation schneller als uns lieb ist weiter verschlimmert, wenn nicht, wie bereits gesagt, schnell und entschieden gegengesteuert wird.
2026 wird in Baden-Württemberg gewählt. Kann das ein Wendepunkt sein?
Wir alle wissen, dass die wirtschaftspolitische Agenda in Berlin geschrieben werden muss. Wenn die Bundesregierung den Kurswechsel nicht einleitet, können die Landesregierungen wenig ausrichten. Aber natürlich ist auch eine neue Landesregierung aufgefordert, die Wirtschaft im Rahmen ihrer Möglichkeiten oberste Priorität im politischen Handeln einzuräumen. Da gibt es reichlich Handlungsspielräume, etwa in der Förderpolitik, bei Bürokratie und Regulierung. Was die Wirtschaft erwartet, haben die baden-württembergischen IHKs und ihr Dachverband, der BWIHK, den Landespolitikern unmissverständlich ins Stammbuch geschrieben.
Was macht Ihnen Hoffnung?
Hoffnung macht mir, dass unsere Unternehmen bereit sind, die Herausforderungen anzunehmen. Dass sie in der Lage sind, sich trotz zum Teil massiver Veränderungen und Härten auf neue Situationen einzustellen und den Blick nach vorne zu richten. Hoffnung macht mir auch, dass die Region mit dem KI-Innovationspark beim vielleicht wichtigsten Zukunftsthema Künstliche Intelligenz ganz vorne in der ersten Liga mitspielen wird und unsere Unternehmen bereit sind, diesen Wettbewerbsvorteil zu nutzen. Denn eines haben sie nicht verlernt: ihren Innovationsgeist und die Fähigkeit, technologische Entwicklungen voranzutreiben.
Hoffnung macht mir außerdem, dass wir mit unserer jetzt verabschiedeten IHK-Strategie 2030+ unseren Teil zu dieser Unternehmenstransformation beitragen werden. Wir können unsere Unternehmen noch gezielter mit Anwendern und Entwicklern von KI-Lösungen zusammenbringen und werden vor allen Dingen ermöglichen, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter qualifizieren. Wir sorgen dafür, dass das Zukunfts-Knowhow in den Betrieben entwickelt wird. Da ergeben sich große Chancen für unsere Unternehmen und unsere Region. Wenn auch die Politik mitspielt, muss uns vor den Umwälzungen nicht bangesein. Die Region hat das Potenzial, auch unter ungünstigen Rahmenbedingungen Wirtschaftskraft und Wohlstand in Heilbronn-Franken zu sichern.
IHK Heilbronn-Franken, Dezember 2025
Bereitgestellt von Benutzer: PresseBox
Datum: 23.12.2025 - 14:59 Uhr
Sprache: Deutsch
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