Drogenpolitische Lösungen im Cannabis-Showroom: 12. Alternativer Drogen- und Suchtbericht vorgestellt

(ots) - Akute Probleme im Drogenbereich ließen sich in den Griff kriegen ließen - gäbe es den politischen Willen. Ein Pop-up-Cannabis-Fachgeschäft dient dabei als gutes Beispiel für verhinderten Fortschritt.
Der akzept Bundesverband, die Deutsche Aidshilfe und das Selbsthilfenetzwerk JES haben heute den Alternativen Drogen- und Suchtbericht 2025 vorgestellt. Der Bericht fordert eine neue Strategie im Umgang mit zunehmenden Herausforderungen im Drogenbereich und gibt wissenschaftlich fundierte und praxiserprobte Antworten auf drängende Fragen. Dreh- und Angelpunkt ist die Forderung nach einer überfälligen Neuausrichtung und Modernisierung der deutschen Drogenpolitik.
"Die steigende Zahl der Drogentodesfälle und der HIV-Infektionen, die Verelendung durch Crack und die drohende Verbreitung von Fentanyl, Nitazenen und Co. sowie der anhaltend starke Konsum bei den Alltagsdrogen Alkohol und Nikotin machen deutlich: Deutschland braucht dringend eine neue Strategie im Umgang mit Drogen", sagt Maria Kuban, Leiterin des Projekts so-par bei der Deutschen Aidshilfe, das der Vorbereitung von Städten auf synthetische Opioide dient.
Die letzte Nationale Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik datiert aus dem Jahr 2012. Sie beschreibt naturgemäß weder die aktuellen Entwicklungen, noch formuliert sie entsprechende Ziele. So waren etwa die Teil-Legalisierung von Cannabis, das Aufkommen von E-Zigaretten und Lachgas sowie die Vielfalt neuer Substanzen aus dem Labor damals noch kein Thema.
Es braucht darum dringend einen neuen Angang, der alle Akteur*innen und Perspektiven aus Politik, Medizin, Praxis, Selbsthilfe und Wissenschaft einbezieht. Der 12. Alternative Drogen- und Suchtbericht bietet eine solide Grundlage für eine neue Strategie.
Fachgeschäft statt Schwarzmarkt
Für die Veröffentlichung am Mittwochmorgen gestalteten die Herausgeber*innen eigens ein Cannabis-Fachgeschäft. Wer zur Eröffnung erschien, sah allerdings nur einen Showroom mit leeren Verpackungen - Verkauf von Cannabisprodukten wäre illegal. Mehr noch: Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) lehnte kürzlich sogar Modellprojekte zum legalen Cannabisverkauf ab. Der Ort der Pressekonferenz gibt so ein Beispiel für verhinderte Lösungen.
"Wer den Schwarzmarkt wirklich zurückdrängen will, muss legale, kontrollierte und attraktive Zugänge schaffen - so, wie es andere Länder, zum Beispiel die Schweiz, längst erfolgreich vormachen. Statt über wissenschaftlich fundierte Modellprojekte weitere Erkenntnisse zu gewinnen, wird auf politische Symbolik gesetzt. Eine vertane Chance, Sicherheit zu schaffen und Konsumierende zu schützen", sagt Prof. Dr. Heino Stöver, Vorstandsvorsitzender von akzept.
Stöver wies darauf hin, dass schon durch die teilweise Legalisierung von Cannabis ein erheblicher Rückgang der drogenbezogenen Kriminalität festzustellen sei: Die Zahl der Delikte (überwiegend in Zusammenhang mit eigenem Konsum) sank von 346.877 auf 228.104. Laut einer Studie versorgen sich Konsumierende bereits jetzt mehrheitlich mittels legal hergestellten Cannabisprodukten.
Doch viele sind weiterhin auf den Schwarzmarkt angewiesen. Dort wissen sie weder, wie hoch der THC-Gehalt ihres Produkts ist, noch ob es mit synthetischen Cannabinoiden oder anderen Stoffen verunreinigt wurde.
Crack, Fentanyl und andere Gefahren
Auch angesichts der Herausforderungen durch Crack-Konsum und der zunehmenden Beimengung von synthetischen Opioiden in Heroin, bietet der Alternative Drogen- und Suchtbericht Handlungsoptionen:
- Breite Verfügbarkeit des Notfallmedikaments Naloxon. Dafür ist nun endlich die gesetzliche Grundlage geschaffen worden: Naloxon kann ab November ohne Rezept erworben werden. Jetzt müssen potenzielle Ersthelfer*innen wie die Mitarbeiter*innen von Drogen- und Aidshilfen, Polizei und Konsumierende damitausgestattet werden.
- Drogenkonsumräume müssen flächendeckend verfügbar sein (auch in Ländern wie Bayern, die sich bisher weigern) und längere Öffnungszeiten haben. So können Leben gerettet und Infektionen verhindert werden; die Einrichtungen bieten außerdem Zugänge zum Hilfesystem.
- Die Substitution mit Diamorphin, also pharmazeutisch erzeugtem Heroin als Medikament, muss der seit 35 Jahren etablierten Substitutionsbehandlung gleichgestellt werden. Die Entscheidung, wer mit welchem Medikament behandelt wird, gehört nicht in die Hände der Politik, sondern muss zwischen Ärzt*innen und Patient*innen getroffen werden.
- Verschiedene Formen von Substanzanalyse und Drugchecking müssen gefördert werden, zum Beispiel vor dem Konsum in Drogenkonsumräumen, die die verletzlichsten Drogenkonsumenten*innen im Blick haben. So werden auch weitere Erkenntnisse zur Verbreitung bestimmter Substanzen gewonnen.
- Von akzept e.V. entwickelte Handlungsempfehlungen zeigen Möglichkeiten auf, mit zunehmendem Crack-Konsum umzugehen.
- Neue Wege der Zusammenarbeit von Drogenhilfe mit der Psychiatrie müssen entwickelt werden, um effektive Therapien anbieten zu können.
"Das Prinzip ist einfach: Wir müssen schwer abhängigkeitskranken Menschen geben, was sie brauchen, um am Leben und gesund zu bleiben", sagt Maria Kuban."Es gibt vielfältige Möglichkeiten!"
Lösungsorientierte Ansätze
Ein wichtiges Thema ist auch die Entlastung desöffentlichen Raumes von Drogenkonsum. Hier gibt die Schweiz mit ihrem"Zürcher Modell"ein mutiges Beispiel. Es hat auch zur verstärkten Inanspruchnahme von Hilfsangeboten geführt.
Dem andauernden Stillstand in der Alkoholkontrollpolitik wird im Alternativen Drogen- und Suchtbericht eine verbraucher*innenorientierte Strategie entgegengesetzt. Für eine funktionierende Tabakkontrollpolitik werden evidenzbasierte Maßnahmen vorgestellt.
"Forschung und Best-practice-Beispiele bieten aussichtsreiche Modelle. Der Alternative Drogen- und Suchtbericht soll dazu beitragen, dass sich auch der nötige politische Wille entwickeln kann, der für lösungsorientierte Ansätze benötigt wird", sagt Heino Stöver.
Der 12. Alternative Drogen- und Suchtbericht als Download (http://www.alternativer-drogenbericht.de/adsb-2025)
Pressekontakt:
Deutsche Aidshilfe
Holger Wicht - Pressesprecher
Tel. (030) 69 00 87 - 16
presse(at)dah.aidshilfe.de
www.aidshilfe.de
Prof. Dr. Heino Stöver
Vorstand akzept e.V.
heino.stoever(at)fra-uas.de
www.akzept.eu
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Datum: 03.12.2025 - 11:00 Uhr
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