Bofinger hält wenig vom"Boomer-Soli"-Ökonom plädiert für höhere Erbschaftsteuer / Ex-Wirtschaftsweise sieht Steuer auf große Vermögen als zielgenaueres Instrument

(ots) - DerÖkonom und frühere Wirtschaftsweise Peter Bofinger lehnt den von DIW-Präsident Marcel Fratzscher ins Gespräch gebrachten"Boomer-Soli"ab. Statt einer Abgabe auf Renten und Pensionen spricht er sich für höhere Einnahmen über die Erbschaftsteuer aus.
"Ein Boomer-Soli könnte dazu führen, dass ein Rentner genauso viele Steuern zahlen müsste wie ein Angestellter mit deutlich höherem Einkommen. Warum wir hier überhaupt nach dem Alter unterscheiden sollen, erschließt sich mir nicht", sagte Bofinger im Interview mit der"Neuen Osnabrücker Zeitung"(NOZ). Zielgerichteter sei es, stärker große Vermögen heranzuziehen:"Wenn wir wollen, dass die Boomer etwas zu den Mehrkosten beitragen, wäre eine Erhöhung der Erbschaftsteuer für größere Vermögen das beste Instrument."
Hintergrund ist der Vorschlag Fratzschers, eine zusätzliche Abgabe auf Renten und Pensionen einzuführen, um kleine Renten zu stärken. Bofinger verweist dagegen auf das Leistungsfähigkeitsprinzip des Steuersystems und betont, dass die geburtenstarken Jahrgänge in der Regel Vermögen aufgebaut hätten - dort anzusetzen sei aus seiner Sicht"zielführender als ein Boomer-Soli".
+++
Herr Fratzscher hat vorgeschlagen, dass wir die Lücke mit einer Abgabe auf Renten und Pensionen überbrücken, die in die Rentenversicherung fließen soll, um kleine Renten etwas höher werden zu lassen. Was halten Sie von diesem Boomer-Soli?
Wenig. Das Gute am Steuersystem ist, dass wir Menschen, die viel haben, auch entsprechend belasten können. Das ist das sogenannte Leistungsfähigkeitsprinzip. Ein Boomer-Soli könnte aber zum Beispiel dazu führen, dass ein Rentner genauso viele Steuern zahlen müsste wie ein Angestellter mit einem deutlich höheren Einkommen. Warum wir hier überhaupt nach dem Alter unterscheiden sollen, erschließt sich mir nicht. Wenn wir wollen, dass die Boomer etwas zu den Mehrkosten, die ihre Rente verursacht, beitragen, wäre eine Erhöhung der Erbschaftssteuer für größere Vermögen das beste Instrument. Denn die Boomer, die in ihrem Leben sehr hohe Einkommen erzielen und einen hohen Lebensstandard genießen konnten, haben in der Regel auch ein hohes Vermögen aufbauen können. Dort anzusetzen wäre zielführender als ein Boomer-Soli.
+++
Bofinger: Boomer dürfen zu Recht eine auskömmliche Rente erwarten
Ökonom kritisiert Generationenkonflikt-Rhetorik und verweist auf jahrzehntelange Belastungen der Babyboomer
Osnabrück. In der Diskussion um die Rente verteidigt der Ökonom und frühere Wirtschaftsweise Peter Bofinger die Generation der Babyboomer."Boomer haben ein Leben lang ein Fünftel ihres Einkommens in die Rentenkasse eingezahlt und dürfen zu Recht eine auskömmliche Rente erwarten", sagte Bofinger der"Neuen Osnabrücker Zeitung"(NOZ).
Der Wirtschaftsforscher kritisierte, die Rentenfrage werdeöffentlich häufig als Konflikt zwischen Jung und Alt dargestellt. Dadurch würden tiefere strukturelle Probleme ausgeblendet. Viele Boomer hätten wirtschaftlich schwierige Jahrzehnte hinter sich - etwa hohe Arbeitslosigkeit und stagnierende Reallöhne in den 2000er Jahren sowie hohe Steuer- und Sozialabgaben.
"Wir führen die Rentendebatte, als ginge es um Almosen für Bittsteller", so Bofinger. Eine Enttäuschung berechtigter Erwartungen wäre nach seinen Worten fatal für die Akzeptanz des Rentensystems.
+++
Haben Sie ein Beispiel?
Hohe Arbeitslosigkeit und viele Jahre ohne Reallohnsteigerungen in der ersten Hälfte der 2000er Jahre. Unter Helmut Kohl lag der Spitzensteuersatz bei fast 57 Prozent, wenn man den Soli berücksichtigt. Die deutsche Einheit ist ein großes Glück, aber war mit vielen Kosten verbunden, die ohne großes Murren solidarisch finanziert wurden. Und zwar hauptsächlich von Boomern. Das hat sich neben hohen Steuern auch in deutlich steigenden Sozialbeiträgen geäußert. Man darf nicht vergessen: Boomer haben ein Leben lang ein Fünftel ihres Einkommens in die Rentenkasse eingezahlt und dürfen zu Recht eine auskömmliche Rente erwarten. Wir führen die Rentendebatte aber, als ginge es um Almosen für Bittsteller. Diese Erwartungen zu enttäuschen, wäre fatal für die Akzeptanz des Rentensystems.
+++
Bofinger schlägt verpflichtende Rentenversicherung für Selbstständige vor
Ökonom will Finanzierung breiter aufstellen, um Beitragssatzanstieg zu dämpfen
Osnabrück. Der Ökonom und frühere Wirtschaftsweise Peter Bofinger rät, deutlich mehr Menschen in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen."Etwa, indem man Selbstständige pflichtversichert. Bis diese dann ihre Rente ausbezahlt bekommen, ist die Krise vorbei", sagte Bofinger der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ).
Seiner Ansicht nach ist es ein Fehler, die aktuelle demografische Lage allein durch sinkende Rentenniveaus oder höhere Beiträge lösen zu wollen. Stattdessen müsse man lieber für mehr Beitragszahler sorgen. Viele Solo-Selbstständige zahlten bislang nicht ein, obwohl sie häufig schlecht abgesichert seien. Das verschärfe den Druck auf die Rentenkasse und begünstige Altersarmut, sagte Bofinger der NOZ.
DerÖkonom verwies darauf, dass die aktuelle Belastung durch die geburtenstarken Jahrgänge ein Übergangsphänomen sei. In rund 30 Jahren habe sich das Verhältnis von Rentnern und Beitragszahlern"aus biologischen Gründen"wieder normalisiert. Bis dahin müsse die Finanzierung breiter aufgestellt werden, um Beitragssätze zu stabilisieren und langfristig ein höheres Rentenniveau zu ermöglichen.
+++
Ich glaube, das ist auch der Punkt für viele Jüngere: Viele rechnen einfach damit, dass sie keine vernünftige Rente mehr bekommen und sind dementsprechend wenig bereit, Beiträge zu bezahlen.
Das ist ein Denkfehler. Es stimmt, dass wir im Moment ein Problem haben, weil geburtenstarke Jahrgänge, die selbst relativ wenige Kinder hatten, in Rente gehen. Die Zahl der Rentner wächst also schneller als die Zahl der Arbeitenden. Aber in 30 Jahren wird sich dieses Problem aus biologischen Gründen ausgewachsen haben. Es liegt dann allein an der Kinderzahl der Generation Z, wie hoch ihre Rente einmal ausfallen wird. Statt in der Zwischenzeit das Rentenniveau zu senken, wäre es besser, mehr Menschen in die Rentenversicherung zu bekommen. Etwa, indem man Selbstständige pflichtversichert. Bis diese dann ihre Rente ausbezahlt bekommen, ist die Krise vorbei. Das wäre auch für die Jungen gut.
Das müssen sie erklären.
Wir können beobachten, dass viele Tätigkeiten, die früher von Angestellten verrichtet wurden, immer öfter von Selbstständigen ausgeübt werden. Stichwort Gig-Economy. Früher wurde man vom angestellten Taxifahrer zum Flughafen gebracht, heute macht das vielleicht ein selbstständigerFahrer, den man über eine Ridesharing-App gebucht hat. Da diese Jobs selten gut bezahlt werden und die Rentenversicherung für sie freiwillig ist, sparen sich viele Selbstständige die Rentenbeiträge. Das verschärft den Druck auf die Rentenkasse und sorgt für Altersarmut. Es solltenmöglichst alle in die Rentenversicherung einzahlen, um die angespannte Zeit zu überbrücken, ohne dass die Beiträge zu stark steigen. Und wenn das mehr Menschen tun, erhöht sich das Rentenniveau und der Anstieg der Beitragssätze kann etwas gedämpft werden.
Pressekontakt:
Neue Osnabrücker Zeitung
Redaktion
Telefon: +49(0)541/310 207
Original-Content von: Neue Osnabrücker Zeitung, übermittelt durch news aktuell
Themen in diesem Fachartikel:
Unternehmensinformation / Kurzprofil:
Bereitgestellt von Benutzer: ots
Datum: 28.11.2025 - 01:00 Uhr
Sprache: Deutsch
News-ID 2215188
Anzahl Zeichen: 0
Kontakt-Informationen:
Ansprechpartner: ots
Stadt:
Osnabrück
Kategorie:
Dieser Fachartikel wurde bisher 8 mal aufgerufen.
Der Fachartikel mit dem Titel:
"Bofinger hält wenig vom"Boomer-Soli"-Ökonom plädiert für höhere Erbschaftsteuer / Ex-Wirtschaftsweise sieht Steuer auf große Vermögen als zielgenaueres Instrument"
steht unter der journalistisch-redaktionellen Verantwortung von
Neue Osnabrücker Zeitung (Nachricht senden)
Beachten Sie bitte die weiteren Informationen zum Haftungsauschluß (gemäß TMG - TeleMedianGesetz) und dem Datenschutz (gemäß der DSGVO).



