Peter Bruhn: Der 16. Juni 1953 bleibt mir unvergeßlich
Erinnerungen

(IINews) - https://www.dzg.one/Peter-Bruhn_Der-16-Juni-1953-bleibt-mir-unvergesslich (https://www.dzg.one/Peter-Bruhn_Der-16-Juni-1953-bleibt-mir-unvergesslich)
Vorbemerkung
Das Gefühl der Skepsis beschleicht mich erst allmählich. Warum? So schön, wie sich das alles liest: Mir kann keiner erzählen, dass zwischen dem Juni 1953 und dem Frühjahr 1954 ein Zeitsprung stattgefunden habe. Was ist eine"Westberliner Behörde", dieüber die"Anerkennung als politischer Flüchtling"zu entscheiden hatte? Hat die keinen offiziellen Namen? Wie wäre es mit"Bundesdienststelle für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge"?
Wie bei jeder Prüfungsarbeit hat der Schreibende seine Leser im Hinterkopf und zielt darauf ab, deren Erwartungen zu erfüllen. Es gibt noch weitere Aspekte, auf die mich PassThor David am 2. Juli aufmerksam machte und die ich überhaupt nicht von der Hand weisen mag:
"Insbesondere die Fülle der Ereignisse an unterschiedlichsten Stellen des Demonstrationszugs macht mir Probleme zu glauben. Meine Erfahrungen mit Demo-Zügen besagen, dass es schwierig ist, wenn nicht gar unmöglich, mal in der Mitte und mal vorne zu sein, wie ein Vogel, der zu den Orten fliegen kann.
Strassenbahnen sind keine Wurmlöcher, es dauert, bis man ankommt, man muss sich durch Menschenmassen drücken ... und dann zückt er seinen Bibliotheksausweis und kann Abkürzungen nehmen ...
Ich denke mal, der hat Erzählungen anderer"selbst durchlebt", allerdings im Geiste, und dann eine schöne Geschichte draus gemacht, die mir aus chronologischer Sicht"heldenhaft"erscheint. Das Auto mit Havelmann in Person bestätigt das Ganze weiter ..."
Der Problematik widme ich einen eigenen Internetauftritt: Die-Zeit-des-Anderen.de .
Quelle
Der Bericht wurde nach fünfzig Jahren erstmals veröffentlicht und zwar auf den Seiten 225 bis 250 in dem von Ulrich Mählert herausgegebenen Buch"Der 17. Juni 1953, ein Aufstand für Einheit, Recht und Freiheit", erschienen im Verlag J.H.W. Dietz, Bonn, 2003.
Angebote auf amazon.de | Buchbeschreibung vom Verlag | E-Mail-Adresse von Peter Bruhn
Buchbeschreibung
Dietz-Verlag-17-Juni-1953-15604133
Ulrich Mählert (Hg.)
DER 17. JUNI 1953
Ein Aufstand für Einheit, Recht und Freiheit
1. Aufl. 2003
280 Seiten, zahlr. Abb.
Broschur
19,90 Euro
ISBN 978-3-8012-4133-9
vergriffen, keine Neuauflage
Am 17. Juni 1953 stand das SED-Regime vor dem Aus.Über eine Million Menschen zwischen Oder und Elbe demonstrierten für Freiheit und die deutsche Einheit. Sowjetische Panzer wurden zum Garanten der zweiten deutschen Diktatur. Mit Zuckerbrot und Peitsche sollte fortan jeder Widerspruch im Keim erstickt werden.
Der vorliegende Sammelband beschreibt den Juni-Aufstand von 1953 in seinen lokalen und regionalen Ausprägungen. Die AutorInnen richten ihren Blick von Berlin und Potsdam über Görlitz, Leipzig, Jena, das Industriegebiet Halle-Bitterfeld bis an die Küste, nach Rostock. Dabei werden historische Wurzeln und regionale Besonderheiten als Bedingungsfaktoren des Aufstandes sichtbar. Während inden meisten industriellen Zentren die Aufständischen ihren Triumph bereits vor Augen wähnten, gelang es der SED im Verein mit den Sowjets, in Potsdam und Rostock den Aufstand schon in seinen Anfängen zu ersticken.
Biographische Skizzen lokaler Akteure des Aufstandes ergänzen die sowohl ereignis- wie sozialgeschichtliche Perspektive. So verdeutlicht ein Beitrag über sozialdemokratische Widerstandsgruppen in den späten vierziger und frühen fünfziger Jahren, dass der Oppositionsgeist unter der Oberfläche der Parteidiktatur nicht erloschen war. Ein umfänglicher Zeitzeugenbericht, 1954 niedergeschrieben und bislang unveröffentlicht, zeichnet ein dichtes Bild der Berliner Ereignisse. Der Band wird mit einem Beitrag abgeschlossen, der den Aufstand als Gegenstand der Geschichtspolitik in den nachfolgenden Jahrzehnten resümiert und für dessen Verortung in der deutschen Erinnerungskultur plädiert.
Peter Bruhn
[ Abschnitte zwecks besserer Lesbarkeit eingefügt ]
Im Jahre 1953 war ich 26 Jahre alt. Durch die Zeitläufe, die ich bis dahin durchlebt hatte, war ich damals - wie vermutlich die Mehrheit meiner Altersgenossen - politisch wenn auch beileibe nicht hinreichend gebildet, so doch auf Grund gravierender Erfahrungen für fast alles aufgeschlossen und interessiert, was die mich umgebenden politischenVerhältnisse betraf. In Hitler-Deutschland aufgewachsen und im Geist der NS-Zeit erzogen, hatte es 1945 nach dem Ende des sogenannten Dritten Reiches für mich ein beschämendes Erwachen gegeben. Die allseits zu hörende Parole"Nie wieder Krieg!"reichte da bei weitem nicht aus. Hinzu kam nun der feste Vorsatz, künftig die Dinge stets kritisch genug zu hinterfragen, um sich nicht ein weiteres Mal politisch mißbrauchen zu lassen.
Meine Heimatstadt, in Sachsen-Anhalt gelegen, war im April 1945 zwar von US-Truppen eingenommen worden, gehörte aber ab 1. Juli 1945 auf Grund alliierter Abkommen zur Sowjetischen Besatzungszone. So wurde ich dann als Bewohner der SBZ und später als Bürger der DDR ständig konfrontiert mit den sich dort vollziehenden gesellschaftlichen Entwicklungen. Das waren meistens keine angenehmen Realitäten.
Andererseits mußte ich mich an der Universität als Student u.a. mit dem Studium des Marxismus-Leninismus befassen. Im Laufe der Zeit gewann ich immer mehr die Überzeugung, daß die Lehre mit den Realitäten der Praxis absolut nicht in Einklang zu bringen war.
Was mich aber besonders störte, war die vom Regime ständig praktizierte Repression. Die Intoleranz war derartig, daß man sich nicht mehr trauen konnte, etwas zu äußern, was der vorgeschriebenen Denkweise möglicherweise nicht entsprach. Die Folge war, daß in der mich umgebenden DDR-Gesellschaft - von denwenigen überzeugten Kommunisten abgesehen, die es auch gab - sich das Heer der"Ungläubigen"in fast allen Bereichen von morgens bis abends zum Heucheln genötigt sah und der Opportunismus allseits in Blüte stand.
Das waren Verhältnisse, die ich mit der Zeit als überaus belastend empfunden habe und das erklärt auch meine Begeisterung über die im Juni 1953 plötzlich ganz offen aufbegehrenden Bauarbeiter, nachdem ich ihre Demonstration am 16. Juni zu meiner nicht geringen Überraschung als echt und nicht fremdgesteuert erkannt hatte.
Näheren Aufschluß darüber bietet mein nachstehend abgedruckter Augenzeugenbericht, den ich - noch unter dem frischen Eindruck der Juni-Ereignisse von 1953 stehend - im Frühjahr 1954 abgefaßt habe. Er verdankt sein Entstehen allein dem Umstand, daß ich damals nach einer ausführlichen mündlichen Befragung seitens der Westberliner Behörde, bei der ich um meine Anerkennung als politischer Flüchtling nachgesucht hatte, aufgefordert worden war, meine Erlebnisse niederzuschreiben. Der Bericht muß sich dort noch in der Aktenablage des Amtes bzw. im Archiv befinden.
Als ich vor einiger Zeit beim Aufräumen alter Unterlagen die damals glücklicherweise von mir angefertigte Durchschrift wieder in die Hände bekam und las, fiel mir auf, daß die darin namentlich für den Verlauf des 16. Juni geschilderten Einzelheiten anderswo nirgends zu finden sind, jedenfalls nicht im gedruckten Schrifttum.
Ich glaube, mir insofern ein Urteil darüber erlauben zu können, als ich beruflich als Bibliothekar und Bibliograph tätig gewesen bin und - weil mich das Thema"17. Juni"seit jenen erregenden Ereignissen nicht mehr losgelassen hat - selber alle Daten gesammelt habe, die ich im Verlaufe meines Lebens im Hinblick auf Veröffentlichungen über den 17. Juni ermitteln konnte.
Das Material werde ichübrigens in diesen Tagen anläßlich des 50. Jahrestages des 17.Juni in Form einer umfassenden Bibliographie publizieren. Mit dem Entschluß, den nachfolgenden Bericht zur Veröffentlichung freizugeben, möchte ich allen Interessierten, eine bislang unbekannte Quelle zugänglich machen und auch den leider immer wieder anzutreffenden Falschdarstellungen über das Geschehen am 16. Juni entgegentreten.
Obwohl ich manches von dem, was ich vor einem halben Jahrhundert als junger Mann aufgeschrieben habe, heute anders bewerte und natürlich auch stilistisch anders ausdrücken würde, habe ich zur Wahrung der historischen Authentizität den ursprünglichen Text nicht abgeändert, nichts hinzugefügt und selbst Schreibfehler nicht verbessert.
Ausführliche Darstellung meiner Teilnahme an den Aktionen des 16. und 17. Juni 1953
Berlin, den 7.5.1954
Peter Bruhn
Weiterlesen auf
https://www.dzg.one/Peter-Bruhn_Der-16-Juni-1953-bleibt-mir-unvergesslich (https://www.dzg.one/Peter-Bruhn_Der-16-Juni-1953-bleibt-mir-unvergesslich)
DZG.one steht für Deutsche ZivilGesellschaft. Das freie Medium beleuchtet seit 2006 wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen und stellt immer wieder den starken Einfluss kultureller Eigenarten heraus. Es werden Quellen aus dem gesamten gesellschaftlichen Spektrum zitiert, um kontroverse Diskurse abzubilden. Neben pol. Hans Emik-Wurst tragen noch weitere Autoren zu den Inhalten bei. Die meisten Menschen wollen geführt sein. Gute Führer machen ihre Gruppe bis hin zu einem ganzen Volk glücklich und jeder Einzelne bringt im Idealfall gute Früchte hervor. Die Autoren sehen sich mit den schlechten Früchten einer manipulativen Sprache voller missbräuchlicher Bedeutungsänderungen konfrontiert. Sie möchten mit ihrenÜberlegungen zu einer ausgewogenen Meinungsbildung beitragen.
neu.DZiG.de Deutsche ZivilGesellschaft
Heinersreuther Weg 13
95460 Bad Berneck
Deutschland
E-Mail: pol.hans(at)emik-wurst.de
Homepage: https://DZG.one
Telefon: 09273 501 2493
publicEffect.com
Hans Kolpak
Heinersreuther Weg 13
95460 Bad Berneck
Deutschland
E-Mail: Hans.Kolpak(at)publicEffect.com
Homepage: https://www.publicEffect.com
Telefon: 09273 - 501 2493
Datum: 29.05.2025 - 17:37 Uhr
Sprache: Deutsch
News-ID 2175194
Anzahl Zeichen: 0
Kontakt-Informationen:
Ansprechpartner: Hans Kolpak
Stadt:
Bad Berneck
Telefon: 09273 501 2493
Kategorie:
Politik & Gesellschaft
Meldungsart: Produktinformation
Versandart: Ver?ffentlichung
Dieser Fachartikel wurde bisher 3 mal aufgerufen.
Der Fachartikel mit dem Titel:
"Peter Bruhn: Der 16. Juni 1953 bleibt mir unvergeßlich"
steht unter der journalistisch-redaktionellen Verantwortung von
neu.DZiG.de Deutsche ZivilGesellschaft (Nachricht senden)
Beachten Sie bitte die weiteren Informationen zum Haftungsauschluß (gemäß TMG - TeleMedianGesetz) und dem Datenschutz (gemäß der DSGVO).