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WESTERWELLE-Interview für die "Süddeutsche Zeitung

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WESTERWELLE-Interview für die "Süddeutsche Zeitung"


(pressrelations) -
Berlin. Der Bundesaußenminister und FDP-Parteivorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab der "Süddeutschen Zeitung" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten DANIEL BRÖSSLER und STEFAN KORNELIUS:

Frage: Herr Minister, was ist gut an Afghanistan?

WESTERWELLE: Gut ist, dass es einen neuen Anfang gibt, den wir in London beschlossen haben. Aber wenn sie nach dem Satz von Bischöfin Käßmann fragen, wonach nichts gut sei in Afghanistan: Dieser Satz ignoriert, dass vieles besser geworden ist seit der Schreckensherrschaft der Taliban.

Frage: Was denn?

WESTERWELLE: Mittlerweile können zum Beispiel Millionen Kinder zur Schule gehen, davon ein Drittel Mädchen. Wenn jemand sagt, nichts ist gut in Afghanistan, sollte er auch mit den Frauen reden, die ein menschenwürdiges Leben nicht vergittert im Haus oder mit Stoffplanen vor dem Gesicht führen können.

Frage: Sie sprechen vom Strategiewechsel. Ãœbertreiben Sie dabei nicht den deutschen Anteil?

WESTERWELLE: Wenn 70 Länder eine gemeinsame Strategie verabreden, ist das immer ein gemeinsames Werk. Wir Deutsche haben mit unserem Konzept einen wichtigen Beitrag geleistet. Ich selbst habe vom ersten Tag in meinem Amt an für diesen Strategiewechsel gearbeitet.

Frage: Was haben Ihre Vorgänger falsch gemacht?

WESTERWELLE: Wenn man etwas ändern will, ist das nicht immer eine Kritik an denen, die vorher regiert haben. Es gibt doch einen Erkenntnisgewinn nach den Erfahrungen der letzten Jahre. Wir müssen die politische Strategie und den zivilen Aufbau mehr in den Mittelpunkt stellen. Dazu zählt auch die Reintegration von Mitläufern. Es hat zu lange bei zu vielen die Illusion gegeben, man könne Afghanistan militärisch gewinnen.

Frage: Haben Sie Ihr politisches Schicksal mit dem Erfolg in Afghanistan verbunden?

WESTERWELLE: Ich bin vorsichtig mit solchen apodiktischen Formulierungen, weil es ja auch nicht um mich geht, sondern um unseren gemeinsamen Erfolg. Wir haben jetzt eine neue Strategie, die die Chance auf einen Erfolg hat, und wir werden dafür arbeiten, dass sie auch diesen Erfolg hat. Weitermachen wie bisher ist keine Alternative. Kopflos raus auch nicht.





Frage: Die Bundestagswahl 2013 wird also nicht in Afghanistan entschieden?

WESTERWELLE: Was im nächsten Wahlkampf diskutiert wird, werden wir in vier Jahren sehen. Ich habe in 9 Jahren als Parteivorsitzender zu viele Prognosen gelesen - einschließlich angeblich sicherer Erkenntnisse über mein eigenes politisches Schicksal, die sich dann um so sicherer als falsch erwiesen.

Frage: Apropos Prognosen: Garantieren Sie einen Beginn des Abzugs 2011?

WESTERWELLE: Ende 2010 wollen wir mit der regionalen Übergabe der Verantwortung beginnen, Distrikt für Distrikt. Damit wollen bis 2011 so weit sein, dass unser Bundeswehr-Kontingent erstmalig reduziert werden kann. Wir unterstützen das Ziel von Präsident Karsai, bis 2014 die Sicherheitsverantwortung vollständig zu übernehmen.

Frage: Der Abzugsbeginn 2011 ist also ein Ziel, aber kein Versprechen?

Westerwelle: Eine Strategie ist immer eine Mischung aus Analyse und Schlussfolgerungen. Wir haben diese Strategie beschlossen, weil wir überzeugt sind, dass sie wirkt. Ich habe nicht die Absicht, dies aus innenpolitischen Gründen pathetisch aufzuladen. Übrigens hat diese Bundesregierung zum ersten Mal konkrete Ziele für den wirtschaftlichen und sozialen Aufbau im Norden gesetzt. Das ist nicht selbstverständlich. Wir sagen, wie viele Kinder zur Schule gehen sollen, wie viele Straßen gebaut werden, wie viele Menschen Zugang zu Wasser und Energie bekommen sollen. Wenn wir das nicht erreichen, werden wir das erklären müssen. Wir brauchen aber diese Transparenz, wenn wir wollen, dass die Gesellschaft den Einsatz mitträgt.

Frage: Ohne innenpolitische Unterstützung werden Sie den Einsatz nicht aufrecht erhalten können.

WESTERWELLE: Ja, aber mir geht es nicht darum, ob ich heute in Umfragen oder Kommentarspalten freundlich behandelt werde. Wenn ich in vier Jahren zurückblicke, möchte ich mit Fug und Recht sagen können, dass unser Weg nicht nur für Afghanistan, sondern auch für die Sicherheit unseres Land und die Weltgemeinschaft erfolgreich war.

Frage: Notfalls ohne die Opposition? Können Sie es riskieren, das neue Mandat ohne die SPD zu verabschieden?

WESTERWELLE: Ich möchte, dass möglichst viele in der Opposition mitmachen. Und ich hoffe, dass SPD und Grüne bei dem bleiben, was sie selbst in der Regierung gesagt haben. Ich werde mich aber nicht an parteipolitische Manöver von Oppositionsparteien fesseln. Seitdem ich im Amt bin, habe ich das Gespräch auch mit der Opposition gesucht und bin dazu weiter bereit. Ich möchte SPD und Grüne herzlich bitten, sich nicht ihrer Verantwortung zu entziehen und sich mit vorgeschobenen Gründen einen schlanken Fuß zu machen.

Frage: Kann die Opposition noch Einfluss auf das Mandat nehmen?

WESTERWELLE: Wir werden jetzt das Mandat ausformulieren. Mutmaßlich am 10. Februar werde ich im Bundestag eine Regierungserklärung abgeben. Vorher werde ich die Meinungen der Fraktionen erbitten, aber die Kernpunkte, die in London von fast 70 Staaten verabschiedet worden sind, die kann, will und werde ich nicht ändern. Wer sich beispielsweise die Äußerungen von Frank-Walter Steinmeier ansieht, der müsste erkennen, dass vieles auch aus den Konzepten der Opposition in unsere Arbeit eingeflossen ist, etwa beim Programm der Reintegration von Mitläufern. Das steht auch im Konzept der SPD.

Frage: ... aber offenbar nicht in dem der CSU, die von einer Abwrackprämie für Terroristen gesprochen hat.

WESTERWELLE: Das ist so töricht, dass ich dazu nichts sagen muss.

Frage: Die Bundesregierung zahlt eine hohe Summe in den Versöhnungsfonds. Wer kontrolliert die Ausgabe?

WESTERWELLE:: Wir werden keinen Blankoscheck ausstellen. Außerdem fangen wir ja nicht bei Null an. Die Vereinten Nationen zum Beispiel verfügen bereits über umfangreiche Erfahrungen mit Reintegration. Das Geld darf nicht zu einer Prämie für Gewalt werden, es darf auch nicht versickern, sondern muss bei den jungen Männern ankommen, die des Kämpfens müde sind und die wir in ihre Dorfgemeinschaften zurückführen wollen. Das Programm ist also im Kern ein Ausbildungs- und Beschäftigungspaket.

Frage: Genügt der Fonds, um auch den harten Kern der Taliban zu erreichen?

WESTERWELLE: Wir müssen unterscheiden zwischen Wiedereingliederung und den Versöhnungsgesprächen. Das sind zwei Säulen der gesellschaftlichen Aussöhnung. Wir wissen auch, dass wir mit einem Eingliederungsprogramm keinen verblendeten Ideologen oder fundamentalistischen Gewalttäter gewinnen können. Aber wir können diejenigen ansprechen, deren Gefolgschaft die Macht der Taliban und der Terroristen erst ausmacht. Es geht darum, den harten terroristischen, fundamentalistischen Kern zu trennen von den Mitläufern. Jungen Männern, die nicht selten weder lesen noch schreiben können, und oft aus wirtschaftlicher Not für ein paar Dollar bereit sind, Waffen in die Hand zu nehmen. Wenn man denen das Angebot macht, nicht mehr kämpfen zu müssen, nicht mehr ständig um ihr Leben fürchten zu müssen und Familien gründen oder zu ihnen zurückkehren zu können, dann geben wir ihnen eine neue Chance. Dass auch die Nachbarstaaten einschließlich Pakistan dies unterstützen, sollte nicht vergessen werde n.

Frage: Wie weit darf man bei dem Versöhnungsprozess gehen. Darf man mit Terroristen verhandeln? Da gehen auch in Deutschland die Emotionen hoch.

WESTERWELLE: Die innenpolitischen Debatten lasse ich mal beiseite. Die Aussöhnung ist eine zutiefst innerafghanische Angelegenheit. Das im Rahmen einer Ferndiagnose zu betreiben, macht keinen Sinn. Wenn Präsident Karsai neue Wege sucht, um die Gräben in seinem Land zu überbrücken, dann werden wir das unterstützen. Er selbst verlangt die Akzeptanz der Verfassung und die Absage an Gewalt. Nur weil dieser Prozess schwierig ist, darf man ihn nicht unterlassen. Ich sehe auch keinen Gegensatz zwischen Demokratisierung und Stabilisierung.

Frage: Die Demokratisierung ist aber sehr in den Hintergrund geraten.

WESTERWELLE: In London haben sich insbesondere zwei Außenminister für Frauenrechte in Afghanistan eingesetzt. Das war die amerikanische Außenministerin und ich selbst. Es darf nicht verloren gehen, was an Freiheit und Menschenwürde in dem Land gewonnen wurde. Das ändert nichts an unserer Entschlossenheit, gegen terroristische Gewalttäter vorzugehen. Yitzak Rabin hat einst einen richtigen Satz geprägt: "Wir müssen den Terrorismus bekämpfen, als ob es keinen Friedensprozess gebe, und den Friedensprozess verfolgen, als ob es keinen Terrorismus gebe."

Frage: Wenn die deutschen Truppen nun mit den afghanischen Einheiten in Einsätze gehen, könnte es zunächst mehr Tote geben und damit schwieriger werden für sie, diese neue Strategie zu erklären.

WESTERWELLE: Wir werden tun, was wir können, um die Gefahren zu verringern. Es zählt zu den schwierigsten Momenten in der Regierungsverantwortung, unsere Soldaten in gefährliche Einsätze wie in Afghanistan zu schicken. Dass unsere Bevölkerung eine Grundskepsis gegenüber Militäreinsätze hat, finde ich eine der positivsten Entwicklungen unsere Geschichte. Deswegen kritisiere ich niemanden, der diesem Einsatz skeptisch gegenüber steht. Ich muss aber Entscheidungen treffen, weil sie richtig sind, selbst wenn sie keine Zustimmung in den Umfragen erzeugen. Es geht schließlich um die Sicherheit unserer Bürger.

Frage: Aus der Bundeswehr kam der Rat, das Kontingent um 3000 Mann zu vergrößern, das Verteidigungsministerium wollte mehr als 1000 Soldaten, nun sind es 850 geworden. Wie kommt diese Zahl zustande? Alles nur Innenpolitik?

WESTERWELLE: Man muss doch zunächst sagen, was sinnvoll und nötig ist. Insgesamt wollen etwas mehr als 300.000 afghanische Sicherheitskräfte schaffen. Dafür müssen auch wir Deutsche mehr ausbilden ? pro Jahr etwa 5000 Polizisten. Mir war wichtig, dass wir zunächst über Umschichtungen im bestehenden Kontingent reden. Obwohl wir schon 4500 Soldaten in Afghanistan hatten, waren nur 280 mit der Ausbildung betraut. Jetzt stocken wir lediglich um 500 auf, vergrößern aber die Ausbilder-Gruppe auf 1400 Männer und Frauen. 350 weitere Soldaten sind eine flexible Reserve, z.B. für die Wahlen im September, deren Einsatz ausdrücklich mit dem Parlament besprochen werden muss.

Frage: Die USA werden 5700 Soldaten in den Norden verlegen, genau so viele wie die Bundeswehr. Wer hat da die Hosen an?

WESTERWELLE: So wie es in unserem Konzept steht. Der Generalinspekteur hat ausdrücklich bestätigt, dass Deutschland die umfassende Führung für ISAF im Norden hat.


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Datum: 01.02.2010 - 18:49 Uhr
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