Thüringische Landeszeitung: Der Vordenker - Lothar Späth: Immer schneller als andere / Leitartikel von Gerlinde Sommer zum Tode von Lothar Späth
(ots) - In Vorbereitung der TLZ-Serie "Aufbruch und
Neuanfang in Thüringen" gab es vor mehr als einem Jahr ein letztes
Telefonat mit Lothar Späth. Es war seine private Rufnummer und er
nahm ab. Ja, TLZ. Er erinnerte sich, hörte sich an, um was es gehen
sollte in einem Interview mit ihm und lehnte dann ab. Nein, das könne
er nicht mehr. Er wollte aber nicht gleich auflegen und schilderte in
bestürzender Deutlichkeit seinen gesundheitlichen Zustand, das Auf
und Ab, das Schwinden der Erinnerung. So blieb am Ende nur, ihm alles
Gute zu wünschen. Und es blieb eine Leerstelle in dem Buch. Denn
neben Josef Duchac und Bernhard Vogel als Ministerpräsidenten des
eben erst wiedergegründeten Thüringen war es Lothar Späth(ebenfalls
CDU) der dieses Land nach 1989 maßgeblich prägte. Späth war nicht nur
für weit mehr als das wirtschaftliche Gelingen von Jena zuständig. Er
kümmerte sich um "Die Lage" im Lande und darüber hinaus. Und "Die
Lage" hieß auch eine legendäre Interviewreihe der TLZ mit Späth, in
der der Vordenker - immer fixer als die anderen - die Welt ordnete.
Späth hatte Großes vorgehabt in den End-Achtzigern: er gehörte zu
jenen, die glaubten, die Macht aus den Händen des Kanzlers und
Parteichefs Helmut Kohl nehmen und Westdeutschland neu aufstellen zu
müssen. Das misslang, der Mauerfall und die Wiedervereinigung machten
Kohl für lange Jahre sattelfest. Späth hatte in Baden-Württemberg
längst alles erreicht, Überdruss machte sich breit. Wenn jetzt viel
die Rede davon ist, wie gut das Ländle dasteht, kommt keiner umhin,
auf die Nachhaltigkeit des Wirkens von Lothar Späth hinzuweisen. Er
stellte das Land früh modern auf, immer schon ein bisschen
schwarz-grün, auch wenn davon in den 80ern offiziell noch keine Rede
sein konnte. Späth hat seine zweite Karriere in Jena gemacht; mit
Eifer sorgte er dafür, dass es voranging. Viele Jenaer wohnen heute
auf Land, das damals Späth zu Baugrund machte. Und Jenoptik hat einen
Weltruf.
Ist ihm also immer alles gelungen? Nein, sein Abgang als
Ministerpräsident war so unrühmlich wie unnötig. Und in Jena? Da hat
er sich bisweilen demütig gezeigt. Legendär sind zwei Geschichten:
die vom Fahrstuhlführer, dem er gekündigt hatte, und er ihm das im
Fahrstuhl gesagt hat. Da wurde ihm weich ums Herz, und er verstand,
was es bedeutete, das alte Zeiss-Kombinat derart zu schrumpfen. Und
es gibt diese Geschichte aus der Medizintechniksparte. Ein Produkt
sollte ein elektrischer Rollstuhl sein. Ja, heute kennt das jeder.
Aber damals war er zu früh dran. Die Herstellung war zu teuer, die
Batterien zu schwach, das Gefährt ein Flop. Es wurde in eine Halle
gestellt, schließlich stürzte eine Ziegelstein-Mauer auf den E-Rolli.
Als er mir von diesem Scheitern erzählte, hat er herzhaft gelacht.
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Datum: 19.03.2016 - 07:00 Uhr
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