Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur US-Vorwahl: Aufstand in Amerika von Stefan Stark
(ots) - Hier der Anti-Politiker Donald Trump, der
seinen Siegeszug bei den Republikanern fortsetzt, dort der Sozialist
Bernie Sanders, der bei den Demokraten fleißig Punkte sammelt: Zwei
Exoten dominieren das Rennen um das Weiße Haus - und langsam muss man
sich mit dem Gedanken vertraut machen, dass einer von ihnen am Ende
vielleicht der 45. Präsident der USA werden könnte. Die Erfolge
dieser beiden Außenseiter gegen etablierte Politiker wie Jeb Bush
oder Hillary Clinton kommen nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel.
Sie sind der Ausdruck für den tiefen Riss, der durch Amerika geht -
quer durch die Gesellschaft und die Parteien. Der "American Dream" -
der Glaube daran, dass es jeder vom Tellerwäscher zum Millionär
schaffen kann - ist ausgeträumt. Die Mittelschicht in den USA ist
zutiefst verunsichert. Zwar entstanden in den vergangenen Jahren im
großen Stil neue Arbeitsplätze. Aber viele davon sind schlecht
bezahlt, Millionen Bürger haben mehrere Jobs, weil sie sonst nicht
über die Runden kommen. Selbst ein abgeschlossenes Studium ist keine
Garantie mehr für einen gut dotierten Arbeitsplatz. Die Angst vor dem
sozialen Abstieg geht um in Amerika und frisst das Vertrauen in das
politische Establishment auf, für das moderate Kandidaten wie Hillary
Clinton oder Jeb Bush stehen. Die Parteien - allen voran die
Republikaner - erleben eine Zersplitterung in viele politische Lager
und eine Radikalisierung. In Amerika ist dieses Misstrauen
hausgemacht. Anstatt Politik zu gestalten, belauern sich Republikaner
und Demokraten seit Jahren gegenseitig im US-Kongress, um sich
ideologische Grabenkämpfe zu liefern. Sinnvolle Gesetzesinitiativen
wie die Gesundheitsreform oder ein schärferes Waffenrecht werden
dadurch verzögert oder dauerhaft blockiert. Die Supermacht Amerika
leistet sich innenpolitischen Stillstand auf wichtigen Gebieten. Kein
Wunder, dass jemand wie Trump, der schnelle Lösungen für komplexe
Probleme verspricht, bei zahlreichen Bürgern punkten kann. Er kündigt
riesige Steuergeschenke an, will eine Mauer an der Grenze zu Mexiko
bauen und hält den Kampf gegen den Klimawandel für überflüssig -
selbst mit solchen Wahlkampfmärchen kommt Trump bei seinen Anhängern
durch. Der zweite Außenseiter Sanders wird mit seinem klaren Sieg in
New Hampshire zum Stachel im Fleisch von Hillary Clinton. Sanders
verspricht den Amerikanern eine soziale Revolution - eine
Krankenversicherung für alle, 15 Dollar Mindestlohn, Abschaffung der
horrenden Studiengebühren. Damit stellt er dem alten "American Dream"
einen radikalen Gegenentwurf gegenüber: Nicht länger arm trotz
Arbeit, nicht mehr lebenslang ruiniert wegen einer Krankheit, nicht
heillos verschuldet nach einem Studium. Der Erfolg von Sanders über
Clinton steht für die wachsende Sehnsucht vieler US-Bürger nach mehr
sozialer Gerechtigkeit. Sanders Ideen könnten durchaus den Kit
bilden, um die tiefsten Risse in der Gesellschaft zu kaschieren. Der
Außenseiter Sanders und der Anti-Politiker Trump mischen den
Wahlkampf auf. Doch eine Vorentscheidung über eine Kandidatur fällt
frühestens beim Super Tuesday im März. Bei den Demokraten wäre ein
Erfolg von Sanders gegen Clinton, die in den Umfragen klare Favoritin
ist, eine Sensation. Doch einen Coup landete Sanders bereits: dass er
sich überhaupt bis jetzt gegen seine scheinbar übermächtige Rivalin
behaupten konnte. Bei den Republikanern wiederum profitiert Trump -
und das ist die bittere Ironie - nicht nur von seinen großmäuligen
Versprechungen. Sondern auch vom zerstrittenen und zersplitterten
Kandidatenfeld in seiner Partei. Und auch der Milliardär ist für eine
faustdicke Überraschung gut: Dass er sich mit seinen kruden Thesen im
Wahlkampf noch nicht selbst zerlegt hat. Für das politische
Establishment könnte es also tatsächlich noch ein böses Erwachen
geben.
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Datum: 10.02.2016 - 22:19 Uhr
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