Schwäbische Zeitung: Leitartikel zu Vorfällen an Silvester: Der Staat ist nicht wehrlos
(ots) - Allen kernigen Sätzen und markigen Forderungen
zum Trotz: Es ist unwahrscheinlich, dass die Übergriffe von Köln,
Hamburg und anderen Städten strafrechtlich angemessen verfolgt
werden. Die Beweislage wird sich in den allermeisten Fällen so
schwierig gestalten, dass jeder halbwegs begabte Strafverteidiger
wenig Mühe haben dürfte, seinen Mandanten vor einer Verurteilung zu
bewahren. Das ist eine bittere Wahrheit. Bitter ist auch: Der jetzt
vielfach gehörte Ruf, solches Gesindel so schnell wie möglich
abzuschieben, wird verhallen. Zu hoch sind die rechtlichen und die
tatsächlichen Hürden. Es sind - wenn man so will - die offenen
Flanken eines Rechtsstaats, und es ist der Preis, der für ihn bezahlt
werden muss. Viele aus diesem Pöbel, die Frauen schlimmer als Vieh
behandelt haben, wissen das, und sie fühlen sich in diesem
Rechtsstaat quasi geborgen.
Wehrlos ist der aber nicht - trotz der erschreckenden Ohnmacht der
Polizei in Köln. Die paar Hundert Beamte, die da rund um den
Hauptbahnhof für Sicherheit sorgen sollten, waren ja selbst eher
Opfer denn Garanten des staatlichen Gewaltmonopols. Ihnen ist kein
Vorwurf zu machen. Völlig unerträglich ist aber das Verhalten der
Polizeiführung nach dieser Silvesternacht. Sie hat geschwiegen,
vertuscht, beschwichtigt. Die Entlassung des Polizeipräsidenten ist
deshalb angemessen. Opfer seiner Desinformation waren auch die
Medien, welche sich ihrerseits in der Berichterstattung nicht mit
Ruhm bekleckert haben.
Der staatliche Sicherheitsapparat aber muss aus dem Skandal
lernen. Die Polizei ist durchaus in der Lage, Großereignisse zu
bewältigen, aus denen heraus Kriminalität - welcher Art immer - zu
befürchten ist. Sie muss sich nur darauf einstellen. Dann klappt es
auch besser mit der Beweissicherung und einer konsequenten
Strafverfolgung. Die Bürger wiederum sollten darauf vertrauen können,
dass das Gewaltmonopol des Staates funktioniert, sie müssen sich
sicher fühlen. Auch unter diesem Aspekt waren die Ausschreitungen
fatal. Dass Pfeffersprays stark gefragt sind, ist ein schlechtes
Zeichen.
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Datum: 08.01.2016 - 17:43 Uhr
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