FZ: Den Anschluss verloren
Kommentar der Fuldaer Zeitung zum SPD-Parteitag in Berlin
(ots) - Wenn Parteien dem Zeitgeist nachlaufen, wird es
zuweilen peinlich. Das Vorhaben der SPD, die Abstimmung über den
Parteivorsitzenden per Tablet durchzuführen, scheiterte kläglich,
weil das Prozedere die Technik und offenbar auch manchen der 620
Delegierten überforderte, die allesamt mit Kleincomputern
ausgestattet worden waren. So musste dann doch auf den guten alten
Stimmzettel zurückgegriffen werden. Eigentlich nicht mehr als eine
Fußnote, ist die Panne jedoch symptomatisch für eine Partei, die
wirkt, als habe sie den Anschluss verloren an die Gegenwart, die sich
mit Rezepten von gestern nicht gestalten lässt. Insofern überrascht
es wenig, dass der Kapitän, der das Schlamassel mit zu verantworten
hat, zunehmend in Bedrängnis gerät und beim Parteitag das Vertrauen
von mehr als einem Viertel seiner Mannschaft entzogen bekam. Nur
einmal in der SPD-Geschichte gab es für einen Parteichef ein
schlechteres Ergebnis - das erzielte Oskar Lafontaine unter völlig
anderen Umständen bei einer Kampfabstimmung gegen Rudolf Scharping im
Jahr 1995.
Gabriel, der die SPD aus dem Tief führen wollte, ist vom
Hoffnungsträger zum Buhmann geworden - und für Beobachter wird es
immer schwieriger zu eruieren, in welche Richtung die Nadel im
Kompass der SPD gerade ausschlägt. Was die Partei als ihre Erfolge
feiert (Mindestlohn, Rente mit 63 oder Frauenquote), sorgt im Land
für Probleme und hat die Wähler keineswegs nachhaltig beeindruckt. In
der Flüchtlingskrise und im Kampf gegen den Terror setzt sich die SPD
kaum von der CDU ab oder drückt sich vor klaren Antworten. Weil sie
nicht wie die CDU über "Obergrenzen" für Flüchtlinge diskutieren
will, spricht sie lieber von "Kontingenten" - wer soll das noch
verstehen? Auch in der Frage eines Bundeswehr-Einsatzes in Syrien
positioniert sich die SPD nicht gegen die CDU, sondern mit der CDU.
Dass Gabriel ankündigte, vor einem Kampfeinsatz der Bundeswehr eine
Mitgliederbefragung durchzuführen, wird einen Großteil der
Wählerschaft sicher nicht besänftigen.
So steckt die 25-Prozent-Partei zwei Jahre vor der nächsten
Bundestagswahl im Dilemma. Der, wie er selbst sagte, "abgestrafte"
Gabriel wird es wohl kaum schaffen, das sinkende Schiff wieder flott
zu machen. Eine Alternative zu ihm als Kanzlerkandidat ist jedoch
nicht in Sicht. Laut einer Umfrage wünscht sich selbst eine Mehrheit
der SPD-Anhänger nicht Gabriel, sondern Steinmeier, der aber nach
seiner Niederlage gegen Merkel 2013 nicht nochmal gegen die Kanzlerin
antreten wird.
Ergo bleiben der SPD derzeit nur das Prinzip Hoffnung und die
Gewissheit, dass in zwei Jahren noch viel Wasser die Spree
runterfließt. Gebannt werden die Genossen Anfang der Woche nach
Karlsruhe blicken, wo die CDU ebenfalls die Weichen für die zweite
Hälfte der Legislaturperiode stellt - wohlwissend, dass ihr
abgewatschter Parteichef selbst für eine strauchelnde Kanzlerin
derzeit keine Gefahr darstellt. / Bernd Loskant
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Bernd Loskant
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Datum: 11.12.2015 - 18:56 Uhr
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