Tod nach Risiko-Transplantation in Heidelberg
(ots) - Trotz eindeutigem Gutachten und Anzeige
durch die Vertrauensstelle Transplantationsmedizin bei der
Bundesärztekammer verhindert die Staatsanwaltschaft Strafverfahren
gegen Heidelberger Transplantationsmediziner
Gibt es Parallelen zum aktuell bekannt gewordenen Fall der
Manipulationen bei Herztransplantationen während desselben Zeitraums
in Heidelberg? Erfolgt die Nichtbeachtung von Vorschriften in
Heidelberg mit System? Wie steht es mit dem Berufsethos der
Transplantationsmediziner?
Werner Simon unterzog sich auf Anraten seiner Heidelberger Ärzte
im Januar 2011 einer hochriskanten Operation (die Süddeutsche Zeitung
berichtete am 25. Juli 2014). Bei gleichzeitiger
Nierentransplantation (Lebendspende seiner Ehefrau Ulrike Simon),
wurde ihm die von einem Tumor befallene Prostata entfernt. Eine
bisher weltweit einmalige Operation mit hohen Risiken. So lautet
zumindest der Tenor des von Ulrike Simon in Auftrag gegebene
Gutachten von Prof. Bachmann, Chefarzt der Urologie an der
Universitätsklinik Basel, Schweiz.
Dieses Gutachten war notwendig, da Werner Simon einige Monate
später nach ausgeprägter Leidenszeit verstarb. Immerwährende
Infektionen im Zusammenwirken mit der Wahl des OP-Verfahrens, führten
zum Tode. Dies sei, auf Grund der transplantationsbedingten
Immunsituation vor dem Eingriff absehbar gewesen, so der Gutachter.
Zum Zeitpunkt der Operation war der Organempfänger, nicht zu Letzt
wegen der Krebserkrankung als "nicht transplantabel" gelistet. Eine
Lebendorganspende darf aber laut Gesetzt nur erfolgen, wenn ein
postmortales Organ kurzfristig nicht zur Verfügung steht. Dazu muss
der Organempfänger als "transplantabel" gelistet sein.
Der Gutachter Bachmann bescheinigt den Heidelberger Ärzten
inkompetentes Vorgehen und eine unzureichende Risikoaufklärung, sowie
mangelnde Kommunikation. Zudem bemängelt er das Fehlen relevanter
Unterlagen in der Patientenakte. Auch sei gegen Leitlinien verstoßen
worden. Sein Fazit: bei regelgerechtem Vorgehen, wäre das Leben von
Werner Simon nicht unnötig gefährdet und die Spenderin Ulrike Simon
nicht den hohen Risiken der Nierenlebendspende ausgesetzt worden.
Grund genug für unabhängige Vertrauensstelle
Transplantationsmedizin bei der Bundesärztekammer (BÄK), Strafanzeige
wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung zu stellen. Insbesondere
die mangelhafte Aufklärung, die weder inhaltlich, noch formell dem
Transplantationsgesetz entsprach, löste Bestürzung bei der BÄK aus.
Dennoch sah weder die Staatsanwaltschaft Heidelberg, noch die
Generalstaatsanwaltschaft in Karlsruhe nach Beschwerde, den
Anfangsverdacht bestätigt. Bei der Entscheidung das Verfahren
einzustellen, stützt sich die Staatsanwaltschaft auf ein von ihr
eingeholtes Gutachten. Gutachter ist Prof. Miller, Direktor der
Klinik für Urologie an der Charité, in Berlin. Auch er kann die
Gleichzeitigkeit der Eingriffe nicht nachvollziehen, bezeichnet sie
sogar als medizinisch nicht sinnvoll und durch Studien nicht gedeckt,
bescheinigt aber den Heidelberger Medizinern eine vorschriftsmäßige
Aufklärung über die Risiken. Auch sei der Eingriff nach den Regeln
der ärztlichen Kunst erfolgt.
Sein Fazit lautet, dass es zwar deutlich erhöhte Risiken durch den
Doppeleingriff gab, dass jedoch die Ärzte auf Grund der regelrechten
Aufklärung über diese Risiken keine Verantwortung für den
schicksalhaften Verlauf der zum Tode führte, tragen.
Gerade die Aufklärung ist eben nicht regelgerecht erfolgt. Das
bestätigt auch, wie bereits erwähnt, die BÄK in persönlichem
E-Mail-Kontakt mit Ulrike Simon. Es liegen keine Protokolle von
Aufklärungsgesprächen vor, welche sowohl bei experimentellen
Eingriffen mit Heilversuchscharakter, als auch mit Gegenzeichnung der
Patienten, wie es das Transplantationsgesetz vorschreibt,
anzufertigen sind. So wurde die Spenderin an Hand eines
vorausgefüllten Aufklärungsbogen für Organempfänger von einem nicht
informierten und ihr unbekannten Arzt "aufgeklärt". Über die
erheblichen Risiken einer Nierenlebendspende wurde die Spenderin
niemals aufgeklärt. Leider ist dies nicht der einzige Fall
fehlerhafter Aufklärung im Rahmen einer Nierenlebendspende in
Heidelberg und an anderen Transplantationszentren, wie die
Interessengemeinschaft Nierenlebendspende e. V. berichtet.
Dem Antrag von Ulrike Simon auf Erstellung eines
interdisziplinären Gutachtens, da die Fachbereiche Urologie,
Nephrologie und Transplantationschirurgie beteiligt waren, wurde
seitens der Staatsanwaltschaft nicht stattgegeben. Die Begründung
lautete, dass der Gutachter Miller vollends ausreiche und er alle
Disziplinen bewerten könne. Hierzu schreibt Ulrike Simons
Rechtsanwalt Oliver Brock von der Kanzlei Cramer & Laws aus Brilon:
"Würde man dieser Logik folgen, so wäre der Leiter eines
Großklinikums, welchem alle einzelnen Fachabteilungen unterliegen,
grundsätzlich als Universalsachverständiger in sämtlichen
medizinischen Belangen anzusehen."
Möglicherweise hat die Staatsanwaltschaft nicht den Mut in einem
weiteren öffentlichkeitswirksamen Verfahren gegen
Transplantationsmediziner aus Heidelberg vorzugehen. Denn ein
anderslautendes Gegengutachten, welches auf Grund der Umstände zudem
den Verdacht des "Gefälligkeitsgutachten" mit sich trägt, ist kein
Grund zur Einstellung dieses Verfahrens, sondern zeigt wie dringend
die gerichtliche Aufarbeitung des Falls ist.
So folgte Herr Prof. Miller im Januar 2012 einer Einladung der
Universitätsklinik Heidelberg, um im Rahmen des "Symposiums
Nierenzellenkarzinom" einen Vortrag zu halten. Unter den weiteren
Vortragenden und Einladenden befanden sich auch Mediziner, die in im
Fall Simon angezeigt wurden. Das "Netzwerk" der
Transplantationsmediziner in Deutschland scheint so gut gestrickt,
dass es tatsächlich unmöglich erscheint, neutrale Gutachter bei
medizinischen Fehlleistungen zu finden. Auch andere, schwer
erkrankten Nierenlebendspender können hierüber leidvoll berichten.
Das Gutachten aus der Schweiz von Prof. Bachmann hingegen liest
sich kompetent und ist frei von derartigen Verdachtsmomenten.
Allerdings wird aus "informierten Kreisen" berichtet, dass Prof.
Bachmann für sein Verhalten im Nachhinein sehr deutliche Kritik
innerhalb der Phalanx der Transplantationsmediziner erhalten hat.
Bemerkenswerter Weise hatte das Ehepaar Simon seinerzeit eine
Zweitmeinung beim damaligen stellv. Direktor der der Urologischen
Klinik der Charité Berlin, Herrn Prof. Schostak, also einem
Mitarbeiter von Prof. Miller, eingeholt. Dieser hatte vor den Risiken
der OP eindringlich gewarnt und dem Ehepaar abgeraten. Diese
Zweitmeinung wurde von einem der angezeigten Heidelberger Mediziner
"als unzulässige Ferndiagnose" abgetan und das Ehepaar Simon somit
wieder "auf die Spur" gebracht. Auf Nachfragen der Süddeutschen
Zeitung bestätigte Schostak seinerzeit seine Kritik, ruderte aber
kurz vor der Veröffentlichung seiner Haltung unter dem Druck aus
Kollegenkreisen zurück.
Bei Ulrike Simon haben sich inzwischen Gesundheitsstörungen durch
die Nierenlebendspende eingestellt. Ihr schon vor der Spende
vorhandener Bluthochdruck ist weiter gestiegen und gerät
zwischenzeitlich außer Kontrolle. Zudem leidet sie an "fatigueartigen
Symptomen", wie nach Nierenverlust sehr häufig zu beobachten. Auch
hier darf neben der Vollständigkeit der Aufklärung auch die Qualität
der medizinischen Evaluation bezweifelt werden. Erst Ende 2015 wird
es verbindliche Richtlinien der BÄK zur Nierenlebendspende geben.
Dies geht auch auf den Hinweis der Interessengemeinschaft
Nierenlebendspende e. V. im Jahr 2013 an die BÄK zurück, dass bis
dahin der gesetzgeberischen Auftrag an die BÄK zur
Richtlinienerstellung nicht erfüllt wurde.
Im Fall Simon bleibt auch die Frage, ob auch eine regelrechte
Aufklärung die Mediziner überhaupt legitimiert hätte, eine derartig
hoch experimentelle Operation durch zuführen, deren Nutzen von beiden
Gutachtern bezweifelt wird, und die schließlich zum absehbaren Tod
des Patienten führte.
Verantwortungsvolle Mediziner sind angehalten zu mahnen und jedes
unnötige Risiko zu vermeiden. Ein von Eitelkeit genährtes
Erfolgsstreben hat im OP-Saal nichts verloren. Schon gar nicht, wenn
es um Leben und Tod geht und die Art des Eingriffs, sowie im Fall
Simon, medizinisch unerforscht und unnötig ist.
Gerade bei der Organlebendspende bewegt sich die Medizin im
ethischen Graubereich. Transplantationsmediziner müssen nicht nur
fachlich überzeugend und glaubwürdig sein, sondern sie sind den
gesetzlichen Normen und medizinischen Leit- und Richtlinien
verpflichtet. Diese haben sie, wie jeder andere Fach- und
Sachverständige, einzuhalten. Bei Zweifeln hat die Justiz mit großer
Transparenz und Offenheit zu ermitteln.
Ulrike Simons Anwalt bemüht sich nun mit einem entsprechenden
Antrag vor dem OLG Karlsruhe die Klage zu erzwingen. Der Antrag liegt
seit dem 15. Oktober 2015 zur Entscheidung vor.
Das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Justiz steht auf dem
Spiel.
Pressekontakt:
Ralf Zietz, 1. Vorsitzender, Interessengemeinschaft
Nierenlebendspende e. V., 27321 Thedinghausen, Fon: 04204-685478,
Email: ralf.zietz(at)nierenlebendspende.com, Internet:
www.nierenlebendspende.com.
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Datum: 20.10.2015 - 08:33 Uhr
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