Aachener Zeitung: Kommentar
Auf der Suche
Beim Thema Flucht findet noch niemand die Lösung
Bernd Mathieu
(ots) - Sigmar Gabriel hat gut reden an diesem Sonntag in
Mainz. Beim "Strategiekongress" wirft der SPD-Chef seinen
Koalitionsfreundinnen und -freunden der Union "Hilflosigkeit" vor.
Das ist für die konfuse Kommunikation zwischen den Metropolen Berlin
und München und den Polen Merkel und Seehofer eine zutreffende
Bewertung. Nur: Für Gabriels eigene Partei gilt das, abgesehen von
personellen Querelen, ähnlich: Wer agiert angesichts der
Flüchtlingsströme nicht hilflos? Der Mainzer Sonntagsredner hat außer
den üblichen Worthülsen da ebenfalls nicht viel zu bieten: man dürfe
kein Spalter sein, müsse das Asylrecht verteidigen, solle gut zuhören
und einen starken und solidarischen Staat wollen. Wer, von einigen
extremen Hetzern abgesehen, will das im Prinzip nicht? Die SPD müsse
Antworten finden, verlangt Sigmar Gabriel. Die SPD ist, wie die
anderen, noch auf der Suche. Hilflosigkeit allerorten. Der
CSU-Vorsitzende Horst Seehofer spricht am Sonntag sogar von
verschiedenen "Denkschulen". Was für ein ambitionierter Begriff!
Seehofers "Denkschule", so erklärt er uns das, laute: "Die
Zuwanderung muss geregelt erfolgen." Wer würde das ernsthaft
bestreiten? Aber wie das konkret und nachhaltig gehen soll, dazu sagt
Seehofer nicht viel, sondern viel zu wenig. Greifen wir einen
Vorschlag, der am Rande der Konferenz des Internationalen
Währungsfonds und der Weltbank in Lima erörtert wurde, auf: eine Art
"Soli" für die Flüchtlingslager rund um Syrien, an den
EU-Außengrenzen und für Verteillager, also Geld für Länder wie
Libanon, Türkei, Jordanien, Griechenland, um den Flüchtlingsstrom
einzudämmen. Das sollte Horst Seehofer gefallen, aber gleichzeitig
würde eine damit verbundene Erhöhung etwa der Mehrwertsteuer oder der
Mineralölsteuer neue bürgerliche Fronten gegen Flüchtlinge auslösen.
Also: Was tun? Auch hier regiert die Hilflosigkeit: Der
Bundesfinanzminister spricht in Lima von "fiskalischem Spielraum",
den Deutschland habe, aber andere EU-Länder eben nicht. Das lässt
alles offen, etwa einen neuen EU-Soli. Und schon beeilt sich die
höchst alarmierte Bundeskanzlerin, jede Spekulation über neue oder
höhere Steuern zu beenden. Solche Erhöhungen werde es "definitiv"
nicht geben. Sondern was? Pingpong in der Provinz Hilflosigkeit.
Wenigstens einer sagt an diesem Sonntag deutlich die Wahrheit:
Weltbankpräsident Jim Yong Kim spricht von der "größten
Vertriebenen-Krise seit dem Zweiten Weltkrieg". Mit dieser Dimension
dürfte klar sein, dass das Problem nicht im provinziellen Pingpong
zwischen Berlin und München, in Strategiekongressreden und Interviews
zu lösen ist, sondern in richtigen internationalen "Denkschulen" mit
mutigen Entscheidungen, die schlüssig sind und deshalb einer
aufgeklärten und gutwilligen Bürgerschaft erklärt und zugemutet
werden können. Mit dem bloßen Slogan "Wir schaffen das" ist nun
niemandem mehr geholfen. Etwas konkreter sollte es schon sein.
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Datum: 11.10.2015 - 16:05 Uhr
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