TK: Antibabypillen sind kein Lifestyle-Produkt - Hohe Verordnungszahlen auch aufgrund von Pharmamarketing?
(ots) - Die Techniker Krankenkasse (TK) weist auf die
steigenden Verordnungen von modernen Antibabypillen bei jungen Frauen
hin. Präparate der sogenannten 3. und 4. Generation haben häufig ein
wesentlich größeres Risiko für die Bildung von Thrombosen
(Blutgerinnseln) als die Pillen der 2. Generation. Trotzdem werden
die moderneren Pillen als vermeintlich besser angesehen und
wesentlich häufiger verschrieben. "Alle derzeit verfügbaren
Antibabypillen sind zuverlässige Verhütungsmittel, aber die
verschiedenen Präparate haben unterschiedliche Risiken und
Nebenwirkungen" so Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK.
"Derzeit sehen wir die Informationshoheit eindeutig bei der
pharmazeutischen Industrie und engagieren uns deswegen dafür, dass
sich junge Frauen besser über Risiken und Nebenwirkungen informieren.
Denn: Es handelt sich um ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel
und nicht um ein Lifestyle-Produkt."
"Sie haben eine Zulassung, also werden sie verschrieben. Vor allem
bei jungen Frauen, die nicht rauchen und kein Übergewicht haben,
spricht auf den ersten Blick auch nichts gegen die neuen Präparate",
so Professor Gerd Glaeske von der Universität Bremen. "Aber neu ist
nicht immer gleich besser, im Gegenteil: Die Pillen der früheren
Generationen schützen genauso gut vor einer ungewollten
Schwangerschaft und haben ein geringeres Thromboserisiko."
Die häufig als modern und niedrig dosiert beschriebenen Pillen
sind zudem häufig gar nicht mehr so neu. Professor Petra Thürmann,
Direktorin des Philipp-Klee-Instituts für klinische Pharmakologie:
"Als Professorin habe ich Schwierigkeiten, meine jungen
Medizinstudentinnen überhaupt für das Thema Pille zu sensibilisieren,
weil viele sie selber seit Jahren bedenkenlos nehmen."
Pharmamarketing im Internet verantwortungslos
Die Entscheidung für eine Pille wird häufig im Teenageralter
getroffen. Meist bleiben die Anwenderinnen dann über viele Jahre beim
gleichen Präparat und, bis zur Vollendung des 20. Lebensjahrs ist die
Pille auch zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnungsfähig.
Gründe, weswegen die Pharmaindustrie gezielt junge Frauen umwirbt.
In Deutschland ist die Werbung für verschreibungspflichtige
Arzneimittel bei Verbrauchern durch das Heilmittelwerbegesetz (HWG)
verboten. Aber über Internetportale wie zum Beispiel www.pille.de
(MSD) oder www.schoen-sicher.de (Dr. Kade Pharma) kann ganz allgemein
über Verhütung und die Pille informiert werden. "Es muss hinterfragt
werden, ob nicht zwischen Beauty- und Lifestyletipps in Wahrheit ein
ungefilterter Informationsfluss der Marketing- und Werbebotschaften
der Pharmaindustrie an die Teenager stattfindet", so Glaeske. Auch
auf Facebook-Seiten, wie zum Beispiel LiebeSLeben (Jenapharm) und
YouTube sind pharmazeutische Unternehmen aktiv. Zwar wird bei den
Angeboten auch auf das Thromboserisiko hingewiesen, aber im
Vordergrund stehen neben der Verhütung meist die vermeintlich
positiven Nebenwirkungen auf Haut oder Haare. Dass ein
Pharmaunternehmen die Inhalte verantwortet, steht oft nur im
Impressum oder ist durch ein Logo gekennzeichnet. Ob die jungen
Menschen alle Logos der Pharmaindustrie kennen, ist jedoch fraglich.
"Die Hersteller von Pillen haben offensichtlich herausgefunden,
wie man gerade für die Zielgruppe der jungen Frauen neue Medien
nutzt, um diese spezifisch und mit ihrer Sprache zu erreichen", so
Thürmann. "Die Warnhinweise hingegen sowohl von Behörden als auch die
Stimmen kritischer Ärzte und Wissenschaftler verhallen offenbar im
Raum."
Die Pille hat seit ihrer Einführung maßgeblich zur sexuellen
Befreiung der Frauen beigetragen. In den Achtzigerjahren gehörte sie
zum selbstbestimmten Leben einer Frau. "Jetzt beobachten wir, dass
sie gezielt weiterentwickelt wird, um bestimmten Schönheitsidealen
näherzukommen und zu einem Lifestylepräparat wird", so Thürmann. "Mit
Selbstbestimmung und Unabhängigkeit hat das nichts mehr zu tun."
Glaeske ergänzt: "Auch bei den Namen, wie z.B. Yasmin und
Yasminelle und den Verpackungen besteht ein großer Unterschied zu
anderen verschreibungspflichtigen Arzneimitteln."
TK schafft Informationsangebot für Ärzte und junge Frauen Der nun
vorgestellte "Pillenreport", widmet sich der Frage, ob die neuen und
modernen Pillen der 3. und 4. Generation wirklich ein medizinischer
Fortschritt sind. Er geht auf Nutzen und Risiken der neueren
Gestagene ein und untersucht Verordnungscharakteristika genauer. Er
ist ein Ableger des diesjährigen Innovationsreports von der TK und
dem SOCIUM, Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik, an der
Universität Bremen.
Für junge Frauen steht ab sofort die Seite pille.tk.de zur
Verfügung. Die Seite bietet eine Übersicht der verschiedenen
Präparate und soll bei der Wahl der richtigen Pille helfen. Zudem hat
die TK einen Film produziert, der als Informationsangebot auf YouTube
und Facebook für das Thema sensibilisieren soll.
Thürmann: "Letztendlich sind hier verantwortungsbewusste Ärztinnen
und Ärzte und deren Fachgesellschaften gefordert, in ihren Leitlinien
Stellung zu beziehen."
"Wenn sich Frauen für die Pille entscheiden, sollten sie gemeinsam
mit den Ärzten hinter die Marketingbotschaften der Pharmaindustrie
schauen und eine sorgfältige Wahl für die Pille treffen, die für sie
am besten geeignet ist", so Baas.
Hintergrund:
Das Bundesministerium für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
hat schon im März 2014 verkündet, dass in den Fachinformationen für
einige Pillen der dritten und vierten Generation auf das höhere
Thromboserisiko hingewiesen werden muss. Gleichzeitig forderte es
weitere Studien von den Herstellern für Produkte, bei denen das
Risiko unklar ist. Am Verordnungsverhalten hat sich trotz dieser
Warnung nichts geändert.
Die Digitale Pressemappe mit dem Pillenreport und dem Film ist auf
www.tk.de unter dem Webcode 770816 verfügbar.
Junge Frauen können sich auf www.pille.tk.de zu dem Thema
informieren.
Der Pillenreport ist eine Auskoppelung aus dem diesjährigen
Innovationsreport, den TK jährlich mit der Universität Bremen
erstellt, um die Arzneimittelinnovationen eines Jahrgangs zu
bewerten. Der Innovationsreport 2015 ist auf tk.de unter dem Webcode
747512 verfügbar.
Pressekontakt:
TK-Pressestelle
Dennis Chytrek
Tel. 040 - 6909 3020
dennis.chytrek(at)tk.de
www.newsroom.tk.de
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Datum: 09.10.2015 - 11:14 Uhr
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