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Aachener Nachrichten: Ein anderes Europa - warum vor allem junge Griechen hinter Tsipras stehen; Ein Kommentar von Joachim Zinsen

ID: 1234882

(ots) - Ihr Stolz hat ihre Angst besiegt. Der Wunsch nach
Würde war stärker als die Drohungen aus Brüssel und Berlin. Vor allem
junge Griechen haben am Sonntag Mut bewiesen. In keiner Altersklasse
war die Unterstützung für Ministerpräsident Alexis Tsipras so
überwältigend wie bei den Wählern unter 35 Jahren. Es war der Mut von
Menschen, die glauben, nichts mehr zu verlieren zu haben. Es war die
Antwort einer Generation, die mit einer gewaltigen Arbeits- und einer
nicht nur gefühlten Perspektivlosigkeit wie keine zweite für das
falsche Krisenmanagement der vergangenen Jahre zahlen muss. Ihr Votum
war keine Stimme gegen den Euro, erst recht keine Stimme gegen Europa
und schon gar keine Stimme gegen dringend notwendige Reformen in
Griechenland. Ihr Votum war der Ruf nach einem anderen Griechenland,
vor allem aber nach einem anderen Europa, nach einem sozialeren
Europa, nach einem Europa, in dem das Wohl der breiten Bevölkerung
über den Interessen einer kleinen Schicht von Kapitaleignern steht.
Diese Sehnsucht mag in den Augen der etablierten politischen Eliten
naiv sein. Doch wer sie ignoriert, setzt das gesamte europäische
Projekt aufs Spiel, kippt Wasser auf die Mühlen all jener, die immer
offener mit nationalen Denkfiguren hantieren und versuchen, die oft
berechtigte Frustration vieler Bürger in chauvinistische Bahnen zu
lenken. Platte Phrasendrescher Die Staatenlenker der Eurozone sollten
deshalb nach der Volksabstimmung nicht beleidigt auf stur schalten
und Griechenland aus dem Euro drängen wollen. Regierungspolitiker in
Deutschland sollten aufhören, mit unsinnigem aber gebetsmühlenartig
vorgetragenem Stammtisch-Gebrabbel wie "Die Griechen wollen es sich
gut gehen und uns dafür zahlen lassen" die Atmosphäre weiter zu
vergiften. Das gilt auch für SPD-Chef Sigmar Gabriel, dessen jüngste
Äußerungen zum Leidwesen vieler seiner Parteifreunde den Verdacht




nahelegen, ihr Vorsitzender wolle einschlägig bekannten CSU-Größen
partout den Titel "plattester Phrasendrescher" streitig machen. Nein,
stattdessen gilt es endlich einige Wahrheiten auszusprechen, auch
wenn sie unpopulär und für die Kanzlerin unangenehm sind. Nämlich
erstens: Die Griechen haben in der jüngeren Vergangenheit wie kein
anderes EU-Land zuvor gekürzt und gespart. Das hat die ökonomische
und soziale Krise des Landes jedoch nur vertieft. Die von Berlin
maßgeblich gezimmerte Austeritätspolitik der EU war nicht allein in
Griechenland kontraproduktiv. Sie ist gescheitert, muss beendet und
durch eine Investitionsoffensive ersetzt werden. Zweitens: Ein
weiterer Schuldenschnitt für Griechenland ist überfällig. Dem Land
muss ein Teil seiner Verbindlichkeiten erlassen werden, sonst hat es
keine Chance auf die Beine zu kommen. Das wird die europäischen
Steuerzahler Milliarden kosten, ist für alle Beteiligten aber
kostengünstiger als ein Grexit. Keiner bestreitet Reformbedarf
Drittens: Kaum ein Grieche bestreitet, dass sein Land Reformen
braucht. Allerdings müssen es sinnvolle sein. Bisher haben die
Geldgeber Finanzhilfen davon abhängig gemacht, dass bei Renten und
Löhnen radikal gekürzt wird, dass im Gesundheitssystem massiv gespart
wird und dass Arbeitnehmerrechte abgebaut werden. Wann drängen sie
endlich mit gleicher Macht darauf, dass in Griechenland ein
funktionierender Verwaltungsapparat aufgebaut wird, eine effiziente
Steuerbehörde eingerichtet wird und die Privilegien der griechischen
Oligarchie fallen? Bisher ist da nicht viel geschehen. Auch nicht in
den ersten fünf Monaten unter Tsipras. Statt sich wie Kampfhunde
weiter ineinander zu verbeißen sollte beide Seiten wieder
lösungsorientiert verhandeln. In Griechenland ist gestern
Finanzminister Gianis Varoufakis zurückgetreten. Vom ökonomischen
Sachverstand her war er Wolfgang Schäuble und den anderen
Finanzminister der Euro-Zone überlegen. Diplomatisch entpuppte er
sich aber als Niete. Mit dem Abzug der Reizfigur hat Tsipras ein
Zeichen gesetzt. Er will offenbar deeskalieren. Versöhnlichere Töne
kamen gestern auch aus Rom und Paris. Wo aber bleibt Berlin?



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Aachener Nachrichten
Redaktion Aachener Nachrichten
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Datum: 06.07.2015 - 19:10 Uhr
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