Aachener Zeitung: Kommentar
Euro, Strand, Sonne
Griechenland ist mehr als Geld und Tourismus
Bernd Mathieu
(ots) - Die Deutsche Presseagentur titelt gestern:
"Finanzwelt blickt gebannt nach Griechenland." Das stimmt. Es geht um
den Euro, um Geld, um viel Geld, um Schulden und um Investitionen,
um Sparpolitik und Wirtschaftswachstum, um Geldgeber und um
Geldnehmer, um Geldvernichter und um Geldvermehrer. Aber: Es geht
nicht nur ums Geld. Wenn die Griechen morgen abstimmen, dann lesen
sie auf ihrem Wahlzettel einen Text, den man in der von ihrer
Regierung vorgegebenen Unverständlichkeit kaum begreifen kann. Da
wird nichts erklärt, nichts vernünftig übersetzt, nichts objektiv
dargestellt. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz nannte das
"manipulativ". Alexis Tsipras und Gianis Varoufakis haben vor der
Wahl ihrem Volk das Blaue vom griechischen Himmel versprochen und
dann mit ihrer forschen Art zu verhandeln ihr Land in der EU zum
Außenseiter degradiert - nicht nur bei Kalibern wie Schäuble und
Merkel, sogar beim zunächst so jovialen und lieben Jean-Claude
Juncker, beim zunächst so kompromissbereiten Martin Schulz, sondern
auch bei Ländern wie Irland, Zypern, Spanien und Portugal. Diese
Nationen haben im Gegensatz zum Duo Tsipras/Varoufakis eine
ernsthafte Reformpolitik betrieben - mit Verzicht auf billige Polemik
und geradezu kindische Auftritte. Tsipras und Varoufakis hatten
nichts Besseres zu tun, als in einem Land, das einen überbordenden
Öffentlichen Dienst hat, in aller Schnelle dort zahlreiche neue
Stellen zu besetzen. Welche konkreten Maßnahmen gab es jedoch bislang
gegen die Stinkreichen, die nach wie vor täglich jede Menge Geld aus
dem Land schaffen? Was ist gegen die unsäglich korrupte Elite
unternommen worden? Was gegen die über 30-prozentige
Schattenwirtschaft? Wer hat sich ernsthaft um die 70 Milliarden Euro
Steueraußenbestände gekümmert? Welches eigene Konzept haben die
beiden forschen Griechen in Brüssel vorgelegt? Sie haben im Prinzip
nur erklärt, was sie ablehnen. Wer sich aus gutem Grund über die
Arroganz der Troika geärgert hat, der muss auch über die Arroganz des
Griechen-Duos reden. Wer sich über die schroffe und zuweilen sture
Art von Wolfgang Schäuble aufregt, sollte dies ebenfalls über manche
Flegelhaftigkeit von Varoufakis tun. Griechenland ist mehr als eine
Euro-Station, mehr als nur Geschichte der Antike, mehr als nur Strand
und Sonne. Es ist ein Teil Europas, eine ganz wesentliche
geopolitische Region, es ist ein hohes europäisches Gut an sich. Und
es ist jede Form von Solidarität wert. Es hat mehr verdient, als die
vorsätzlich fahrlässige Willkür, an der es nun zu scheitern droht. Ab
Montag muss unabhängig vom Ergebnis der Volksabstimmung verhandelt
werden, anders, offener, entschiedener, berechenbarer, zuverlässiger
und zugleich vielleicht sogar ein kleines bisschen vertrauensvoller
und vor allem ideologiefreier als bislang.
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Datum: 03.07.2015 - 18:12 Uhr
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