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Forschung& Innovation: Erwartungen der EFI an die nächste Bundesregierung

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(ots) - Überwindung der Pandemie erste Aufgabe, aber Forschungs- und Innovationspolitik muss hohe Priorität behalten - Nachdenken über ein Digitalministerium erforderlich - Technologische Souveränität Deutschlands berücksichtigen - Fachkräfte-Basis sichern - Vorschlag einer "Zukunftsquote" im Bundeshaushalt - Agilität der F&I-Politik deutlich steigern!

Im neuen Jahresgutachten 2021 der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), das der Bundeskanzlerin aufgrund der Pandemie in diesem Jahr virtuell übergeben wurde, geht die EFI neben anderen Themen auch darauf ein, welche F&I-Politik sie nach der Bundestagswahl im September von der künftigen Bundesregierung erwartet.

Der Vorsitzende der EFI, Prof. Uwe Cantner von der Universität Jena, stellt fest, dass die Ausgangslage für Forschung und Innovation in Deutschland trotz der Corona-Krise so schlecht nicht ist: "Unser Land hat in den vergangenen beiden Dekaden durch eine kluge Finanz- und Wirtschaftspolitik Handlungsspielräume für die Bewältigung großer Herausforderungen geschaffen. So konnte die Politik den schwersten Verwerfungen durch die Corona-Krise relativ gut durch massive Schuldenaufnahme begegnen. Deutschland war aber in den letzten Jahren auch in der Lage, F&I durch Zukunftsinvestitionen voranzubringen."

Die Forschungs- und Entwicklungsintensität des deutschen F&I-Systems "hat zuletzt mit einem Wert von 3,17 Prozent am Bruttoinlandsprodukt die internationale Spitzengruppe erreicht - ein gemeinsamer Erfolg von privatwirtschaftlichen FuE-Aktivitäten und einer breiten staatlichen Förderpolitik", betont Cantner. Das Ziel, eine international führende Rolle als Innovationsstandort zu spielen, habe Deutschland somit durchaus erreicht. Cantner schränkt jedoch ein: "Ein derart gestärktes F&I-System gibt allerdings keinen Anlass zum Ausruhen."

Die EFI sieht zwar die Überwindung der Corona-Krise als eine aktuelle, zentrale Aufgabe der neuen Bundesregierung an, sie will aber zugleich gewährleistet sehen, dass "der F&I-Politik weiterhin ein hoher Stellenwert zukommt". Die neue Bundesregierung benötige einen kohärenten Politikansatz, der den gesamten Innovationsprozess - von der Grundlagenforschung bis zur Anwendung - in den Blick nimmt und dem sich alle Ministerien verpflichtet fühlen. In der neuen Legislaturperiode sollte sich die F&I-Politik an fünf wesentlichen Prioritäten ausrichten:





1. Priorität "Große gesellschaftliche Herausforderungen angehen"

Eine hohe Priorität müssten die großen gesellschaftlichen Herausforderungen und darin insbesondere die Nachhaltigkeitsziele (Agenda 2030: 17 globale UN-Ziele für eine bessere Zukunft) haben. Cantner betont: "Die großen gesellschaftlichen Herausforderungen lassen sich nicht ohne technologische und soziale Innovationen bewältigen. Die Forschungs- und Innovationspolitik steht in der Verantwortung, zur Lösung drängender gesellschaftlicher Probleme beizutragen." Die Hightech-Strategie 2025 der Bundesregierung nehme wichtige gesellschaftliche Herausforderungen bereits in den Blick, "jedoch stehen die angestoßenen Transformationsprozesse im Wesentlichen noch am Anfang", so Cantner. Zur erfolgreichen Fortführung der Energiewende bedürfe es weiterer Anstrengungen, sei es bei der Ausweitung von CO2-freier Stromerzeugung oder in der Umsetzung von vielfältigen Innovationen im gesamten Strombereich. Bei der Mobilitätswende stehe die Automobilindustrie als eine der deutschen Kernindustrien unter Druck und müsse F&I-politisch begleitet werden. Prof. Till Requate von der Universität Kiel mahnt hier insbesondere zur "Technologieoffenheit": "Das Rennen zwischen Batterie und Brennstoffzelle muss offenbleiben, schon allein deswegen, weil asiatische Staaten erhebliche Ressourcen in die Weiterentwicklung der Brennstoffzellentechnologie stecken. Deutschland sollte sich nicht von diesem Know-how abkoppeln."

2. Priorität "Technologische Rückstände aufholen und vermeiden"

Deutschland habe bei radikal neuen Technologien und deren Anwendung, wie vergangene EFI-Gutachten aufzeigten, noch deutliche Rückstände - wie z.B. bei Servicerobotik, künstlicher Intelligenz, E-Government und einigen anderen mehr. Ein erster Schritt zum Aufholen der Rückstände war 2019 die von der EFI empfohlene Gründung der "Agentur für Sprunginnovationen". Darüber hinaus seien jedoch noch vielfältige Anstrengungen nötig: "Deutschland muss nicht nur bestehende technologische Rückstände aufholen, sondern muss sie bei potenziellen Schlüsseltechnologien auch von Beginn an vermeiden", fordert Cantner. In Zukunft müssten die Entwicklung und die Diffusion von Schlüsseltechnologien gefördert werden, wozu transparente und nachvollziehbare Kriterien für die Identifikation von solchen Technologien noch zu definieren seien. Gleiches gelte für neue technologische Entwicklungen mit hohem Zukunftspotenzial, die frühzeitig durch "Weitblick-(Foresight)-Prozesse" zu identifizieren seien.

Prof. Irene Bertschek vom ZEW - Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim ergänzt diese Ausführungen mit Blick auf die bevorstehende "digitale Transformation" Deutschlands. Sie betont, dass "deren erfolgreiche Umsetzung ein wesentlicher Faktor für den künftigen Erhalt unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit ist. Von daher mahnen wir nachdrücklich an, die Digitalisierungsaktivitäten auf breiter Ebene verstärkt zu unterstützen und dafür geeignete Anreize zu setzen!" Es könne nicht sein, "dass Deutschland im Bereich E-Government im europäischen Vergleich erheblich und zunehmend zurückliegt". In diesem Kontext halte es die EFI für erforderlich, "über neue Governance-Strukturen in der Bundesregierung, etwa in Form eines Digitalisierungsministeriums, nachzudenken".

3. Priorität "Fachkräftebasis sichern"

Als rohstoffarmes Land ist Deutschland auf bestens ausgebildete Menschen angewiesen, um durch Entwicklung und Nutzung technologischer Potenziale Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand zu gewährleisten. Aufgrund der älter werdenden Bevölkerung wird jedoch der Druck, die Fachkräftebasis in Deutschland zu sichern, weiter zunehmen: Wachstum und Innovationen werden behindert. Zugleich müssen in der gesamten Breite der Bevölkerung neue Kenntnisse und Fähigkeiten entwickelt werden, damit F&I und digitaler Wandel erfolgreich vorankommen. Prof. Holger Bonin vom IZA in Bonn empfiehlt, "das vorhandene Förder-Instrumentarium der Weiterbildung um neue Maßnahmen zur Unterstützung ''präventiver Qualifizierungen'' zur Anpassung an Wandel zu ergänzen". Auch die vorhandenen Potenziale von Fachkräften im Inland sollten besser genutzt werden. Bonin: "Maßnahmen zur berufsbegleitenden Höherqualifizierung und zur nachholenden beruflichen Qualifizierung von schlecht in den Arbeitsmarkt integrierten Gruppen - insbesondere An- und Ungelernte sowie Menschen mit Migrationshintergrund - sind zu verstärken." Außerdem empfiehlt die EFI stärkere Anreize für eine vollzeitnahe Beschäftigung von Frauen und die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung älterer Menschen. Gleichzeitig müsse sich Deutschland im internationalen Wettbewerb um Fachkräfte besser positionieren. Die vom BMWi erarbeitete Strategie zur gezielten Gewinnung von Fachkräften aus Drittstaaten solle zügig vorangetrieben und insbesondere die KMU sollten durch Hilfen zur Rekrutierung im Ausland stärker unterstützt werden.

4. Priorität "Innovationsbeteiligung erhöhen"

In den letzten Jahrzehnten ist in Deutschland ein Rückgang der Produktivitätswachstumsraten zu beobachten. Mit Sorge nimmt die EFI wahr, dass "gleichzeitig der Anteil innovativer Unternehmen sowohl in der Industrie als auch im Dienstleistungssektor und somit die Innovationsbeteiligung sinkt". Zudem lasse sich ein Rückgang der Gründungsaktivitäten vor allem in der forschungsintensiven Industrie und in den wissensintensiven Dienstleistungen feststellen. Die Bedingungen für Innovationsaktivitäten auf breiter Ebene, insbesondere für KMU, schienen sich zu verschlechtern. Auf diese Frühwarnindikatoren müsse die F&I-Politik bald reagieren.

Besonders kritisch sei, dass der Transfer von Erkenntnissen und Wissen aus der Wissenschaft in Wirtschaft und Gesellschaft als wesentlicher Treiber von Innovation noch zu oft ungenutzt bleibe. "Hierfür sollten verstärkt Anreize für Forschende gesetzt und die notwendigen Kompetenzen aufgebaut werden!", fordert Prof. Carolin Häussler von der Universität Passau. "Auch die Rahmenbedingungen für diesen Transfer zeigen sich oft eher hemmend und international nicht wettbewerbsfähig." Die EFI ermuntert die Bundesregierung nachdrücklich, hier aktiv zu werden.

Auch die beträchtliche öffentliche Beschaffung könne Impulse für Innovationsaktivitäten und -beteiligung setzen - die EFI plädiert für eine gewisse "Priorität des innovativen Angebots". Zudem sieht sie noch Potenzial im Vorschlag einer "Zukunftsquote", die einen festen Anteil im Haushalt für Bildung, Forschung, neue Technologien, moderne Infrastruktur, Umwelt- und Klimaschutz sowie Entwicklungshilfe hat, und fordert die Bundesregierung auf, diesen Vorschlag entsprechend zu prüfen.

5. Priorität "Agilität der F&I-Politik steigern"

"Eine Forschungs- und Innovationspolitik, die die großen gesellschaftlichen Herausforderungen in den Blick nimmt, muss ein hohes Maß an Agilität aufweisen" so Prof. Katharina Hölzle vom Hasso-Plattner-Institut in Potsdam, "die Träger der deutschen F&I-Politik handeln jedoch auf verschiedenen Ebenen noch nicht hinreichend agil". Dabei sei agile Politik nicht nur durch eine schnelle und flexible Reaktion auf Veränderungen gekennzeichnet, sondern sie sei darüber hinaus proaktiv, binde relevante Akteure ein, überprüfe die von ihr eingeleiteten Maßnahmen kontinuierlich und passe sie gegebenenfalls an. So solle beispielsweise die Koordination zwischen den Ministerien verbessert werden, um widersprüchliche Politikimpulse zu verhindern und Synergien zu realisieren.

Die EFI empfiehlt abschließend, auf strategischer, struktureller und operativer Ebene staatlicher F&I-Politik geeignete "neue Formate zur Unterstützung und Verbesserung des Politiklernens, beispielsweise im Rahmen von Experimentierräumen" zu entwickeln, zu testen und zu implementieren.

Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) mit Sitz in Berlin leistet seit 2008 wissenschaftliche Politikberatung für die Bundesregierung und legt jährlich ein Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands vor. Wesentliche Aufgabe der EFI ist es dabei, die Stärken und Schwächen des deutschen Innovationssystems im internationalen und zeitlichen Vergleich zu analysieren und die Perspektiven des Forschungs- und Innovationsstandorts Deutschland zu bewerten. Auf dieser Basis entwickelt die EFI Vorschläge für die nationale Forschungs- und Innovationspolitik.

Pressekontakt:

Dr. Petra Meurer
Stv. Leiterin der Geschäftsstelle der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI)
T +49 (0) 30 322982-561
kontakt(at)e-fi.de
www.e-fi.de

Original-Content von: Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, übermittelt durch news aktuell


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Datum: 24.02.2021 - 15:00 Uhr
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