Thüringische Landeszeitung: Verlieren mit Anstand / Kommentar von Bernd Hilder zum Streit über die Modalitäten der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen
(ots) - In der Politik kann man kämpfen und mit Anstand
verlieren - oder sich mit Verfahrenstricks oder möglicherweise sogar
Verfassungsbruch an die Macht krallen. Das verursacht dann
dauerhaften Image-Schaden für eine Partei. Thüringens CDU ist gerade
dabei, sich nach diesem Muster zu blamieren und zu diskreditieren:
Wenn niemand in der Union dem unwürdigen Spiel beherzt ein Ende
bereitet, vielleicht sogar für sehr lange Zeit. Rot-Rot-Grün darf
dann mal danke sagen.
Mit seiner Auslegung der Verfassung, wonach in einer dritten Runde
der Ministerpräsidentenwahl Nein-Stimmen gewertet werden, geht der
junggewählte CDU-Parlamentspräsident Christian Carius ein hohes
politisches Risiko ein - auch persönlich. Landete die Wahl Bodo
Ramelows vorm Verfassungsgericht und Carius zöge den Kürzeren, wäre
er als Verfassungsbrecher keine Sekunde länger im Amt tragbar und
müsste zurücktreten. Braucht Ramelow keine drei Wahlgänge, bliebe an
Carius trotzdem der Geruch des schlechten Verlierers und Tricksers
haften. Und Christine Lieberknecht? Will sie den Thüringern wirklich
zumuten, unter rechtlich dubiosen Umständen am Amt zu kleben?
Entweder, sie tritt mit offenem Visier gegen Ramelow an oder sie
akzeptiert das Ergebnis eines dritten Wahlganges - so, wie es dem
Geist der thüringischen Verfassung entspricht. Das wäre dann Gewinnen
oder Verlieren mit Anstand.
Man kann die in der Verfassung verankerte Zählweise bei der
Ministerpräsidentenwahl nicht für stabilisierend und weise, sondern
für absurd halten. Man kann Rot-Rot-Grün aus gutem Grund als schlecht
für Thüringen betrachten. Aber wer die Verfassung per politischer
Daumenpeilung auslegt, schadet der Demokratie.
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Datum: 25.11.2014 - 07:05 Uhr
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