"Nachtüber Deutschland": "ZDFzeit"-Dokumentation über die Novemberpogrome 1938 aus der Perspektive von Zeitzeugen (FOTO)
(ots) -
Der Schauspieler Günter Lamprecht kann es bis heute nicht fassen,
was im November 1938 geschah. Als achtjähriger Junge und Sohn eines
strammen SA-Mannes in Berlin war er dabei, als das Geschäft eines
jüdischen Tabakhändlers geplündert wurde. Am Dienstag, 5. November
2013, 20.15 Uhr, erläutert und kommentiert Lamprecht die Ereignisse
in ungeschönter Offenheit in "ZDFzeit: Nacht über Deutschland -
Novemberpogrom 1938" von Peter Hartl und Gordian Maugg.
"Was damals im November 38 wirklich passiert ist, ist mir erst
viel, viel später klar geworden. Und geht mir bis heute nicht aus dem
Kopf. Gerade, weil ich manche Täter vielleicht selbst gekannt habe",
sagt Günter Lamprecht.
Kein Geschichtsdatum im 20. Jahrhundert markiert den Einbruch der
Barbarei in die deutsche Gesellschaft stärker als die Novemberpogrome
vor 75 Jahren: Auf Geheiß der NS-Führung wurden um den 9. November
1938 herum an die 400 Deutsche erschossen, erschlagen oder in den Tod
getrieben, nur weil sie als Juden gebrandmarkt waren. Unbescholtene
jüdische Mitmenschen, auch Frauen, Kinder, Greise, wurden gequält und
gedemütigt, 30 000 Männer in Konzentrationslager verfrachtet - oft
ohne Wiederkehr. Die staatlich angestifteten Täter verwüsteten 1400
jüdische Gotteshäuser und setzten sie in Brand, demolierten und
plünderten 7500 Geschäfte. Wie waren derartige Gewaltexzesse gegen
Mitbewohner, frühere Arbeitskollegen, Nachbarn in einem zivilisierten
Land möglich?
Die historische Dokumentation beschreibt die Ereignisse aus dem
Blickwinkel von Beteiligten und Beobachtern - auf Seiten von Opfern
und Tätern. Beklemmende, teils bisher unveröffentlichte
Archivaufnahmen vermitteln ein Bild von Gleichgültigkeit und
Zustimmung zu den beispiellosen Vorgängen. Spielszenen geben wieder,
was Menschen damals erleiden mussten und wie sie in den Sog der
Gewalt gerieten.
Neben Günter Lamprecht berichten der Schriftsteller und Journalist
Georg Stefan Troller, Sohn eines jüdischen Pelzhändlers in Wien, und
Rolf Abrahamsohn, Sohn eines jüdischen Textilhändlers in Marl, wie
sie die Novemberpogrome erlebten. Auch Rudolf van Nahl, der an jenem
Novembertag mit seinem Sankt-Martins-Lampion vor der lichterloh
brennenden Synagoge seines rheinischen Heimatortes Alpen stand,
bestätigt in der Rückschau: All das geschah mitten im Leben, im
ganzen Land, vor aller Augen. Allen, die ihn erlebten, hat sich der
deutsche Schicksalstag in die Erinnerung eingebrannt. Günter
Lamprecht hat sich bis heute seine Empörung bewahrt, wann immer
simple Parolen und uniformes Verhalten mitmenschliche Empfindungen
verdrängen.
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Datum: 30.10.2013 - 15:32 Uhr
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