Es sind beunruhigende Bilder, die uns aus Hongkong erreichen. Die
vibrierende Wirtschafts- und Finanzmetropole in Ostasien gleicht in diesen Tagen
einer Bürgerkriegslandschaft in einem Science-Fiction-Film. Schwarz vermummte 
und behelmte Aktivisten werfen vor Wolkenkratzer-Kulisse Molotowcocktail ...

18.11.2019

BERLINER MORGENPOST: Ruhe bewahren! / Leitartikel von Michael Backfisch angesichts der Ausschreitungen in Hongkong


Es sind beunruhigende Bilder, die uns aus Hongkong erreichen. Die
vibrierende Wirtschafts- und Finanzmetropole in Ostasien gleicht in diesen Tagen
einer Bürgerkriegslandschaft in einem Science-Fiction-Film. Schwarz vermummte
und behelmte Aktivisten werfen vor Wolkenkratzer-Kulisse Molotowcocktails und
Pflastersteine auf Sicherheitskräfte. Die Polizei geht mit äußerster Härte vor,
setzt Gummiknüppel, Tränengas und Wasserwerfer ein. Die Ereignisse rund um die
seit Monaten andauernden Proteste sind aus dem Ruder gelaufen. Schuld daran
tragen beide Seiten. Das Bild von den hehren Demokratie-Kämpfern, die der
repressiven und von Peking ferngesteuerten Hongkonger Staatsmacht die Stirn
bieten, trifft es nicht. Dieses SchwarzWeiß-Gemälde ist zu simpel. Natürlich hat
die Regierung in Hongkong Fehler gemacht. Das Auslieferungsgesetz, für das sich
Gouverneurin Carrie Lam ab April starkgemacht hatte, war politisch höchst
ungeschickt. Mit dem Gesetz sollten mutmaßliche Straftäter an Festland-China
überstellt werden können. Hunderttausende Demonstranten gingen auf die Straße.
Sie befürchteten, dass sich Peking immer mehr Einfluss in Hongkong verschafft.
Der ehemaligen britischen Kronkolonie war 1997 für 50 Jahre ein Sonderstatus
nach dem Motto "Ein Land - zwei Systeme" garantiert worden. Hongkong sollte in
dieser Zeit als Sonderverwaltungszone Chinas Marktwirtschaft, Presse- und
Versammlungsfreiheit sowie die freie Wahl eines Teils der Parlamentsabgeordneten
behalten. Regierungschefin Carrie Lam ist anzukreiden, dass sie die politische
Brisanz des Auslieferungsgesetzes nicht erkannt hat. Sie zog die Vorlage erst
vor Kurzem - viel zu spät - aus dem Verkehr. Hätte sie das Gesetz erheblich
früher gekippt, wären die Unruhen möglicherweise nicht eskaliert. Stattdessen
ließ Carrie Lam ein Massenaufgebot an Polizei aufmarschieren. Damit goss sie Öl


ins Feuer. Parallel dazu radikalisierten sich die Aktivisten. Längst geht es
nicht mehr nur um das Auslieferungsgesetz. Die Protestler wollen nun den
Rücktritt der Regierungschefin, eine Untersuchung der Einsätze der Ordnungshüter
und komplett freie Wahlen. Einige fordern sogar die Unabhängigkeit Hongkongs.
Die chinesische Führung hat die Spirale der Gewalt unterschätzt. Sie baute
darauf, dass die örtlichen Kräfte die Auseinandersetzungen in den Griff kriegen.
Die gezielte Verlegung von chinesischem Militär an die Grenze zu Hongkong sollte
die Drohkulisse erhöhen. Eine Fehlkalkulation. Peking zögerte bislang mit einer
Intervention. Die aufstrebende Supermacht steckt in einem Dilemma. Einerseits
will sie einen Dauer-Unruheherd in Hongkong nicht dulden. Andererseits fürchtet
sie, dass das glitzernde Geschäftszentrum bei einer Militäraktion einen
gewaltigen Imageschaden nehmen könnte. Viele internationale Unternehmen und
Banken, die von Hongkong aus den chinesischen Markt bearbeiten, könnten
abwandern. Vor diesem Hintergrund heißt es nun: Ruhe bewahren!
Wirtschaftssanktionen gegen Peking sind kein Automatismus, müssen aber eine
Option bleiben. China sollte sich um Mäßigung bemühen und langfristig über
Zugeständnisse nachdenken. Vielleicht wäre es ja eine Option, den Sonderstatus
Hongkongs über das Jahr 2047 hinaus zu verlängern. Die Aktivisten hingegen
sollten sich auf realistische Ziele besinnen. Eines ist sicher: Demokratie lässt
sich nicht mit Molotowcocktails erzwingen. Friedliche Demonstrationen, Gespräche
und Verhandlungen sind der Weg.



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