DER STANDARD-Kommentar: "Die gefährliche Unlust zu strafen" von Eric Frey
(ots) - Barack Obama steuert bei seinen Syrien-Plänen auf ein
Fiasko zu: International fast ohne Unterstützung, muss der
US-Präsident auch zu Hause um die Mehrheit im Repräsentantenhaus
bangen, von dessen Zustimmung er den Militäreinsatz
unvorsichtigerweise abhängig gemacht hat. Wenn der Kongress nicht
zustimmt, was derzeit absolut möglich erscheint, dann hat Obama viel
von seiner Glaubwürdigkeit verspielt. Gerade diese Aussicht verleitet
so manchen Republikaner, gegen seine kämpferische Gesinnung dem
Präsidenten hier eine Niederlage zuzufügen. Schuld an dieser
misslichen Lage sind nicht nur Obamas ungeschickte Diplomatie und
seine eigene Zögerlichkeit. Der Teufel liegt in der Natur der
Mission, die das Weiße Haus hier plant: eine Strafaktion, die vor
allem der Durchsetzung internationaler Normen, nämlich der Ächtung
chemischer Waffen, dient. Strafen sind grundsätzlich notwendig, um
eine Ordnung aufrechtzuerhalten. Innerhalb eines Staates geschieht
dies durch Polizei und Justiz, international wird manchmal auch
militärische Gewalt benötigt. Wenn Bashar al-Assad weiß, dass er
seine Bürger vergasen kann, ohne dafür zu büßen, dann hätte das nicht
nur für den Konflikt in Syrien schlimme Konsequenzen. Es wäre auch
eine Botschaft an andere Diktatoren, die Völkermord begehen oder nach
Atomwaffen streben. Doch die Verhängung und Durchsetzung solcher
Strafen haben immer einen Preis, nicht nur für den Bestraften,
sondern auch für den Strafenden. Auch spieltheoretische Experimente
haben gezeigt, wie gerne man das Strafen anderen überlässt. Selbst
unter Eltern ist das ein häufiges Muster. In der internationalen
Politik ist es besonders leicht, sich vor der Sanktionierung von
Aggressoren und Menschenrechtsverletzern zu drücken - und dann sogar
einen Vorteil daraus zu ziehen, wenn andere handeln. Deshalb
funktionieren Wirtschaftssanktionen meist so schlecht: Der Anreiz,
diese zu untergraben und etwa an das boykottierte Land dennoch Waren
zu liefern, ist einfach zu hoch. Es braucht meist starke
Hegemonialmächte, ein solches Trittbrettfahrertum zu überwinden;
Kollektive wie der UN-Sicherheitsrat scheitern allzu leicht an dieser
Aufgabe. Jahrelang haben die USA die Rolle des Weltpolizisten
erfüllt, verbunden oft allerdings mit fragwürdigen Motiven und
miserabler Vorbereitung. Spätestens seit den Mehrfachkriegen der
Bush-Ära aber ist den Amerikanern die Lust, den Rest der Welt auf
eigene Kosten zu disziplinieren, gehörig vergangen. Die starken
Zweifel im Kongress spiegelt die Stimmung der Bevölkerung wider. Und
in Europa ist es derzeit nur Frankreich, das diese Art der
geopolitischen Verantwortung übernehmen will. Auch in der EU
schwächelt die Bereitschaft, Verstöße gegen demokratische Werte allzu
streng zu ahnden. Das Scheitern der unüberlegten "Sanktionen"gegen
Schwarz-Blau im Jahr 2000 wirkt bis heute nach, etwa bei Ungarn. Das
birgt Gefahren, denn tatsächlich wächst bei manchen neuen Mitgliedern
wie etwa Kroatien das Gefühl, EU-Normen seien nur Empfehlungen. Der
weitere Verlauf des Konflikts hat deshalb massive Auswirkungen auf
die kommenden Jahre. Wenn niemand mehr bereit ist, einzugreifen, um
internationale Normen zu verteidigen, dann droht eine neue
Weltunordnung, die viel mehr Menschenleben kosten kann als der Krieg
in Syrien.
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Datum: 06.09.2013 - 18:55 Uhr
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"Ein Scheitern der Aktion gegen Assad hätte massive Folgen für den Rest der Welt"; Ausgabe vom 7.9.2
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