"DER STANDARD"-Kommentar: "Sinnlose Jagd auf Snowden" von Eric Frey
(ots) - Barack Obama hat das Abhörprogramm der National
Security Agency nicht erfunden - er hat es von seinen Vorgängern
geerbt und weitergeführt. Wie es aussieht, können sich die Amerikaner
trotz weit-verbreiteter Bedenken mit dieser Art von elektronischer
Überwachung abfinden; Edward Snowdens Enthüllungen scheinen, wie von
Anfang an befürchtet, an den amerikanischen Praktiken nicht wirklich
viel zu ändern. Und auch bei den europäischen Verbündeten scheint
sich die Aufregung allmählich zu legen. Wie es sich immer mehr zeigt,
haben fast alle Geheimdienste mit der NSA kooperiert - wenn sie nicht
gar selbst das Gleiche tun. Die Debatte über das richtige
Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Privatsphäre wird weitergehen,
aber zu der hat ja Obama selbst öffentlich aufgefordert.
Der US-Präsident hätte diese peinliche Geschichte daher bereits
überstanden, gäbe es nicht Edward Snowden, dessen Flucht und
ungewisses Schicksal Staatskanzleien und Medien in aller Welt seit
Wochen in Atem hält. Von Hongkong über Moskau bis Quito, von Caracas
bis zum Flughafen Wien - die Jagd auf Snowden ist zum Politdrama des
Jahres geworden.
Der schüchterne IT-Experte hat diesen Rummel um seine Person wohl
nicht gesucht; letztlich lenkt er von seinen eigentlichen politischen
Anliegen ab. Es ist die Entschlossenheit der US-Regierung, den
Whistleblower zu fassen und vor Gericht zu stellen, die es
verhindert, das Snowden von der Bildfläche und aus den Schlagzeilen
verschwindet.
Für dieses Vorgehen gibt es gute Gründe. Snowden hat schließlich
US-Gesetze gebrochen und würde auch in anderen Ländern für seine
Taten vor Gericht gestellt werden. Auslieferungsansuchen und
internationale Haftbefehle, die erfüllt werden oder nicht: Das wäre
normale Rechtspraxis.
Aber Obama hat die Jagd auf Snowden zur Chefsache gemacht. Er
bedrängt die Großmächte China und Russland und übt massiven Druck auf
befreundete und wirtschaftlich abhängige Staaten aus. Die erzwungene
Landung des Fliegers von Boliviens Staatschef Evo Morales in Wien war
der Höhepunkt dieser skurrilen Einschüchterungspolitik.
Mehr als durch die Schnüffelei der NSA bekräftigt der
Friedensnobelpreisträger Obama, der die Beziehungen zur Welt erneuern
wollte, das alte Bild der arroganten, imperialen Supermacht. Er gibt
Tyrannen wie Wladimir Putin die Chance, die USA als
Menschenrechtsverletzer anzupatzen - und Obama dabei auch dessen
Machtlosigkeit vor Augen zu führen.
Offenbar lässt sich Obama von den Scharfmachern in Washington -
Demokraten ebenso wie Republikanern - treiben, die Snowden als
Staatsfeind am liebsten in der Todeszelle sehen würden. Aber Snowden
ist kein Landesverräter, der wertvolle Geheimnisse feindlichen
Mächten zuspielt, sondern ein klassischer Whistleblower, der zwar der
NSA schadet, aber seinem Land nützt, indem er umstrittene Praktiken
offenlegt.
Idealerweise würde er sich selber stellen, um seine Sache vor
einem ordentlichen Zivilgericht vorzubringen - und auf die Kraft der
Argumente setzen. Aber statt eines milden Urteils oder gar einer
Amnestie durch das Weiße Haus, wie es manche bereits fordern, droht
ihm lebenslange Haft.
Wie in einem absurden Theaterstück stecken Obama und Snowden daher
in einer end- und sinnlosen Jagd, in der beide nur verlieren können.
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Datum: 14.07.2013 - 18:18 Uhr
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Mit der hartnäckigen Verfolgung des Whistleblowers schadet Obama auch sich selbst (Ausgabe ET 15.07.
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