DER STANDARD-Kommentar "Ausgespähte Freunde" von Alexandra Föderl-Schmid
(ots) - Es ist nicht überraschend, dass ein Geheimdienst
Wanzen anbringt, andere ausspioniert und ausspäht. Das gehört zu
seinem Aufgabenbereich. Erstaunlich ist aber das Ausmaß der
Überwachung durch die US-Geheim- und die britischen Abhördienste. Es
zeugt von einem beträchtlichen Maß an Misstrauen, wenn der
US-Geheimdienst die Daten von rund einer halben Milliarde
Kommunikationsverbindungen aus Deutschland speichert. Auch Millionen
deutscher Mails werden auf dem Weg von und nach Übersee von den
Briten abgefangen. Wer Freunde und Verbündete derart überwacht, hat
kein Vertrauen zu ihnen. Dass die Europäer von Vertrauensbruch
sprechen, ist noch eine milde Form der Kritik. Es ist vielmehr ein
Rechtsbruch. Die massenhafte Speicherung genau dieser Informationen
ohne vorherigen Verdacht, die sogenannte Vorratsdatenspeicherung,
hatte das deutsche Bundesverfassungsgericht 2010 verboten. Zur
Begründung gab das Gericht an, dass das Gesetz zur anlasslosen
Speicherung keine konkreten Maßnahmen zur Datensicherheit vorsieht
und zudem die Hürden für staatliche Zugriffe auf die Daten zu niedrig
sind. Die jüngsten Enthüllungen aus den USA und Großbritannien
bestätigen genau das. Die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung - die
Speicherung von Verbindungsdaten, nicht der Inhalte - erfolgte in
vielen EU-Ländern nach heftigen Debatten, in Österreich erst im April
2012. Vermutlich kommende Woche will der Europäische Gerichtshof auf
Antrag der Höchstgerichte in Österreich und Irland darüber
verhandeln. Für aktuelle Anlässe ist nun gesorgt. Es geht um die
Achtung der Grundrechte der Europäischen Union. In Artikel 7 heißt
es: "Jede Person hat das Recht auf die Achtung ihrer Kommunikation."
In Artikel 8: "Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie
betreffenden personenbezogenen Daten." In vielen Ländern gibt es ein
Brief- und Fernmeldegeheimnis, das auch im Internetzeitalter gilt.
Diese Rechte anerkennen die Amerikaner nicht und gestehen Datenschutz
nur ihren eigenen Staatsbürgern zu. Das ist eine skandalöse
Rechtsauffassung. Dass aber just enge Verbündete in Europa derart
stark im Visier der Amerikaner und Briten stehen, ist überraschend.
Die ausweichende Reaktion von US-Außenminister John Kerry, es sei
"nicht unüblich", dass Staaten Informationen über andere Länder
sammeln, und während einer Auslandsreise könne er sich nicht näher
äußern, zeigt den Erklärungsnotstand. Nicht nur in Berlin werden
Erinnerungen an die Spionage während des Kalten Kriegs wach. In
Berlin sind viele besonders verärgert, weil Präsident Barack Obama
vor eineinhalb Wochen vor dem Brandenburger Tor betont hat, wie schön
es sei, "unter Freunden" zu sein. In Berlin habe die Offenheit und
Toleranz gewonnen, die Freiheit gesiegt. Wenn es um den
Antiterrorkampf geht, dann sind Amerikaner und Briten bereit, ihre
Freiheit zu opfern. Die Aufregung über die Lausch- und Spähangriffe
halten sich in den USA und Großbritannien in Grenzen, weil ihre
Bürger es gewöhnt sind, überwacht zu werden - in Großbritannien gibt
es vier Millionen Kameras im öffentlichen Raum. Es ist ein
Grundsatzkonflikt: Die Kontinentaleuropäer wollen es sich nicht
gefallen lassen, unter Generalverdacht zu stehen und wie potenzielle
Terroristen behandelt zu werden.
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Datum: 01.07.2013 - 20:00 Uhr
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