DER STANDARD-Kommentar: "Ein Präsident scheut den Nahkampf" von Christoph Prantner
(ots) - Es ist eine Art politisches Nasenbluten, das nicht
und nicht aufhören will: Barack Obama hat in den vergangenen Tagen
versucht, den Kopf in den Nacken zu legen und sich ruhig zu
verhalten. Dem amerikanischen Präsidenten bekam das allerdings wenig
bis gar nicht. Mittwochnacht dann legte er Hand an und stopfte sich
quasi Papiertaschentücher in die Nase: Er schmiss den Chef der
US-Steuerbehörde hinaus und legte eine 100-seitige Dokumentation über
die tödliche Attacke auf das US-Konsulat in Bengasi vor. Niemand
sollte mehr sagen können, dass der Präsident blutleer und passiv
wirke. Obama durchlebt derzeit die bisher schwierigste Phase seiner
zweiten Amtszeit. Skandale, die - mit Ausnahme des Vorfalles in
Bengasi - vorerst nicht direkt mit dem Weißen Haus in Verbindung
gebracht werden können, verhageln ihm seine politische Planung. Statt
seine eigene Agenda vor-anbringen zu können, muss er einen
Abwehrkampf führen gegen Republikaner, die nach der enttäuschenden
Präsidentenwahl im November wieder Tritt gefasst und ihren
politischen Hetztrieb zurückerlangt haben. Es geht um schwere
Anschuldigungen und Verschwörungstheorien statt um konkrete Arbeit an
einer Einwanderungsreform, dem Freihandelsabkommen mit der
Europäischen Union oder der Beilegung der Syrien-Krise. Die
politische Bedrohung für den Präsidenten besteht dabei aber vorerst
nicht darin, dass ihm die Vorwürfe seiner Gegner inhaltlich
substanziellen Schaden zufügen könnten. Die Gefahr ist, dass
wertvolle Zeit verlorengeht und er sich in den wichtigsten Monaten
seiner zweiten Amtszeit verzetteln könnte. Will er in Washington noch
etwas bewegen, dann muss er es bis zu den Midterm-Wahlen Ende 2014
tun. Denn danach wird ihm der Kongress keinen großen Sieg mehr
gönnen. Von solchen großen Siegen allerdings, ja selbst von
irgendwelchen Planungen dafür, ist das Weiße Haus dieser Tage weit
entfernt. Hatte Obama im November mit seiner klaren Wiederwahl noch
ein überwältigendes Mandat gewonnen, schaffte er es bisher nicht,
dieses politische Kapital auch in die Waagschale zu werfen.
Stattdessen muss er dementieren, dass er bereits seine sieben
Zwetschken gepackt habe und beinahe drei Jahre vor dem Auslaufen
seiner Amtszeit auf dem Absprung aus Washington sei. Allein, dass
solche Fragen aufkommen, lässt ernste Zweifel an der Entschlossenheit
des Präsidenten zu. Dabei tritt auch eine Eigenschaft Obamas hervor,
die seine Strategieteams in Wahlkämpfen mit flockigen Auftritten
immer gut überdeckt haben: Der Präsident ist kein Kämpfer, der sich
wie etwa seinerzeit Lyndon B. Johnson mit Freude ins politische
Schlammloch wirft. Der geschmeidige, professorale Intellektuelle ist
einer, der lieber am Joystick sitzt und seine Operationen - sein
Drohnenkrieg ist der beste Beleg dafür - aus der Entfernung steuert.
Der politische Nahkampf liegt ihm nicht, weil er - apropos triefende
Nase - kein Blut sehen kann. Dieser Infight mit den Republikanern und
zum Teil auch mit seiner eigenen Partei wird sich allerdings nicht
vermeiden lassen, will Obama in seinen verbleibenden Jahren
erfolgreich sein und so etwas wie ein politisches Erbe hinterlassen.
Lässt er sich, so wie zum Beispiel bei der gescheiterten Novelle zum
Waffenrecht, weiterhin nicht darauf ein, dann wird seine zweite
Amtszeit das, was in Washington als geflügeltes Wort gilt: ein
Friedhof für Präsidentschaften.
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Datum: 16.05.2013 - 18:32 Uhr
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"Will Obama aus seiner zweiten Amtszeit einen Erfolg machen, muss er sich beeilen"; Ausgabe vom 17.0
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