DER STANDARD-Kommentar "Der Absturz der blauen Altpartei" von Gerald John
(ots) - Beim Abrechnen mit politischen Versagern sind die
Freiheitlichen unerbittlich. Kaum eine Woche vergeht, in der blaue
Politiker nicht den Kopf irgendeines Kollegen fordern - sofern dieser
in einer anderen Partei sitzt. In den eigenen Reihen hingegen gilt
Renitenz vor Rücktritt. Da führt eine Partie ein Land an den Rand der
Pleite, watet hüfttief durch den Korruptionssumpf, vertreibt mehr als
die Hälfte der Wähler - und klammert sich dennoch ungeniert an die in
Beschlag genommenen Posten.
Besonders penetrant, aber letztlich erfolgreich hat dies Gerhard
Dörfler vorexerziert. Wochenlang weigerte sich der gestürzte
Landeshauptmann, seinen Sitz im Kärntner Landtag zu räumen, mit dem
Risiko einer Parteispaltung. Nun, da die FPÖ-Spitze eingelenkt hat,
stilisiert sich Dörfler scheinheilig zum Brückenbauer, der "einen Weg
aus der Sackgasse" ermöglicht habe. Der Überlebenskünstler darf in
jenen Bundesrat wechseln, den er vor kurzem noch ersatzlos zusperren
wollte. So etwas hätte der von Dörfler bis zum bitteren Ende
verteidigte Jörg Haider zu Lebzeiten wohl als Versorgungsjob für
einen abgehalfterten Politgünstling gegeißelt.
Sesselkleberei, Postenschacher, Filz: Nach dem Kärntner Debakel geben
die Freiheitlichen genau jenes Bild einer "Altpartei" ab, das sie
stets der großen Koalition in grellen Farben vorgehalten haben. Sind
die Rechten also am Ende, wie Profil am Cover fragte? Diese Hoffnung
der FP-Gegner könnte sich als ebenso trügerisch entpuppen wie nach
Haiders Selbstzerstörungsversuch vor zehn Jahren. In Kärnten haben
die Blauen zwar verbrannte Erde hinterlassen, doch in der
Tiefenschicht bleibt der Nährboden für Rechtspopulismus fruchtbar.
Die Krise befeuert die Arbeitslosigkeit, das Ausländerthema taugt als
Atout - und ewig regiert Rot-Schwarz, das sich als Synonym für
Stillstand in Wählerhirne gefräst hat.
Daran werden auch die Grünen kaum etwas ändern, wenn sie - wie nun in
Kärnten - in der Bundesregierung ebenfalls den Mehrheitsbeschaffer
geben. Im Post-Haider-Land hat die "Kenia"-Koalition Perspektive,
weil sie der Charme von Neuanfang und Kulturbruch umwölkt; auf
Bundesebene würden die Grünen zu einem argwöhnischen Paar stoßen, das
sich in der Tiefe des Herzens satt hat und ideologisch in
entgegengesetzte Richtungen will. Verschiebt sich das Gewicht nach
links, ist eine allergische Reaktion der ÖVP absehbar.
Proteststimmen werden also weiter Konjunktur haben - und, wie zu
befürchten ist, für koalitionäre Mehrheiten verloren bleiben. SPÖ und
ÖVP sind nicht zuletzt deshalb auf Gedeih und Verderb aneinander
gekettet, weil sich das rechte Lager mit einer Melange aus
Unfähigkeit, Rechtsextremismus und Korruptionsanfälligkeit als
regierungsuntauglich erwiesen hat. Doch selbst wenn die FPÖ nun im
Kärntner Sog einbrechen sollte, zeichnen sich keine erbaulichen
Alterna_tiven ab. Der potenzielle Hauptnutznießer Frank Stronach hat
mit wirren Auftritten und autoritärer Attitüde bislang ebenso wenig
staatsmännische Eignung bewiesen wie seine ihm devot ergebenen
Gefolgsleute. Was die Truppe - abgesehen vom Eigennutz - antreibt,
bleibt im Dunkeln. Der Parteipotentat himself hat dazu noch keine
drei zusammenhängenden Sätze über die Lippen gebracht.
Ob Strache oder Stronach, könnte für die Machtverhältnisse letztlich
einerlei sein: Regierbarer wird die Republik wohl nicht.
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Datum: 26.03.2013 - 19:02 Uhr
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