"DER STANDARD"-Kommentar: "Zypern, ein strategischer Hotspot"
von Thomas Mayer
(ots) - Es ist reiner Zufall, dass José Manuel Barroso
ausgerechnet auf dem Höhepunkt der Zypernkrise bei Dmitri Medwedew in
Moskau antanzt. Das Treffen des Kommissionschefs mit dem russischen
Premier war - wie viele zuvor - seit langem geplant. Der Austausch
sollte der Pflege der wechselseitigen Beziehungen dienen, die nicht
sehr gut sind. Russland fühlt sich generell benachteiligt, bei
Energie, Verkehr, Handel (Stichwort: Visafreiheit) ganz besonders.
Diesmal jedoch ist das Treffen etwas ganz Besonderes. Auf der einen
Seite interessiert jetzt nur eine einzige Frage wirklich: Wie geht es
mit Zypern weiter, welche finanzielle Auffanglösung wird für das
bedrohte EU-Land am Ende gefunden. Geht es gar bankrott? Die Zeit
drängt.
Auf der anderen Seite ist nach der Ablehnung des Hilfskreditpakets
von Eurozone und IWF durch das Parlament in Nikosia unvermittelt klar
geworden, wie viel politischer Sprengstoff auf dieser schönen
"Sonneninsel" nach wie vor vergraben ist. Die Proteste gegen die
geplanten Abgaben auf Sparguthaben sind nur erste Anzeichen von
Aggressivität gegen "Außenfeinde". Nicht wenige Zyprioten sehen diese
nun eher in Europa und der Türkei, weniger in Russland.
Das müsste auch die wichtigste Warnung sein für die EU-Spitzen, in
Brüssel wie in den EU-Hauptstädten: Sie haben die gesellschaftlichen
Folgen völlig unterschätzt, wenn ein ganzes Mitgliedsland ins Wanken
gerät, die Menschen Angst bekommen. Griechenland, Spanien lassen
grüßen.
Man kann Auffanglösungen, so gut sie gemeint sind, nicht
Wirtschaftsexperten, Bankern und Finanzministern allein überlassen.
Die haben beim Erklären der Lage blamabel versagt.
Der russische Präsident Wladimir Putin wird die Gäste aus der Union
daher genüsslich spüren lassen, welche Genugtuung es für ihn war,
dass die zypriotische Regierung sich nach dem (vorläufigen) Scheitern
der Eurohilfen als Erstes direkt an ihn wandte. Die Russen hätten
sich eine frühere Einbindung ins EU-Krisenmanagement gewünscht.
Erstens, weil bei den Wackelbanken auf der Insel besonders viel
russisches Geld involviert ist. Zweitens, weil sie bereits einmal mit
einem Kredit von 2,5 Milliarden Euro ausgeholfen haben. Drittens ist
Zypern wegen seiner geografischen Lage für Russland ein strategisch
wichtiger Ort, knapp hundert Meilen von Syrien entfernt, nur etwas
weiter von der Türkei, Ägypten, dem Libanon und Israel. Immer wieder
taucht das Ansinnen auf, Moskau suche eine zweite Marinebasis neben
der bestehenden in Syrien.
Ein ebenso großes Interesse hat auch Natoland und EU-Beitrittswerber
Türkei, die den Nordteil der Insel besetzt hält, von den griechischen
Zyprioten getrennt durch UN-Soldaten. Ankara hat weniger den
Bankenplatz im Auge, umso mehr - wie Russland - die riesigen
Gasfelder, die Zypern in fünf Jahren erschließen und zur Geldschwemme
machen will.
Es liegen also neben der Banken- und Schuldenkrise in Zypern eine
Menge potenzieller Konflikte in der Luft. Als Zypern nach dem
EU-Beitritt 2004 im Aufschwung lebte, war es um die gescheiterten
Vereinigungspläne des Nord- und des Südteils der Insel ruhig
geworden. Das könnte sich an diesem strategischen Hotspot im
Mittelmeer rasch in ärgere Konflikte wandeln, sollte das Land unter
der Last seiner Schulden zusammenbrechen und die Bevölkerung ins
Elend stürzen. Da sind politische Fantasie und Führung gefragt.
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Datum: 20.03.2013 - 19:08 Uhr
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Das Schicksal des EU-Mitglieds auf Vermögensabgabe zu reduzieren greift zu kurz - Ausgabe vom 21.3.2
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