Mittelbayerische Zeitung: Wintermärchen in der Nische: Während viele Sommersportarten darben, demonstrieren Biathlon&Co., wie Vermarktung funktioniert. Von Heinz Gläser
(ots) - Medaillenrausch in Schladming, Katerstimmung in
Nove Mesto: Der deutsche Wintersport hat seine tollen Tage bis nach
Aschermittwoch ausgedehnt. Es könnte einem angesichts der medialen
Dauerberieselung ganz weiß vor Augen werden. Ausländische Besucher
witzeln ja gerne, Deutschland spiegele mit der Vielzahl von
Photovoltaikanlagen auf den Dächern vor, es sei in Wirklichkeit ein
Mittelmeeranrainer. Sportlich jedoch verortet sich die Bundesrepublik
- zumindest im Winter - in unmittelbarer Nähe des Nordkaps. Der Boom
der Leibesübungen auf Eis und Schnee dauert an. Es ist ein
Wintermärchen in einer goldenen Nische. Während sich die
bedauernswerten Leichtathleten bei ihren Großereignissen mit
Konkurrenten aus nahezu 200 Ländern herumschlagen müssen, kommen den
Biathleten, Langläufern und Rodlern solche Exoten kaum in die Quere.
Und nicht nur die Längen- und Breitengrade sind ein
Ausschlusskriterium. Das rasante Bobfahren etwa ist enorm
kostspielig. Hinzu kommt eine äußerst geschickte
Vermarktungsstrategie. Die Wettkämpfe wurden konsequent auf
Fernsehtauglichkeit getrimmt, die hierzulande so ungeheuer populären
Skijäger unterwarfen sich komplett diesem Diktat. Das Rennen um die
möglichst breite mediale Wahrnehmung gebiert bisweilen sportlich
extrem fragwürdige Formate, siehe den als Parallelslalom
ausgetragenen Teamwettbewerb bei der alpinen Ski-Weltmeisterschaft im
österreichischen Schladming. Mehr noch: Gemessen an ihren
eigentlichen Talenten, müsste eine Miriam Gössner nur noch als
Speziallangläuferin in die Loipe gehen. Und ihre glücklose Kollegin
Nadine Horchler wäre nach den Eindrücken der WM-Tage von Nove Mesto
als Schützin an einem Schießstand sportlich besser aufgehoben als auf
Skiern. Beide Disziplinen verheißen jenseits des Medaillenglanzes
jedoch wenig pekuniären Lohn. Der Deutsche Ski-Verband (DSV) geht
sogar einen anderen Weg, um seinen derzeit schwächelnden Goldesel
Biathlon wieder aufzupäppeln. In der Not sollen Langläuferinnen
umgeschult werden, der Zweck heiligt da allemal die Mittel. Kompakt,
übersichtlich und im besten Fall medaillenträchtig: So lautet die
winterliche Erfolgsformel, die massenhaft TV-Konsumenten und immer
mehr finanzkräftige Sponsoren anlockt. Die olympischen
Sommersportarten drohen in diesem Wettlauf hoffnungslos ins
Hintertreffen zu geraten. Das drohende Aus für die Ringer, wie es das
Internationale Olympische Komitee (IOC) in der vergangenen Woche
überraschend beschlossen hat, ist nur ein weiteres Menetekel. Die
Leichathleten, Kanuten oder Schützen haben es versäumt, ihre
Disziplinen auf mehr Fernsehtauglichkeit zu trimmen. Sie stehen
zunehmend im medialen Abseits - mit allen negativen Folgen für die
Vermarktung. Es fehlt eine konzertierte Aktion der Sommersportarten.
Die Appelle an die Öffentlich-Rechtlichen, ihrem Sendeauftrag auch in
den Monaten April bis September nachzukommen, sind bislang stets
verhallt. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) als Dachverband
sieht dem Abstieg ehemals stolzer Kernsportarten mehr oder weniger
tatenlos zu. Hält diese Entwicklung an, richtet sich der deutsche
Sport wahrscheinlich auf Dauer in seiner goldenen Nische ein. Und in
solchen Nischen kann es ja sehr behaglich und wohlig warm sein -
sogar im mitteleuropäischen Winter.
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Datum: 17.02.2013 - 21:24 Uhr
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