DER STANDARD-Kommentar: "Wir sind Dorfkaiser" von Fritz Neumann
(ots) - Wir sind wir, und wir sind auch wer. Nämlich -
manchmal - die Schnellsten und Besten der Welt. An der Ski-WM in
Schladming, sie wird am Montag eröffnet, wird sich der
österreichische Nationalstolz aufrichten wie selten zuvor. Die an
Reichweite führenden Medien des Landes fahren längst auf der
Patriotismusschiene, von der sie in den nächsten Wochen nicht mehr
abbiegen werden. Die Kronen Zeitung als Partner des Skiverbands (ÖSV)
und die Kleine Zeitung als Partner der Weltmeisterschaft werden sich
ein Duell auf Biegen und Brechen liefern, dagegen ist Marcel Hirscher
gegen Ted Ligety ein Spaziergang. Der ORF, obwohl konkurrenzlos, ist
hurra-patriotisch in dieselbe Richtung unterwegs, Endstation
Volksnähe. Im Ennstal werden die Folgen dieser WM viele Jahre lang zu
spüren sein. Die Schladminger, 4500 an der Zahl, hoffen auf steigende
Einnahmen durch höhere Nächtigungszahlen. Allerdings haben sie es
verabsäumt, bei ihrer Masse an Gästebetten, 4300 an der Zahl, auch
für Klasse zu sorgen. Die Stadt verfügt über wenige
Vier-Sterne-Hotels und kein einziges Fünf-Sterne-Haus. Das
Schladminger Minus, und das ist nur die offizielle Berechnung, wird
mit Jahresende 13,8 Millionen Euro betragen, der Verschuldungsgrad
ist binnen sieben Jahren von 7,85 auf 13,83 Prozent geklettert. Das
ebenfalls alles andere denn auf Rosen gebettete Land Steiermark soll
noch ein Darlehen von sechs Millionen Euro schultern. So gesehen
klingt es in steirischen Ohren recht g'fernzt, wenn ÖSV-Präsident
Peter Schröcksnadel erklärt, der Verband als Veranstalter trage das
volle WM-Risiko. Schröcksnadel gibt, je nach Bedarf, den
hemdsärmeligen Kumpel oder den beinharten Geschäftsmann. Sein Dorf
ist der Winter, da ist es fast logisch, dass der Dorfkaiser dem
Wiener Hirngespinst von Olympischen Sommerspielen nichts abgewinnen
kann. Schröcksnadel propagiert lieber Winterspiele in und um Wien,
liegt damit auch näher an der Realität. Die Größenordnung von
Sommerspielen würde österreichische Dimensionen sprengen. Wien, diese
schöne und lebenswerte Stadt, ist im sommerolympischen Maßstab ein
Dorf. Für beinharte Hemdsärmeligkeit respektive hemdsärmelige Härte
steht auch dessen Kaiser, Bürgermeister Michael Häupl. Seine
Partnerschaft mit der Kronen Zeitung ist halt weniger offiziell. Soll
sich Wien um die Austragung Olympischer Sommerspiele (2028) bemühen,
fragt er die Wiener, obwohl eine etwaige Bewerbung, sei es im Sommer
oder im Winter, keine Wiener Frage wäre, sondern eine bundesweite.
Kein Wunder jedenfalls, dass sich steirische Touristiker schon auf
Schröcksnadels Seite schlagen und von einer Bewerbung für
Winterspiele mit Zentrum Wien träumen. Da ließe sich sogar die
WM-Stadt Schladming einbauen, und vielleicht würden sich die nun
getätigten Investitionen dann wirklich rechnen, so lauten die
Überlegungen. Winterspiele kosten einen Bruchteil von Sommerspielen.
Doch was, wenn Wien im März dem Sommer eine Absage erteilt? Hat dann
auch der Winter auf ewig keine Chance? Oder gibt es die nächste,
sieben Millionen Euro teure Volksbefragung? Allein die Bewerbung, mit
der London 2005 den Zuschlag für die Spiele 2012 erhielt, kostete
mehr als 20 Millionen Euro, mittlerweile hätte man damit kein Leiberl
mehr. Es sind die Bürger, die das bezahlen. Und nicht die Kaiser.
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Datum: 01.02.2013 - 18:57 Uhr
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"Sommer oder Winter? Die Wiener Olympia-Frage hat viel mit der Ski-WM zu tun"; Ausgabe vom 02.02.201
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