"DER STANDARD"-Kommentar: "Nicht neoliberal, aber europäisch" von Eric Frey
(ots) - Neben den oft peinlich-populistischen Argumenten
gegen die geplante EU-Richtlinie für öffentliche Dienstleistungen -
Stichwort Wasserraub - tauchen in vielen Kommentaren Bedenken auf,
die viel ernster zu nehmen sind. Demnach sind die Pläne Teil einer
neoliberalen Gesamtstrategie, mit der die EU-Kommission
Privatisierungen, Marktliberalisierung und uneingeschränkten
Wettbewerb in ganz Europa vorantreiben will. Selbst wenn sie jetzt
niemanden zum Wasserverkauf zwingen wolle, so sei die Zurückdrängung
der öffentlichen Wirtschaft ihr langfristiges Ziel.
Der Glaube, die EU-Beamten seien die Speerspitze eines
neoliberalen Marktfetischismus, ist nicht nur in Österreich
weitverbreitet. In Großbritannien würde diese Beschreibung nur
Gelächter hervorrufen. Dort gilt Brüssel als Hochburg des
marktfeindlichen Interventionismus. Und auch auf dem Kontinent stehen
viele liberale Experten dem Binnenmarktkommissar Michel Barnier, der
die umstrittene Konzessionsrichtlinie betreibt, skeptisch gegenüber.
Sie befürchten, dass der Franzose instinktiv dem Staat mehr traut als
den Marktkräften.
Aber wie kommt es, dass sich die Kommission in den großen
wirtschaftspolitischen Debatten immer wieder auf der
wirtschaftsliberalen Seite wiederfindet? Drei Gründe liegen nahe:
Erstens ist die Kommission ein Spiegelbild der politischen
Einstellungen in den 27 Mitgliedsstaaten; und da ist Österreich etwas
marktskeptischer sowie regulierungs- und staatsgläubiger als der
Durchschnitt. Das führt zu Spannungen.
Zweitens sind EU-Beamte von Natur aus Technokraten. Sie vertrauen
auf ökonomische Theorien und wissenschaftliche Erkenntnisse; sie
haben wenig Verständnis für nationale Befindlichkeiten und
irrationale Ängste. Wenn ihre Labors keine Gesundheitsgefahren durch
Gentechnik nachweisen können, dann treten sie für die Zulassung ein,
selbst wenn sich manche Verbraucher fürchten. Auch an die
Wasserversorgung und andere Dienstleistungen gehen die EU-Planer
nüchtern heran und drängen auf Modelle, die effizient und sparsam
sind.
Drittens - und das ist das Wichtigste - ist die Förderung des
Wettbewerbs für die EU-Kommission nicht nur ein Ziel unter vielen,
sondern ihr zentrales Anliegen. Damit Europa zusammenwachsen kann,
müssen nationale Hürden überwunden, wirtschaftliche Schutzwälle
abgebaut und Freiräume geschaffen werden. Die Freiheit des Waren-,
Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehrs, die in den
EU-Verträgen verankert ist, ist nicht nur ein ökonomisches, sondern
noch viel mehr ein europapolitisches Projekt.
Kommission und Marktbefürworter ziehen daher meist am gleichen
Strang; ihre Gegner sind nationale Politiker, die vom Gemeinwohl
sprechen, aber vor allem lokale Sonderinteressen fördern. Zu diesem
Kampf gehört auch das Aufbrechen von Staatsmonopolen in Bereichen, in
denen es bessere und billigere Anbieter aus anderen EU-Staaten gibt.
Die Vorlagen der Kommission sind immer maßvoll und werden im
politischen Prozess noch verwässert. Aber wer jeden Wettbewerb als
neoliberalen Unfug sieht, wird alles ablehnen, was aus Brüssel kommt
- egal von welchem der Kommissare. Für sie alle ist ein von Zäunen
durchzogener Wirtschaftsraum mit Integration unvereinbar. Die
Alternative zu dieser Ideologie ist nicht ein anderes, sondern gar
kein gemeinsames Europa.
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Datum: 29.01.2013 - 19:11 Uhr
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Der Wettbewerb, den die EU-Kommission fordert, ist der Schlüssel zur Integration (ET 30.01.2013)
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