"DER STANDARD"-Kommentar: "Das politische LaborÖsterreichs"
von Walter Müller
(ots) - Vorerst gilt es - im Zusammenhang mit Kommunisten
eine vielleicht unpassende Empfehlung -, die Kirche im Dorf zu
lassen: Der Durchmarsch der KPÖ funktioniert nur im speziellen
politischen Biotop Graz. Hier ist die Geburtsstätte der Grünen, und
hier konnte der kommunistische Teddybär Ernest Kaltenegger als "Engel
der Mieter" eine Kommunismus-light-Variante erfolgreich unter die
Leute bringen. Die Grazer "Kummerln" sind bodenständige Pragmatiker,
sie wissen genau, was den Wählern in einer so bürgerlichen Stadt wie
Graz zuzumuten ist. Auch weil sie selbst in einem gewissen Sinne
konservativ sind. Sie sind eine durchaus bewahrende Kraft und wollen
an so ziemlich allem Hergekommenen festhalten: Kein Haus in der
Altstadt darf verrückt oder gar durch ein modernes ersetzt, kein
städtisches Unternehmen in schlankere Strukturen überführt werden. Es
gibt keine politischen Bocksprünge, die Politik ist berechenbar,
authentisch, ausschließlich an den Interessen der Wohlstandsverlierer
orientiert. Es war natürlich auch der Genosse Trend, der der Grazer
KPÖ einen Schub gegeben hat. Das Wahlergebnis in der steirischen
Landeshauptstadt ist auch als Auswirkung der miesen politischen
Stimmung im Land, dieser Gemengelage aus Frust und Angst vor der
Zukunft zu lesen. Siegfried Nagl, der sein Wahlziel, die Absolute zu
erreichen, epochal verfehlt hat, wird sich natürlich auch bei seiner
Bundespartei bedanken, deren Performance auch nicht gerade förderlich
war. Wie jene der Bundes-SPÖ für die Grazer Partei, die auf einen
historischen Tiefststand abgesackt ist. Natürlich haben auch
hausgemachte Fehler eine Rolle gespielt. Nagl, der nun einen Partner
zum Regieren braucht, kann nicht ernsthaft nach zehn Jahren als
Bürgermeister mit Phrasen wie "Anders denken" daherkommen. Auch
SPÖ-Chefin Martina Schröck kann nicht plötzlich eine "neue Politik"
einfordern, ohne dass irgendwer in der Stadt eine Ahnung hat, was
damit gemeint sein könnte. Beide Parteien litten aber auch
zweifelsohne unter der Last der Landespolitik, die das steirische
Wahlvolk gegenwärtig mit einer Reihe von Kürzungen und Einsparungen
schreckt. In einer Atmosphäre der Unzufriedenheit, der Verdrossenheit
aufgrund politischer Skandale und Korruptionen können natürlich
Persönlichkeiten wie Kahr, aber auch Frank Stronach, die so weit weg
sind vom politischen Mainstream, reüssieren. Weil in sie auch
Hoffnung gelegt wird. Ganz im Gegensatz zu etablierten Politikern. Es
wird ihnen auch eine gewisse Unabhängigkeit zugetraut. Elke Kahr
sagt: "Wir sind niemandem verpflichtet - keinen Versicherungen,
Banken, Lobbyisten." Das sagt sinngemäß auch der Milliardär Frank
Stronach, dessen Stiefvater ebenfalls Kommunist war. Stronach
argumentiert nur von der anderen Seite der Einkommensskala. Graz hat
einen beachtlichen Auftakt für das große Wahljahr 2013 hingelegt. Es
folgen Kärnten, Niederösterreich, Tirol und schließlich die
Nationalratswahl. Was sich aus der Grazer Wahl für diese Urnengänge
ableiten lässt: Die politische Szene wird bunter und die Aussichten
für SPÖ und ÖVP zunehmend finster. Graz galt schon jeher als
innenpolitisches Labor Österreichs. Gut möglich, dass Wählerinnen und
Wähler auch außerhalb der steirischen Landeshauptstadt nun auf den
Geschmack kommen, Bewegung in das politische System in Österreich zu
bringen.
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Datum: 25.11.2012 - 18:49 Uhr
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Die Graz Gemeinderatswahl bringt Bewegung in die politische Landschaft - Ausgabe vom 26.11.2012
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