DER STANDARD - Kommentar: "Ein Tipp für Rio 2016" von Fritz Neumann
(ots) - Irgendein Hotel, irgendwo in London. Ein Olympiagast
aus Österreich checkt ein, der Rezeptionist macht ihn auf eine Aktion
aufmerksam. Jeder Gast darf tippen, wie viele Olympiamedaillen sein
Heimatland gewinnen wird, und liegt er richtig, gewinnt er eine
Gratisübernachtung. Wirklich nur ganz kurz überlegt der Österreicher,
welcher Tipp die beste Chance haben könnte, dann malt er eine große
Null auf einen Zettel und gibt den Zettel ab.
Der Österreicher war vor drei Wochen natürlich im Vorteil gegenüber
Amerikanern, Chinesen, Deutschen, Ungarn oder Kasachen, deren
Medaillenanzahl selbst für Kundige kaum zu erraten war. Die
österreichische Nullnummer war alles andere denn Zufall. Es hat in
London schlicht keine Ausnahmen von den Regeln mehr gegeben.
Ausnahmen, wie sie zuletzt etwa Markus Rogan, Mirna und Dinko Jukic
oder Kate Allen hießen. Allesamt Einzelkämpfer. Oder nicht im
österreichischen Sportsystem groß geworden. Oder beides.
Die Regeln sind folgende. Österreichische Spitzensportler finden in
Österreich oft keine guten Trainingsbedingungen vor. Bleiben sie
dennoch in Österreich, fehlt im Training die Her_ausforderung, weil
sie national unangefochten sind. Österreichische Spitzensportler
haben selten Weltklassetrainer. Es gibt in weiten Teilen der
Gesellschaft kein Bewusstsein für Sport. Schon Schulkinder bewegen
sich zu wenig. Von wenigen Talenten werden wenige rechtzeitig erkannt
und gezielt unterstützt. Österreichische Spitzensportler haben nur
selten die Chance, sich mit dem Sport wirklich eine Lebensbasis zu
schaffen.
Die Liste stellt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Doch
eine Regel liegt allen anderen zugrunde. Österreichs Sportpolitiker
und Sportfunktionäre sind nicht in der Lage, vernünftig miteinander
umzugehen. Auf höchster Ebene herrscht Sandkistenniveau.
ÖOC-Präsident Karl Stoss nennt Sportminister Norbert Darabos einen
"Olympia-Touristen", Darabos das ÖOC eine "Beschickungsagentur". Bei
derartigem Tiefgang lässt sich kein Strang definieren, gemeinsames
Ziehen ist sowieso ganz weit weg.
Darabos will die Sportförderung gesetzlich neu verankert wissen, war
aber nicht in der Lage, den Vorschlag rechtzeitig mit Parteifreund
Peter Wittmann abzustimmen, dem Chef des Bun_des-Sportorganisation
(BSO). Wittmann beschwert sich, dass er keine Zeit zur Begutachtung
hatte. Darabos beschwert sich, dass Wittmann blockiert. Dafür bildet
er eine Achse mit ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel, der nun
plötzlich Talente im Sommersport sichten soll. Das begeistert (nur)
die Kronen Zeitung, sie ist Partner des Skiverbands.
Angesichts so vieler Streithansln hü_te man sich davor, sich auf eine
Seite zu schlagen. Auch ein Machtwort übergeordneter Instanzen würde
nichts bringen. Außerdem finden die rote und die schwarze
Parteispitze in Schulfragen ganz generell nicht zusammen. Das
Ergebnis eines Pisa-Tests für Leibesübungen will man sich freilich
nicht vorstellen.
Dass Darabos, Wittmann und Stoss die Sandkiste verlassen, ist eine
Utopie, selbst sie käme für die Spiele in vier Jahren viel zu spät.
Was der österreichische Olympiagast tippen wird, wenn ihn der
Rezeptionist in Rio de Janeiro 2016 auf eine Hotelaktion aufmerksam
macht, kann also schon jetzt beantwortet werden. Er wird eine große
Null auf einen Zettel malen.
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Datum: 12.08.2012 - 18:00 Uhr
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Österreichs Sportkarren ist derart verfahren, dass sich so bald nichts ändern wird. (Ausgabe vom 13.
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