"DER STANDARD"-Kommentar: "Orbán ist kein armes Opfer"
von Thomas Mayer
(ots) - Es gehört zum Wesen nationalpopulistischer Politiker,
auf legitime Kritik mit Gegenangriff und Pauschalverdächtigungen zu
reagieren. Die Antwort aus der ungarischen Regierung auf den von der
EU-Kommission angekündigten Entzug von Subventionen für den Fall,
dass die Haushaltslage in Budapest weiter vorsätzlich verschlechtert
wird, ist dafür ein Musterbeispiel.
Österreichische Fernsehzuschauer konnten in der ZiB_2 mitverfolgen,
wie das funktioniert: Dort trat Außenamtsstaatssekretär Gergely
Pröhle auf, um sein "Unverständnis" auszudrücken, wo Ungarn seit der
Machtübernahme durch Viktor Orbán sich doch so sehr zu den
europäischen Verpflichtungen bekenne, Werte besonders pflege.
Kritik aus dem "Ausland" solle man nicht so ernst nehmen, das schade
nur "der Entwicklung der gesunden Volksseele", hat Orbán erklärt.
Ganz in diesem Sinn griff Pröhle am Schluss in diese nationalistische
Trickkiste. Er stellte das aktuelle Vorgehen der Kommission (es
laufen auch drei Verfahren wegen Grundrechtsverletzungen) in
Zusammenhang mit den "Sanktionen" gegen die schwarz-blaue Regierung
Schüssel/Haider im Jahr 2000.
Gerade die Österreicher sollten sich noch erinnern können, referierte
der Staatssekretär, Österreich sei "für Dinge bestraft worden, die so
nicht richtig waren".
Dieser Direktvergleich zwischen Ö 2000 und U 2012 passt nicht. Er
sollte aber beim breiten Publikum den Eindruck erzeugen, Orbán sei
durch die Kritik an seiner autokratischen Politik und den
Demokratieverletzungen nur ein unschuldiges Opfer. Falsch.
Erstens handelte es sich bei den "diplomatischen Maßnahmen" der EU-14
gegen die FPÖ-Regierungsbeteiligung um eine Aktion der Regierungen.
Die Kommission unter Romano Prodi hielt sich aus dem Streit raus.
Und zweitens ging es damals eher um eine symbolische Geste ohne reale
Folgen - auch weil der geltende EU-Vertrag keine konkreten Maßnahmen
vorsah. Was Wolfgang Schüssel und Jörg Haider nicht daran hinderte,
dem Ganzen einen Spin zu geben: "Wir arme Opfer, dort die böse EU!"
Daran leidet die Europa-Einstellung vieler Österreicher noch immer.
Ungarn heute ist etwas ganz anderes. Die Union hat gelernt. Es gibt
im EU-Vertrag jetzt klar geregelte Verfahren, wenn eine Regierung
mutmaßlich gegen EU-Grundrechte verstößt. Aus diesem Grund laufen die
Prüfungen gegen die Truppe Orbáns (nicht gegen Ungarn!).
Daneben gibt es nun ein neues Verfahren, das mit den anderen nichts
zu tun hat. Es ergibt sich aus den jüngst verschärften
Haushaltsverfahren als Folge der schlechten Erfahrungen mit
Griechenland, von Regierungen, Parlamenten, Kommission beschlossen.
Sie besagen, dass jedes Land bestraft wird (Euromitglieder durch
Sanktionen, EU-Staaten ohne Euro mit Subventionsentzug), wenn es die
Defizite in nationalen Haushalten nicht wie vereinbart senkt. Ungarn
hat nun - anders als etwa Polen oder Belgien - sein strukturelles
Defizit auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung gebracht statt
Richtung 0,5 Prozent. Das Defizit 2011 wurde nur formal auf drei
Prozent gesenkt, weil private Pensionsfonds einmalig (im Ausmaß von
zehn Prozent des BIP!) vom Staat abkassiert wurden.
Das ist nicht nachhaltig, die Kommission will verhindern, dass Ungarn
wirtschaftlich entgleist, weil sonst die EU-Staaten einspringen
müssten. Orbán ist kein armes Opfer der Union. Er macht nur - wie
seine sozialistischen Vorgänger - schlechte Politik.
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Datum: 23.02.2012 - 18:47 Uhr
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So ist das jetzt: Wenn EU-Staaten üble Haushaltspolitik machen, gibt es Sanktionen - Ausgabe vom 24.
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