Und täglich grüßt der Infostress - Vom Suchen und Finden im Datenlabyrinth
Zwei Drittel der Berufstätigen sind nach einem Bericht des
Deutschlandfunks inzwischen außerhalb ihrer regulären
Arbeitszeiten für Kunden, Kollegen oder Vorgesetzte per Internet
oder Handy erreichbar. Ein Drittel der Erwerbstätigen ist sogar
jederzeit erreichbar, also auch am Abend oder am Wochenende.
Nur 32 Prozent der Berufstätigen sind in ihrer Freizeit nur in
Ausnahmefällen oder gar nicht per Internet oder Handy erreichbar.
„Das Thema hat inzwischen nicht nur die Arztpraxen, sondern auch
die Medien erreicht", so der DLF.
(IINews) - Berlin/Köln - Zwei Drittel der Berufstätigen sind nach einem
Bericht des Deutschlandfunks inzwischen außerhalb ihrer
regulären Arbeitszeiten für Kunden, Kollegen oder Vorgesetzte
per Internet oder Handy erreichbar. Ein Drittel der
Erwerbstätigen ist sogar jederzeit erreichbar, also auch am
Abend oder am Wochenende. Nur 32 Prozent der Berufstätigen
sind in ihrer Freizeit nur in Ausnahmefällen oder gar nicht per
Internet oder Handy erreichbar. „Das Thema hat inzwischen
nicht nur die Arztpraxen, sondern auch die Medien erreicht", so
der DLF.
Bei vielen Berufstätigen würde es auch am Feierabend und am
Wochenende piepen - ob sich eine SMS ankündigt, das Telefon
klingelt oder die E-Mail im Postfach ankommt -, ständige
Erreichbarkeit gilt heute häufig als normal. Christian Fron,
Geschäftsführer des Aastra-Tochterunternehmens DeTeWe
erinnert an ein Zitat des amerikanischen Zukunftsforschers
John Naisbitt. Er habe bereits vor 50 Jahren gesagt, es hänge
vom Menschen ab, ob er die Technologie beherrscht oder sich
von der Technologie beherrschen lässt. Wenn von einer
Informationsflut die Rede sei, liege einiges auch am
Nutzerverhalten. So werden täglich in Unternehmen rund 70
Milliarden E-Mails intern verschickt: „Jetzt muss man sich die
Frage stellen, ob so viel Informationen zielgerichtet sind oder ob
die eigentlichen Nutzer dieses Medium vielleicht nicht
überstrapazieren", erläutert Fron gegenüber dem DLF.
Der Traum vom Offline-Dasein
„Wir sind alle dauernd online, und das zerfasert unser Leben.
Und sehr viele klagen gelegentlich darüber. Aber nur kurz. Dann
schauen sie in ihr E-Mail-Postfach, damit sie nichts
versäumen", philosophiert er in den gut fünf Minuten Sendung
weiter und erklärt: "Aber der Traum vom Offline sein, vom guten
Buch, das man ungestört liest, ohne zwischendurch durch dies
und das abgelenkt zu sein, dieser Traum ist das Next Big Thing,
das kann man jetzt schon sagen", klagt Robert Misik vom
österreichischen "Standard" in seinem Videocast.
Er verweist auf das Buch von SZ-Redakteur Alex Rühle „Ohne
Netz: Mein halbes Jahr offline" und auf den Band „Ich bin dann
mal Offline. Ein Selbstversuch" von Christoph Koch. Beide
könne man schon ganz leicht bestellen. Im Internet! „Und am
amerikanischen Buchmarkt stapeln sich ohnehin schon die
Wälzer, in denen beschrieben wird, wie furchtbar das Internet
ist, wie es uns immer dümmer macht, wie es unser Gehirn in
Unordnung bringt, indem es unsere Synapsen zu einem wirren
Knäuel verstrickt. Und ich geb zu: Mich macht das Internet auch
nervös. Am meisten nervös macht es mich, wenn es nicht
funktioniert", führt Misik aus.
Informationelle Unzulänglichkeit des Menschen
Die Klage über den Überfluss an Informationen sei kein
Phänomen des Internetzeitalters und der mobilen Arbeitswelt,
so Peter B. Záboji, Chairman des Afters Sales-Spezialisten
Bitronic. Man müsse wie früher genau selektieren, welche
Informationen durchkommen dürfen und welche nicht. „Beim
traditionellen Briefverkehr waren es die Vorzimmer im
Unternehmen, die eine Auswahl vorgenommen haben. Heute
sind es elektronische Filter und virtuelle Assistenzsysteme. Man
sollte die Technik nur geschickt einsetzen und darf sich nicht
von ihr dominieren lassen".
Die Folgen der informationellen Unzulänglichkeit des Menschen
habe der Informatiker Professor Karl Steinbuch vor über 30
Jahren treffend beschrieben. Ein Wissenschaftler stehe
beispielsweise ständig vor dem Dilemma, ob er seine Zeit der
Forschung widmen soll oder der Suche nach Ergebnissen, die
andere schon gefunden haben. Versuche er, fremde
Publikationen erschöpfend auszuwerten, dann bleibe ihm kaum
Zeit zu eigener Forschung. Forsche der Wissenschaftler jedoch
ohne Beachtung fremder Ergebnisse, dann arbeitet er
möglicherweise an Erkenntnissen, die andere schon gefunden
haben. „Mit den Recherchemöglichkeiten, die das Internet heute
bietet, reduziert sich allerdings der Aufwand für das erste
Szenario erheblich", sagt Záboji. Wichtig sei es nach Ansicht
des ITK-Branchenexperten Fron, dass Informationen nur da
hinkommen, wo sie wirklich hin sollen „Ich habe jederzeit die
Möglichkeit, die Informationen komplett umzulenken, so dass
nur in dringenden Fällen Nachrichten an mich herangetragen
werden."
Grundsätzlich biete sich nicht für jedes Unternehmen immer
jede Technik an. „Ein Blackberry ist für einen Geschäftsführer
sinnvoll, der viel unterwegs ist. Ein Innendienstmitarbeiter
braucht ihn dagegen nicht. Videokonferenzen sind für
internationale Konzerne mit vielen Niederlassungen äußerst
praktisch. Man kann den Kollegen oder Geschäftspartnern
gegenübersitzen, ohne dass man einen Schritt aus dem Büro
gemacht hat. Reisen entfallen. Das spart Zeit und Geld. Man
muss bei all den Anschaffungen vor allen Dingen sein Gehirn
einschalten und prüfen, welche technischen Innovationen zur
eigenen Firma passen", so der Ratschlag von Záboji.
Neuronaler Kulturpessimismus
Unangemessen sei die fundamentale Technologiekritik, die
sich gegen das Internet wendet. Auf diesen Zug würden zwar
immer mehr Debattenkünstler wie Nicholas Carr oder Jaron
Lanier aufspringen. Besonders originell seien die Positionen
dieser Nörgler nicht. NZZ-Blogger Nico Luchsinger hat dazu ein
schönes Stück geschrieben. Er beschäftigt sich mit dem neuen
Buch von Nicholas Carr „The Shallows". Carr habe wie der FAZ-
Herausgeber Frank Schirrmacher das Gefühl, dass jemand
oder etwas sein Gehirn beeinflusse. Auch der Tech-Autor habe
als Hauptschuldigen das Internet ausgemacht. Es führe zur
Ablenkung und zum oberflächlichen Lernen.
„Dutzende Studien, die Carr zusammengetragen hat, sollen
beweisen, dass das Internet tatsächlich unsere Synapsen neu
verknüpft. So sei nämlich erwiesen, dass das Internet schnelles
kursorisches Lesen fördere; ständig werde unsere
Aufmerksamkeit von Links auf andere Inhalte abgelenkt; die
kontemplative Auseinandersetzung mit einem Text sei deshalb
eine aussterbende Kulturtechnik", so Luchsinger. „Der lineare,
literarische Verstand war für fünf Jahrhunderte das Zentrum von
Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft. Aber er könnte schon
bald der Vergangenheit angehören", meint Carr.
Entsprechend pessimistisch beurteilt er das Projekt von
Google, möglichst viele Bücher zu digitalisieren: Indem man die
Buchtexte nach Stichworten durchsuchbar mache, werde die
eigentliche Effizienz des Buches für eine tiefe Wissens- und
Meinungsbildung zerstört. Nicht nur bei solchen Aussagen
erkenne man bei Carr einen verstörend naiven und ideologisch
aufgeladenen Kulturpessimismus, kommentiert Luchsinger. An
einer Stelle etwa beklage Carr die Veränderung in den
Bibliotheken, die noch vor wenigen Jahren „Oasen der Ruhe"
waren, nun aber fast alle mit Internet-Zugang ausgerüstet sind:
„Das vorherrschende Geräusch in der modernen Bibliothek ist
nicht mehr das Blättern von Seiten, sondern das Klappern der
Tastaturen."
Dass Bibliotheken - schon immer - Orte des Wissenszugangs
waren und dass dazu im 21. Jahrhundert nun mal ein
internetfähiger Computer gehört, scheine Carr in seiner elitären
bibliophilen Verblendung nicht in den Sinn zu kommen. Nun ist
diese Position nicht nur elitär, sondern historisch gesehen
Unfug. Herder hatte ich ja schon erwähnt, der mit der Flut an
Buchneuerscheinungen nicht mehr fertig wurde, obwohl die
Lage im Vergleich zu heute noch überschaubar war. Der
Zuwachs einer deutschen Hochschulbibliothek bewegt sich
jährlich zwischen 30.000 bis 50.000 Bände, während der
Gesamtbestand einer Hochschulbibliothek Ende des 18.
Jahrhunderts bei rund 20.000 Büchern und Schriften lag. Zur
Mitte des 19. Jahrhunderts lag man bei 130.000 Büchern. Eine
Uni-Bibliothek abonniert heute mehr als 8.000 Periodika. Zu
Beginn des 19. Jahrhunderts gab es erst 100 wissenschaftliche
Zeitschriften. Die Library of Congress beziffert ihre Bestände auf
weiter über 130 Millionen Einheiten.
„In einer Kritik von ‚The Shallows‘ hat der Psychologe Steven
Pinker erklärt, Neurowissenschaftler würden bei den Aussagen
Carrs nur mit den Augen rollen. Denn natürlich beeinflusse die
Internet-Nutzung das Gehirn - genauso wie Fahrradfahren und
alle anderen menschlichen Tätigkeiten und Erfahrungen auch.
Und die Neurowissenschaftlerin Maryanne Wolf, die in ihrem
Buch ebenfalls vor den Gefahren des digitalen Lesens warnt,
gestand im Interview mit der ‚Süddeutschen Zeitung‘ ein, dass
es bis jetzt kaum harte Fakten zu den Auswirkungen des
Lesens an einem Bildschirm gibt. Das soll nicht heißen, dass
es keine Unterschiede zwischen dem Lesen eines Buches und
dem Lesen eines Blogposts gibt, und auch nicht, dass letzteres
keinen Einfluss auf unser Gehirn hat. Aber die Faktenlage lässt
Carrs einigermaßen apokalyptische Prophezeiungen völlig
übertrieben erscheinen", resümiert der NZZ-Blogger.
Themen in diesem Fachartikel:
infostress
datenflut
faz
nzz
bibliotheken
internet
gehirn
nicholas-carr
jaron-lanier
technologie
kommunikation
Unternehmensinformation / Kurzprofil:
Redaktion
NeueNachricht
Gunnar Sohn
Ettighoffer Straße 26a
53123 Bonn
Tel: 0228 – 622243
Mobil: 0177 – 620 44 74
E-Mail: gunnareriksohn(at)googlemail.com
URL: http://www.ne-na.de
http://twitter.com/gsohn
http://dienstleistungsoekonomie.ning.com/
http://gunnarsohn.wordpress.com/
http://www.facebook.com/gsohn
http://www.myspace.com/gsohn
https://www.xing.com/profile/Gunnar_Sohn
http://gunnar-sohn.myonid.de
http://www.youtube.com/user/gsohn
http://www.flickr.com/photos/gsohn/
Datum: 27.07.2010 - 15:26 Uhr
Sprache: Deutsch
News-ID 234147
Anzahl Zeichen: 0
Kontakt-Informationen:
Ansprechpartner:
Stadt:
Telefon:
Kategorie:
Telekommunikation
Anmerkungen:
Dieser Fachartikel wurde bisher 265 mal aufgerufen.
Der Fachartikel mit dem Titel:
"Und täglich grüßt der Infostress - Vom Suchen und Finden im Datenlabyrinth"
steht unter der journalistisch-redaktionellen Verantwortung von
Neue Nachicht (Nachricht senden)
Beachten Sie bitte die weiteren Informationen zum Haftungsauschluß (gemäß TMG - TeleMedianGesetz) und dem Datenschutz (gemäß der DSGVO).