Geringerer Kindesunterhalt bei erheblicher Mitbetreuung
OLG Braunschweig: Weniger Kindesunterhalt bei erheblicher Mitbetreuung. Neues Urteil stärkt die Rechte getrennter Elternteile. Jetzt mehr erfahren!

(IINews) - Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig markiert eine bedeutende Entwicklung im Familienrecht. Im Fokus steht die Frage, wie sich ein erheblicher Betreuungsanteil auf die Unterhaltspflicht auswirkt, wenn Eltern sich die Betreuung ihrer Kinder nach der Trennung aufteilen. Das OLG hat entschieden: Wer als getrennt lebender Elternteil einen nennenswerten Beitrag zur Betreuung leistet, darf beim Kindesunterhalt entlastet werden. Dieses Urteil könnte das Unterhaltsrecht grundlegend verändern. Es betrifft Tausende Paare in Deutschland, die sich nach der Trennung gemeinsam um die Kinder kümmern.
Das bisherige System bevorzugt den betreuenden Elternteil
Im deutschen Familienrecht wurde bislang bei der Berechnung des Kindesunterhalts fast ausschließlich das Einkommen des nicht betreuenden Elternteils berücksichtigt – es sei denn, die Kinder wurden exakt zur Hälfte von beiden Elternteilen betreut. In den meisten Fällen lebten die Kinder jedoch überwiegend bei einem Elternteil, in der Regel bei der Mutter. Der andere Elternteil, meist der Vater, hatte die Kinder an Wochenenden oder in den Ferien und zahlte den vollen Barunterhalt. Das Modell basierte auf der Annahme, dass der betreuende Elternteil seine Unterhaltspflicht bereits durch die Pflege und Erziehung erfüllt – auch wenn er oder sie keiner Erwerbstätigkeit nachging.
Der Fall vor dem OLG Braunschweig
Im nun entschiedenen Fall lebten drei minderjährige Kinder nach der Trennung der Eltern überwiegend bei der Mutter. Der Vater jedoch übernahm die Betreuung an fünf von 14 Tagen – konkret von Mittwoch nach Schulschluss bis Montagmorgen in jeder ungeraden Kalenderwoche sowie zur Hälfte der Schulferien. Trotz dieser erheblichen Mitbetreuung zahlte er den vollen Mindestunterhalt gemäß der Düsseldorfer Tabelle, abzüglich des hälftigen Kindergeldes.
Die Mutter klagte auf eine höhere Unterhaltszahlung und bekam zunächst vom Familiengericht Recht. Dieses entschied, der Vater müsse 115?% des Mindestunterhalts leisten, basierend auf Einkommensgruppe 4 der Düsseldorfer Tabelle. Doch der Vater ging in Beschwerde – mit Erfolg.
OLG-Entscheidung: Herabstufung wegen erheblicher Mitbetreuung
Das OLG Braunschweig stellte in seiner Entscheidung klar: Der Vater betreut die Kinder zu rund 35?% der Gesamtzeit– ein relevanter Anteil, der beim Unterhalt berücksichtigt werden muss. Der geschätzte Unterhaltsbedarf der Kinder werde durch diese Betreuung zu etwa 15?% gedeckt. Dies rechtfertige eine Herabgruppierung um drei Einkommensgruppen in der Düsseldorfer Tabelle. Der Vater müsse deshalbnur den Mindestunterhalt (100?%) leisten – nicht 115?%.
Damit korrigiert das Gericht das vorinstanzliche Urteil und setzt ein deutliches Zeichen für die Anerkennung von Mitbetreuung im Unterhaltsrecht.
Bedeutung für die Düsseldorfer Tabelle
Die Düsseldorfer Tabelle dient als bundesweit anerkannte Richtlinie zur Berechnung des Kindesunterhalts. Sie berücksichtigt das Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils sowie das Alter der Kinder. Die Tabelle geht grundsätzlich von zwei unterhaltspflichtigen Kindern aus. Gibt es mehr oderweniger Kinder, kann eine Zu- oder Abschlagseinstufung erfolgen.
Im vorliegenden Fall lebte der Vater mit der Tatsache, dass er drei Kinder unterhielt, also bereits an der Belastungsgrenze. Der Senat entschied, dass die Herabstufung um drei Gruppen gerechtfertigt sei– nicht nur wegen der Anzahl der Kinder, sondern vor allem wegen der signifikanten Mitbetreuung.
Neue Impulse für das Wechselmodell?
Bislang galt: Nur bei einer exakten 50:50-Aufteilung– dem sogenannten paritätischen Wechselmodell – wurde der Unterhaltsbedarf anteilig auf beide Eltern aufgeteilt. Bei jedem anderen Modell musste der barunterhaltspflichtige Elternteil allein zahlen. Dieses starre System wurde zunehmend als ungerecht empfunden, vor allem von engagiertenVätern, die zwar viel Zeit mit ihren Kindern verbrachten, aber trotzdem wie reine „Zahlväter“ behandelt wurden.
Das Urteil des OLG Braunschweig bringt nun Bewegung in diese Debatte. Es erkennt an, dass auch eine anteilige Mitbetreuung finanzielle Entlastungen zur Folge haben muss– ein Schritt hin zu mehr Fairness und partnerschaftlicher Verantwortung.
Auswirkungen auf künftige Fälle
Das Urteil stärkt getrennt lebende Elternteile, die sich aktiv in die Betreuung einbringen. Es könnte viele Väter ermutigen, mehr Verantwortung zu übernehmen, ohne gleichzeitig unverhältnismäßig hohe finanzielle Belastungen tragen zu müssen.
Allerdings stellt das Gericht auch klar: Eine gewisse Schwelle mussüberschritten werden. Gelegentliche Wochenendbesuche reichen nicht. Erst ab einem Betreuungsanteil von etwa einem Drittel sei eine signifikante Entlastung möglich.
Für Familiengerichte bedeutet das Urteil, dass sie künftig genauer prüfen müssen, wie die Betreuung organisiert ist – und nicht nur, wie das Einkommen verteilt ist.
Mehr Gerechtigkeit im Unterhaltsrecht
Das Urteil des OLG Braunschweig ist ein bedeutender Schritt in Richtung moderner Familienpolitik. Es trägt der gesellschaftlichen Realität Rechnung, dass sich immer mehr Eltern nach der Trennung partnerschaftlich um ihre Kinder kümmern – auch ohne formelles Wechselmodell.
Mit der Anerkennung von Mitbetreuung als Beitrag zum Kindesunterhalt wird ein gerechteres System etabliert, das beide Elternteile ernst nimmt und entlastet. Das Urteil könnte zum Vorbild für weitere Entscheidungen werden und das Unterhaltsrecht langfristig verändern.
Eltern inähnlicher Situation sollten rechtzeitig anwaltlichen Rat einholen und prüfen lassen, ob auch in ihrem Fall eine Anpassung der Unterhaltspflicht möglich ist.
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Datum: 03.05.2025 - 17:31 Uhr
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