Ein Gehirntumor aus der Petrischale
(ots) - Gehirntumoren gehören zu den aggressivsten und
tödlichsten Krebserkrankungen. Vor allem bei jungen Menschen zählen
sie zu den häufigsten Tumorneuerkrankungen. Besonders gefürchtet ist
das Glioblastom, das sich durch ein sehr rasches Tumorwachstum
auszeichnet und besonders schwer zu behandeln ist. Mittlerweile weiß
man, dass Gehirntumoren durch eine Vielzahl verschiedener Mutationen
in Kombination mit äußeren Faktoren ausgelöst werden. In den letzten
Jahren haben riesige Krebsgenom-Sequenzierungsprojekte Tausende von
Mutationen katalogisiert, die in Patiententumoren gefunden wurden.
Schließlich sind es jene Mutationen, die darüber entscheiden, ob sich
gesunde Zellen über kurz oder lang zu Krebszellen entwickeln, die
schließlich wuchern, gesundes Gewebe verdrängen und sich systemisch
ausbreiten. Bis dato fehlte den WissenschaftlerInnen ein geeignetes
Model, um die Wirkung dieser Mutationen im menschlichen Gehirn zu
erforschen.
Die am IMBA erstmals entwickelten Gehirn-Organoide könnten nun
auch für die Krebsforschung eine treibende Rolle spielen. Die
Forschungsgruppe rund um Jürgen Knoblich hat kürzlich ein neues
Modellsystem für Hirntumoren entwickelt. Das Novum: Die neue
Technologie erlaubt es den ForscherInnen, den Prozess der
Krebsentstehung im Gehirn nun in der Petrischale nachzuspielen. Die
ForscherInnen können dadurch praktisch dabei zusehen, wie dem
Organoid ein Tumor wächst.
Zwtl.: Neues Modelsystem für die Krebsforschung
In einer Veröffentlichung in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift
Nature Methods berichtet die Forschungsgruppe über die neuen
"neoplastischen Gehirn-Organoide", die sie zur Untersuchung von
Gehirntumoren entwickelt haben. "Diese kleinen Organoide
reproduzieren einzigartige Aspekte des menschlichen Gehirns
detailgetreu, wie z. B. seine verschiedenen Zelltypen und
Entwicklungsstadien. Sie erlauben uns daher, die Art und Weise, wie
Tumoren entstehen, nachzuvollziehen und bieten ein System, um neue
Therapien zu erproben," so Jürgen Knoblich, Interimistischer
Wissenschaftlicher Direktor am IMBA und Letztautor der Studie.
Mutationen sind genetischen Defekte, die durch natürliche Fehler
beim Kopieren von DNA oder durch die Aktivität von Krebsgenen
entstehen oder andere Ursachen haben. Sie lösen bei gesunden Zellen
schwerwiegende Veränderungen aus, die dazu führen, dass sie außer
Kontrolle geraten und sich erstaunlich schnell teilen. Doch jedes
Mal, wenn sich eine solche Zelle teilt, kann sie neue Mutationen
erzeugen, was die WissenschaftlerInnen vor ein Rätsel stellt. "Einige
dieser Mutationen sind Triebkräfte in Tumoren, sie entscheiden, ob
Krebs entstehen wird", sagt Shan Bian, Erstautor der Studie, "andere
sind einfach Nebenwirkungen. Diese unterschiedlichen Mutationen in
menschlichem Gewebe gezielt zu erfassen, war bis dato ein Problem."
Zwtl.: Mutationen kartieren und Medikamente testen
Die neuentwickelten neoplastischen Organoide bieten ein
unglaubliches Potenzial, diesen Fragen systematisch nachzugehen.
Durch moderne Genom-Editing Systeme wie etwa CRISPR / Cas9 und
sogenannte Sleeping Beauty Transposons werden Mutationen, die häufig
bei Krebspatienten gefunden werden, in die Zellen gebracht. So können
einzelne Gene oder Genkombinationen geändert werden, manche Gene
werden abgeschaltet während die Aktivität von anderen Genen erhöht
wird, und zwar unabhängig von bekannten Gendefekten. So wollen die
ForscherInnen zwischen krebsauslösenden und weniger gravierenden
Mutationen unterscheiden. Sobald sich ein Tumor entwickelt hat,
können die WissenschaftlerInnen bestimmte Mutationen genau unter die
Lupe nehmen, um festzustellen, ob der jeweilige Gendefekt auch für
das langfristige Überleben des Tumors essentiell ist. Denn jede
genetische Veränderung, die dazu führt, dass der Tumor schrumpft oder
verschwindet, könnte ein guter Kandidat für zukünftige Therapien
sein.
Zwtl.: Organoide für eine personalisierte Krebsmedizin
Die WissenschaftlerInnen testeten dieses Prinzip mit einem
Medikament namens Afatinib, das derzeit in klinischen Studien zur
Behandlung von Glioblastomen eingesetzt wird. Sie fanden heraus, dass
nach 40 Tagen Verabreichung des Medikaments die Anzahl der
Tumorzellen in jenen zwei Mutationskombinationen signifikant
zurückging, in denen ein Molekül namens EGFR überexprimiert wird-
denn Afatinib hemmt EGFR. Die ForscherInnen wiederholten das
Experiment mit vier zusätzlichen Wirkstoffen, die EGFR hemmen und
derzeit in Therapien zum Einsatz kommen. Während ein Medikament
namens Erlotinib die Anzahl der Tumorzellen signifikant reduzierte,
waren die Effekte anderer Wirkstoffe minimal.
"Diese Ergebnisse zeigen, dass Gehirn-Organoide auch einen
erheblichen Nutzen für die Krebsforschung beziehungsweise die
öffentliche Gesundheit haben. Vor allem, weil es nun möglich ist,
Organoide von Patienten mit Gehirntumoren herzustellen und daran die
Wirksamkeit verschiedener Therapie-Kombinationen zu testen", sagt
Jürgen Knoblich. "Nun wäre es ein wichtiger Schritt, weitere
klinische Partnerschaften zu fördern. Wir sind davon überzeugt, dass
unsere Modelle in Zukunft Anhaltspunkte für die klinische Behandlung
von Hirntumoren liefern könnten."
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Originalpublikation: Bian, et al., 2018, ''Genetically engineered
cerebral organoids model brain tumor formation'', Nature Methods; doi:
10.1038/s41592-018-0070-7.
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Datum: 23.07.2018 - 17:01 Uhr
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