Heilbronner Stimme: Medienwissenschaftler Jo Groebel: Der Fußball hat die Grenzen der Vermarktung erreicht - "Erinnert mich an die Endphase des Neuen Marktes"
(ots) - Der Medienwissenschaftler Professor Jo Groebel 
sieht den Fußball an einem Scheideweg. "Die Grenzen der Vermarktung 
sind erreicht", sagte Groebel der "Heilbronner Stimme" (Mittwoch): 
"Die Spirale der Vermarktung dreht sich immer schneller und weiter. 
Darüber geht die Seele des Fußballs verloren." Als Beispiele nannte 
Groebel die gigantischen Ablösesummen wie im Fall Neymar und des nun 
Ex-Dortmunders Dembélé, aber auch die Einführung des Videobeweises 
sowie die immer höheren Kosten für Zuschauer durch die Aufsplitterung
der TV-Senderechte.
   Viele Fans, die schon Jahrzehnte dem Fußball treu seien, hätten 
längst keine Illusionen mehr. Sie hätten sich damit abgefunden, dass 
es beim Fußball um eine Ware gehe. Aber, so der Medienpsychologe: "Es
rückt der Zeitpunkt näher, dass selbst die treuesten Fans sagen: Von 
dieser Vermarktungsmaschinerie haben wir die Nase gestrichen voll."
   Auf dem Transfermarkt würden inzwischen "absurde Preise" gezahlt, 
die nicht nur den Fans kaum noch vermittelbar seien. Sondern, so der 
Medienprofessor: "Das ist doch gar nicht mehr refinanzierbar. Weder 
durch Sponsoren noch durch immer höhere TV-Gelder. Der Markt ist 
völlig ausgereizt, und dass sich die heute getätigten Investitionen 
jemals rechnen, halte ich für völlig illusorisch." Groebel fügte 
hinzu: "Es geht offenbar nur ums Angeben. Ähnlich wie bei 
Multimilliardären, die nur darauf achten, ob ihre Yacht auch die 
längste auf den Weltmeeren ist."
   Der Medienprofessor zieht in diesem Zusammenhang einen weiteren 
Vergleich: "Die Entwicklung auf dem Fußballmarkt erinnert an die 
Endphase des Neuen Marktes. Oder an den ersten Crash überhaupt, der 
im 17. Jahrhundert Europa erschütterte, weil alle auf 
Gewinnsteigerungen mit Tulpenzwiebeln spekulierten. In beiden Fällen 
wurde schließlich jeder Preis gezahlt - egal, ob ein reeller Wert 
hinter dem Investment steckt. Der Fußball sollte sich die beiden 
Beispiele genau anschauen."
   Der Kollaps, so der Medienprofessor, werde kommen, sollte sich die
Spirale weiterdrehen. "Dann sind einige wie Spielevermittler reich 
geworden, aber noch mehr Klubs werden pleite gehen."
   Viele Fans hätten sich zwar damit abgefunden, viel Geld für 
Fußball im TV zahlen zu müssen. Doch Sender und Klubs sollten die 
Geduld der Zuschauer nicht überschätzen. "Wenn die gezeigte Ware den 
Preis nicht mehr wert ist, dann kollabiert der Fußballmarkt nicht nur
auf der Finanzseite, sondern auch auf der Seelenseite." Und wenn der 
"Stecker erst einmal gezogen wird, kollabiert das gesamte System."
   Für bedenklich hält er auch den Videobeweis. "Der Charme des 
Fußballs hat immer darin bestanden, dass jeder weiß, dass der 
menschliche Irrtum, der Subjektivitätsfaktor, aber auch der 
Glücksmoment, auch in einer Schiedsrichterentscheidung, dass dies 
alles eine große Rolle spielt."
   Eine Verbindung sieht er in Verbindung zur sich immer schneller 
drehenden Finanzspirale. Groebel: "Da, wo es um große Summen geht, 
geht es auch um eine Scheinobjektivität. Je mehr es um das große Geld
geht, je weniger will man Fehler zulassen. Wir leben in einer Welt, 
in der alle Dinge messbar sein sollen. Auch Dinge, die gar nicht 
messbar sind. Das nimmt dem Fußball jeden Charme."
   Groebel ist der Ansicht, dass eine absolute Objektivität durch den
Videobeweis gar nicht zu schaffen sei. Denn hinter der Technik des 
Videobeweises steckten auch nur Menschen - und die legen 
beispielsweise fest, welche Millisekunde eines Abspieles gezeigt 
wird, mit dem beispielsweise ein Abseitspfiff als richtig oder falsch
bewertet werden soll.
   Groebel: "Fußball ist immer auch Glück und Irrtum gewesen, darüber
diskutieren die Menschen, das bewegt sie, das macht die Seele des 
Sports aus."
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Datum: 30.08.2017 - 05:45 Uhr
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