DER STANDARD-Kommentar: "Der neue Parteifreund" von Katrin Burgstaller
(ots) - SPÖ-Chef Werner Faymann hat also Eugen Freund, vor
kurzem noch Anchorman der ORF-Sendung Zeit im Bild, zum
Spitzenkandidaten für die Europawahl auserkoren. Prominente
Quereinsteiger werden von den Parteien gerne eingesetzt, in der
Hoffnung, möglichst viele Wählerstimmen zu gewinnen. Prinzipiell eine
gute Überlegung: Alle Fraktionen haben bekanntlich bei EU-Wahlen ein
Mobilisierungsproblem. 2009 beteiligten sich 46 Prozent der
Österreicher an den EU-Wahlen, 1996 waren es noch fast 68 Prozent.
Zum Vergleich: Zur letzten Nationalratswahl gingen drei Viertel der
Wahlberechtigten.
2009 mussten die Sozialdemokraten herbe Verluste einstecken. Sie
verloren den ersten Platz und zehn Prozentpunkte im Vergleich zum
Jahr 2004. Seither war Grund und Zeit genug, sich eine Strategie für
2014 zu überlegen und gute Spitzenkandidaten, vor allem
Spitzenkandidatinnen aus den eigenen Reihen aufzubauen.
Faymann musste zu Beginn seiner Amtszeit für seine Europapolitik
herbe Kritik einstecken. Im Juni 2008 hatte er als Parteichef
gemeinsam mit dem damaligen Kanzler Alfred Gusenbauer die EU-Linie
der SPÖ über Bord geworfen und in einem Brief an die Kronen Zeitung
künftig Volksabstimmungen in Österreich über neue EU-Verträge in
Aussicht gestellt. Ein Jahr später ließ er sich die Chance entgehen,
bei der Eröffnung des Hauses der Europäischen Union in Wien
Kommissionspräsident José Manuel Barroso sowie dem damaligen
EU-Parlamentspräsidenten Jerzy Buzek die Hände zu schütteln. Außerdem
verzichtete die SPÖ auf den Posten des EU-Kommissars zugunsten der
ÖVP.
In den letzten Jahren wandelte sich Faymann zum glühenden
Europäer. Zu Hause, in seinen Parteitags- und Festreden, betont er
stets, wie wichtig das friedenssichernde Projekt Europa sei. Für
seine Bemühungen um eine europaweite Finanztransaktionssteuer hat
sich der Bundeskanzler auch in Brüssel einen Namen gemacht.
Die neu entfachte Begeisterung für Europa hat aber offenbar nicht
ausgereicht, um die Europawahlen 2014 als entsprechend wichtig zu
bewerten. Dass die Personalauswahl für einen Spitzenkandidaten oder
eine Spitzenkandidatin aus den eigenen Reihen so dürftig ist, muss
der Bundeskanzler auf seine Kappe nehmen. Denn in der SPÖ und ihren
Vorfeldorganisationen gibt es durchaus junge, sehr ambitionierte
Leute, die man seit der letzten, desaströsen EU-Wahl aufbauen hätte
können.
Doch Werner Faymann ist bekannt dafür, dass er auf Nummer sicher
gehen will. Progressive Leute, die in der Partei vielleicht auch noch
gut vernetzt sind, könnten gefährlich werden. Sie berücksichtigt der
Kanzler in seinen Personalentscheidungen prinzipiell nicht. Wer zu
aufmüpfig ist, wird demontiert, wie die ehemalige Abgeordnete Sonja
Ablinger.
Der Kanzler hat sich also folgerichtig für einen Kandidaten
entschieden, der nicht in der Partei verwurzelt ist, der keine
Hausmacht hat. Über die unschöne Optik, die Freunds direkter Wechsel
vom ORF in die SPÖ bietet, hat der Kanzler gleich geflissentlich
hinweggesehen. Freunds Prominenz ist zweifelsohne ein Wahlkampftrumpf
für die SPÖ. Aber sie ist noch kein Garant des Wahlsiegs. Der
einstige ORF-Journalist muss sich nun als Politiker beweisen. Er muss
die Wahlkampfthemen der SPÖ authentisch vertreten. Ob er das
beherrscht, wird die Parteibasis sehr genau beobachten.
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Datum: 14.01.2014 - 19:01 Uhr
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Faymann hat es verabsäumt, einen Spitzenkandidaten aus der SPÖ aufzubauen (ET Ausgabe 15.1.2014)
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