Strategie Karstadt 2015’ hinterfragt: Nicolas Berggruen (Berggruen Holding), René Benko (SIGNA Holding), Karstadt
Strategie Karstadt 2015’ hinterfragt: Können Nicolas Berggruen (Berggruen Holding) und René Benko (SIGNA Holding) Karstadt langfristig abzusichern?
(IINews) - Der Groß- und Einzelhandel steht in einem umfangreichen strukturellen Wandlungsprozess. Die Wettbewerbsverhältnisse verschärfen sich und führen zu Verwerfungen in der Branche. Auch das Traditionshaus Karstadt sucht nach einem tragfähigen Konzept zur Überlebensfähigkeit für die Rahmenbedingungen des modernen Handels im 21. Jahrhunderts.
2013 war kein einfaches Jahr für den Handel. Die Praktiker AG, eine deutsche Dachgesellschaft mehrerer Baumarktketten in Europa, hat das nicht überlebt. Max Bahr ist in Abwicklung und Übernahmekandidat. In Luxemburgs Handel herrscht derzeit helle Aufregung. Knapp 20 Handelsunternehmen sind auf einen Schlag in Konkursgegangen. Dem „Weltbild-Verlag“ droht offenbar Insolvenz. Beim Kaufhaus JOH gehen die Lichter aus: in den 5 Häusern wurde der Räumungsverkauf eingeleitet; der erfolgreiche Hamburger Concept Store "Stoffsüchtig" mußte Insolvenz anmelden. „Apriori“ am Ende: die Modern Woman Premiummarke aus Münster steht vor dem Aus; der Hamburger Modeanbieter Olsen (Tochter des Wolff & Olsen Konzerns), musste wie sein Schwesterunternehmen Rosner einen Insolvenzantrag stellen. Kunert AG: laut Insolvenzverwalter könnte sich ggfs. eine Investorenlösung für den Strumpf-Mode-Hersteller aus Immenstadt abzeichnen.
Global gesehen hat in den vergangenen Jahren ohne jeden Zweifel der Druck auf alle Marktteilnehmer im Handel sowie in der Discounterbranche massiv zugenommen, die Marktbewegungen sind heftiger geworden, verschiedenen Ketten und Kaufhäuser werden veräußert, weil sich die Kunden umgestellt haben und den Onlinehandel – möglicherweise auch aus Gründen der Bequemlichkeit – vorziehen. Und dem Management im Handel ist bewusst: Wer darauf nicht reagiert, wird diesem Druck nicht gewachsen sein und untergehen.
Genau hier liegt das Problem des deutsch-amerikanischen Investors und Karstadt-Eigentümers Nicolas Berggruen. Berggruen ist Gründer und geschäftsführender Inhaber der Berggruen Holdings, einer auf langfristigen Direktinvestitionen spezialisierten Finanzholding und kommt nicht aus der Discounter- und Lebensmittelsparte; Kunst und Immobilien ist vielmehr das Feld, auf dem sich Nicolas Berggruen bewegt. Dessen Vater, Heinz Berggruen musste Berlin im Jahr 1936 verlassen und seine Emigration rettete ihm das Leben; Heinz Berggruen kehrte nach der Wiedervereinigung nach Berlin zurück und verkaufte seine berühmte Kunst-Sammlung an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (nebst Dauerleihgaben) – erheblich unter dem Schätzpreis.
Investor Nicolas Berggruen kommt nicht aus der Branche des Groß- und Einzelhandels, er ist mit der Übernahme von Karstadt sozusagen branchenunerfahrener Seiteneinsteiger.
• Nicolas Berggruen Holdings GmbH
Die Nicolas Berggruen Holdings GmbH kauft, renoviert und veräußert oder vermietet Immobilien, z. B. an Zalando (in Berlin-Friedrichshain); auch Lidl mietet und eröffnet ab 2014 in der neu gestalteten Ladenzeile in der Stresemannstr. 68-78 (Berlin) nach Angaben von Berggruen. Allerdings sind Marktexperten der Meinung, dass Berggruen mit seinem Einstieg im Handel, Karstadt, übernommen hat. Der von Berggruen mit der Leitung der Geschäftsführung beauftragte Andrew Jennings muss gehen, die bisherigen, angedachten Konzepte für Karstadt gehen offensichtlich nicht auf. Kunden weichen auf Discounter aus, nutzen die Konkurrenz der Outlet-Center oder ziehen den bequemen Weg der Onlinebestellung vor.
Karstadt steckt seit längerem in der Krise. 2010 war die Kaufhauskette nach der Pleite des Touristik- und Handelskonzerns Arcandor vom Investor Nicolas Berggruen übernommen und damit vor dem „Aus“ bewahrt worden. Für Nicolas Berggruen ein Wagnis und ein Risiko. Deshalb versuchte es Berggruen mit einer fachlichen Unterstützung und berief Andrew Jennings in die Geschäftsleitung von Karstadt. Andrew Jennings verfügt zwar über eine Erfahrung von etwa 35 Jahren im Handel, arbeitete allerdings in 5 Ländern auf 3 Kontinenten (für Debenhams in London; Greatermans in Südafrika; Harrods in London; Holt Renfrew in Canada; Saks Fifth Avenue New York und zuletzt drei Jahre bis Ende 2009 bei Woolworths Holding Limited in Südafrika).
Andrew Jennings ist kein „Sanierer“ und ist mit den aktuellen Marktmechanismen des Handels in Europa nicht vertraut. Investor Nicolas Berggruen musste begreifen, dass allein ein Austausch der Geschäftsführung nicht ausreicht, um ein Handelskonzern erfolgreich und mit Perspektive leiten zu können. Andrew Jennings scheidet aus dem Unternehmen aus und Nicolas Berggruen sieht sich massiven Kritiken ausgesetzt – „in Deutschland gibt es nur Kritik, man wird bestraft, wenn man etwas versucht.“
• SIGNA Prime Selection AG
Ende Dezember 2012 wurde über ein anderes Unternehmen, die SIGNA Prime Selection AG, ein Portfolio von insgesamt 17 Karstadt-Häusern zu einem Kaufpreis von über 1,1 Milliarden EUR angekauft, zu denen auch das Referenzobjekt KaDeWe in Berlin zählt.
Die SIGNA Holding ist Österreichs größtes Immobilienunternehmen in privater Hand. SIGNA wurde im Jahr 1999 vom Tiroler Unternehme René Benko gegründet. Aus einem Zwei-Mann-Unternehmen, das zunächst auf klassische Immobilienentwicklung fokussiert war, ist mittlerweile ein europaweit agierender Immobilienkonzern mit Bürostandorten in Wien, Innsbruck, München, Düsseldorf, Zürich und Luxemburg entstanden.
Am 16. September 2013 wurde bekannt gegeben, dass SIGNA 75,1 % der operativen Karstadt-Premium-Group und 75,1 % der operativen Karstadt-Sports-Gesellschaft von der Berggruen Holding für 300 Millionen Euro übernehmen wird. Und SIGNA ist nach Angaben von Berggruen der mit Abstand größte Vermieter von Karstadt-Filialen. Das Problem:
Investor René Benko kommt – wie Berggruen – auch nicht aus der Branche, deshalb ist auch er ist mit der Übernahme von Karstadt branchenfremder Seiteneinsteiger. Hauptschwerpunkt der SIGNA-Unternehmensgruppe ist die langfristige Investition in Immobilien in besten Innenstadtlagen.
Investor René Benko beabsichtigt indes, sich aus dem Tagegeschäft zurückzuziehen; diese „Weichenstellung habe nichts mit seiner vom Gericht bestätigten bedingten Haftstrafe (1 Jahr) zu tun“, erklärte er gegenüber der Presse in Österreich. „Das Risiko, wenn alles zu sehr auf Einzelpersonen zugeschnitten ist, zeigen Beispiele anderer Unternehmen“, konstatiert Benko. „Wenn bislang die EDV nicht richtig gelaufen ist, ist das Problem am Ende meistens bei mir gelandet. Das ist jetzt anders“, gibt sich Benko erleichtert. Einige Kommentatoren meinen, es komme ihm auch gelegen, dass er in dieser juristisch heiklen Situation etwas aus der Schusslinie sei.
Nunmehr wolle er sich um die Strategie kümmern, um neue Projekte zu entwickeln und den Kontakt zu Investoren und Banken zu halten. Aber dies sei ein „rein privates Thema von mir - der Kontakt zwischen der SIGNA und den Banken läuft reibungslos.“ Momentan deute nichts darauf hin, dass die Erfolgsgeschichte der SIGNA nun abzureißen droht.
Benko spricht von den vergangenen 9 Monaten als „den besten in der bisherigen Firmengeschichte.“ SIGNA habe 1,5 Milliarden Euro investiert. Aktuell bringt man den Erwerb des American-Express-Towers in Frankfurt unter Dach und Fach. In Summe hat die Gruppe nun 5,5 Milliarden Euro in Immobilien gesteckt. Projekte für eine „weitere Milliarde sind in der Pipeline.“ Der Fremdkapitalanteil beträgt knapp 60 %, das ist eher konservativ.
• Fragile Allianz: SIGNA – Berggruen
Die Berggruen Holding trennt sich von den lukrativen Karstadt-Häusern, darunter das Berliner KaDeWe, der Oberpollinger in München und das Alsterhaus in Hamburg. Bei der Berggruen-Holding verbleiben zu 100 % die anderen 83 Karstadt-Filialen. Zumindest zunächst noch.
Ein Wechsel im Management an der Spitze des Aufsichtsrates von Karstadt ist im Gespräch. Der Berggruen-Vertraute Jared Bluestein wird durch den Manager Stephan Fanderl ersetzt, wie aus einer Mitteilung der Berggruen Holding hervorgeht.
Investor René Benko (SIGNA) hat Christoph Stadlhuber zum neuen Vorstand der SIGNA bestellt; Benko selbst wechselte als Vorsitzender in den SIGNA-Beirat; und Christoph Stadlhuber kommt auch nicht aus dem Handel, sondern verweist auf eine achtjährige Erfahrung bei der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) in Österreich. CEO Stadlhuber schöpft seine Zuversicht aus der Entwicklung der Immobilienbranche. „Wir sind ganz sicher der dynamischste Immobilienkonzern in ganz Europa“, zeigt sich CEO Stadlhuber in der österreichischen Presse überzeugt. Und Stadlhuber plant schon die nächsten Akquisitionen:„Wir arbeiten heuer noch ein gewaltiges Investitionsvolumen ab.“ Als nächstes Projekt steht das Filetstück A01 am Wiener Hauptbahnhof an, dessen Präsentation Mitte September erfolgen wird. Geplant ist eine Nutzung mit Geschäften in den Untergeschossen und Büros auf den höheren Ebenen.
• Was das jetzt alles mit der Fortentwicklung des Handelskonzern Karstadt zu tun hat?
Branchenkenner aus dem Groß- und Einzelhandel und Fachleute der IHK schütteln bedenklich den Kopf. In einem Brief an die Mitarbeiter nimmt jedenfalls Nicolas Berggruen zum Verkaufspreis von 300 Millionen Euro Stellung: „Es fließt kein Kaufpreis an meine Holding oder gar mich persönlich.“ In einer Pressemitteilung der SIGNA heißt es, die 300 Millionen würden investiert, „um die erfolgreiche Strategie Karstadt 2015’ fortsetzen und vorantreiben zu können, und dient der Modernisierung der einzelnen Standorte, um Karstadt langfristig abzusichern.“ Dem Geschäft müssen überdies noch die Kartellbehörden zustimmen.
• Eine andere Welt: die Welt des Groß- und Einzelhandels
„Aus den Gesprächen mit dem Handel geht klar hervor, dass Marken mit innovativen Konzepten und Produkten gefragt sind und sich dementsprechend eine weitere Konzentration auf weniger Hersteller anbahnt“, erklärt Alex Hauser (Salomon): „Für viele Händler ist es wichtig, Produkte und Konzepte zu finden, mit denen das eigene Profil als Sportfachhändler geschärft werden kann. Kompetenz, Service und Beratung sind Faktoren, die für den Endverbraucher wieder mehr in den Mittelpunkt rücken und Händlern, die sich in diese Richtung entwickeln, einen Vorteil verschaffen.“
„Der Einzelhandel spielt für die Urbanität von Städten eine herausragende Rolle“, verdeutlicht Dr. Joachim Stoll, Vorsitzender des IHK-Einzelhandelsausschusses Frankfurt a.M. „Einkaufen ist, neben der Fahrt zum Arbeitsplatz, der häufigste Grund für Menschen, in die Innenstadt oder in Stadtteilzentren zu fahren. Der Ansiedlungsdruck auf Frankfurt und die Region wird anhalten. Um die Stadt wettbewerbsfähig zu positionieren, müssen wir genau definieren, wo und wie künftig Entwicklung stattfinden soll. Die Einzelhandelsattraktivität Frankfurts liegt in der Innenstadt. Wir sollten daher die Innenstadt stärken und nicht zu viel Nebenzentren in Frankfurt entwickeln, die die Innenstadt schwächen. Natürlich muss in den Stadtteilen eine ordentliche Nahversorgung gewährleistet sein“, so der Experte.
„Der Zug der Veränderung im Handel rast“, so Rahel Willhardt in „absatzwirschaft“ (Fachjournal für Marketingstrategen).Im stark polarisierten Markt zwischen Discountern und Premiumanbietern wird um Marktanteile gerungen, ein Spannungsbogen zwischen Convenience-Shopping und Erlebnis Shopping bestimmt die Situation im Handel. Der Shop selbst wird wichtiger als die in ihm verkauften Waren, kommentieren Trendforscher und Marketingexperten gleichermaßen.
• Welche Summen werden im Handel bewegt?
Investor Berggruen möchte eine Summe im Umfang von 300 Millionen Euro in die Hand nehmen, um die seinem Unternehmen verbliebenen Karstadt-Häuser zukunftsfähig zu machen. Welche Relation verbirgt sich dahinter?
Die Lidl & Schwarz Gruppe mit ca. 11.000 Filialen, zu der auch Kaufland zählt, verzeichnete beispielsweise für 2011 einen Bruttoumsatz von über 70 Mrd. Euro. Aldi Nord und Aldi Süd (ca. 10.000 Märkte) kamen im selben Jahr zusammen nur auf rund 58 Milliarden Euro.
„Lidl & Schwarz unterhält im Bundesgebiet ca. 40 Lager für den Warenumschlag. Bereits EIN sogenanntes kleineres Lager bei Lidl & Schwarz macht einen Umsatz von einer halben Milliarde Euro p.a.“, erklärt Giorgio-Oliver Valecchi, Mitarbeiter bei Lidl & Schwarz.
Insoweit bleibt es jedem unbenommen, sich selbst ein Bild darüber zu machen, was ein Betrag von 300 Millionen Euro, die von der Berggruen Holding für Karstadt eingesetzt werden soll, bewirken kann. Aber der branchenfremde Investor Nicolas Berggruen hofft weiter auf eine „endgültige Gesundung von Karstadt.“
„Und dabei wollte man mit ihm gern an die Zukunft der Warenhauskette glauben“, resümiert die FAZ.
Sandro Valecchi, Analyst
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Datum: 25.09.2013 - 16:05 Uhr
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