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Blinde Fleckenüberwinden / Von Jana Wolf

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(ots) - Es sind abscheuliche Einblicke in die rechtsextremen Chat- und Denkwelten einer Gruppe von Polizisten in Nordrhein-Westfalen: Hitler-Bilder, Nazi-Symbole, menschenverachtende Darstellungen und das fiktive Bild eines Flüchtlings in der Gaskammer. Diese Details aus den fünf Kommunikationskanälen der Beamten sind bislang an die Öffentlichkeit gedrungen und man möchte wohl gar nicht genauer wissen, welche rassistischen, neonazistischen Abgründe sich dort noch auftun. Die Mülheimer Fälle haben die Debatte über die Anfälligkeit von Polizeibeamten für extremistisches Gedankengut weiter befeuert, verständlicherweise. Viele unangenehme Fragen müssen jetzt schleunigst beantwortet werden. Einige Punkte aber stehen schon fest: Die bislang 30 suspendierten Polizisten dürfen nicht länger Beamte bleiben. Wer derartige Hetze teilt und verbreitet, der muss seine Uniform abgeben. Bei der nur vorläufigen Befreiung vom Dienst kann es nicht bleiben. Klar ist auch, dass es eine grundlegendere Aufklärung braucht. Mit der reflexhaften Abwehr eines vermeintlichen "Generalverdachts" gegen die Polizei darf die Aufarbeitung nicht länger verhindert werden. Wer den nordrhein-westfälischen Innenminister seit Bekanntwerden der Fälle gehört hat, dem wird sein Entsetzen nicht entgangen sein. Herbert Reul (CDU) räumte ein, das Ausmaß unterschätzt zu haben. Rechtsextremistische Vorfälle in Hagen, Hamm, Gelsenkirchen und jetzt in Mülheim hätten gezeigt, dass "vielleicht sogar auch die Dimension unterschätzt" worden sei, sagte der NRW-Minister. Das sind bemerkenswert offene Worte und sie weisen einen richtigen Weg: hin zu mehr Selbstkritik, Transparenz und der Bereitschaft, bisherige blinde Flecken zu überwinden. Bei einmaligen, harten Konsequenzen für die nun enttarnten Hetzer darf es nicht bleiben. Es braucht auch die Beharrlichkeit, mögliche weitere Verzweigungen aufzufinden und die Strukturen langfristig so zu verändern, dass extremistische Netze nicht jahrelang unentdeckt in den Sicherheitsbehörden bestehen und gedeihen können. Das politische Argument von bloßen Einzelfällen wird sonst immer brüchiger. Nun sind die allermeisten Polizisten anständige Menschen und wir können froh sein, dass wir sie haben. Die deutsche Polizeiausbildung hat im Ausland einen guten Ruf, auch weil sie Demokratiebildung umfasst. Die meisten Beamten haben diesen Beruf gewählt, gerade weil sie zur Verfassung stehen und diese verteidigen wollen. Umso mehr schämen sich viele für das extremistische Abdriften in Kollegenkreisen und sehen die eigene Glaubwürdigkeit unverschuldet beschädigt. Dieser Umstand löst beim Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), Polizeivertretern und Behördenleitern schnell den Schutzinstinkt aus. Oft wird dann auf interne Selbstheilungskräfte der Sicherheitsbehörden gepocht. Doch rechtfertigende Worte allein reichen nicht mehr. Es braucht nun Aufarbeitung und Veränderungen in den Strukturen. Konkrete Vorschläge dafür liegen auf dem Tisch: eine zügig durchgeführte Studie zu Extremismus in der Polizei und anderen Sicherheitsbehörden, anonyme Meldeverfahren für interne Missstände und nicht nur den offiziellen Dienstweg, neutrale Ansprechpartner außerhalb der Behördenstrukturen, etwa einen Polizeibeauftragten. Es gibt keine vernünftigen Gründe, die gegen solche Maßnahmen sprechen. Warum also länger warten? Die Fälle in Mülheim sind auch deswegen so fatal, weil sie in der notwendigen Debatte zur Verhärtung der Fronten führen - auch im linken Lager. Wer sich nun in seinem Vorwurf des strukturellen Rassismus bestätigt sieht und weiter über die Polizei herzieht, trägt kein bisschen zur Besserung bei. Weder der pauschale Frontalangriff gegen die Polizei noch die alte Leier vom Generalverdacht bringen uns weiter. Wer Strukturen ernsthaft verändert will, sollte sich deswegen nicht reflexhaft hinter alt bekannten Floskeln verschanzen.





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