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Mittelbayerische Zeitung: Argumentative Verrenkungen - Das Urteil im Fall Caster Semenya stützt das System des Leistungssports.

ID: 1719403


(ots) - Frank Ulrich Montgomery, als wortgewaltiger
Interessenvertreter der Medizinergilde ein bekanntes Gesicht in der
deutschen Öffentlichkeit, hat Bauschmerzen. Sie rühren vom Urteil des
Internationalen Sportgerichtshofes Cas im Fall der südafrikanischen
Mittelstreckenläuferin Caster Semenya her. Der Präsident des
Weltärztebundes hält den Spruch für grundverkehrt. "Es gibt keinerlei
medizinische Indikation. Frau Semenya ist kerngesund!", wettert
Montgomery. Er sieht keine Veranlassung, ihre erhöhten
Testosteronwerte medikamentös zu senken. "Ärzte, die sich daran
beteiligen, handeln unethisch", fällte Montgomery im Interview der
Frankfurter Allgemeinen Zeitung sein eigenes Urteil. In der Tat reibt
sich die sportinteressierte Öffentlichkeit verwundert die Augen. Der
Griff ins Apothekerschränkchen, sonst als Übel des organisierten
Sports verteufelt, soll plötzlich wieder statthaft, ja sogar
vorgeschrieben sein? In diesem Fall ja, sagt der Cas. Denn nur so
ließen sich die Wettbewerbsnachteile von Frauen in der Konkurrenz mit
dem dritten Geschlecht ausgleichen. Montgomery sieht in dieser Praxis
"umgekehrtes Doping", zu dem niemand gezwungen werden darf. Freilich:
Mit der Einwilligung des betroffenen Athleten handeln Ärzte zumindest
nicht im strafrechtlichen Sinne unzulässig. Viele Aspekte des
aufsehenerregenden Falls Semenya mögen sehr speziell sein. Doch er
wirft ganz grundsätzliche Fragen auf, berührt Persönlichkeitsrechte
ebenso wie die Legitimation des Leistungssports. Der Cas hatte eine
sportjuristische Gratwanderung zu bewältigen, sein Urteil gleicht
einem Balanceakt. Er hat letztlich, wenig verwunderlich, mit einigen
argumentativen Verrenkungen das System des Spitzensports gestützt.
Jede andere Entscheidung hätte die Axt an das geheiligte Prinzip der
Chancengleichheit gelegt. Und wird dieses Ideal erst einmal




fundamental in Frage gestellt, ist es nicht mehr weit hin zu jenen
Stimmen, die längst für eine generelle Freigabe von Doping und
jedweder Leistungsmanipulation plädieren. Es ist übrigens eine
Facette der Causa Semenya, dass sie exemplarisch den nach wie vor
vorurteilsbehafteten Umgang mit dem dritten Geschlecht beleuchtet.
Männlich, weiblich, divers: Die Existenz einer dritten
Geschlechtsoption ist als Konsequenz eines Urteils des
Bundesverfassungsgerichts gesetzlich klar geregelt, doch weit davon
entfernt, als gesellschaftliche Normalität wahrgenommen zu werden. In
der Leichtathletik rückt der Fall Semenya zudem ein Problem in den
Fokus, das nunmehr bereits seit Jahrzehnten der Bewältigung harrt.
Denn trotz der Dominanz auf ihrer Spezialstrecke und ihrer angeblich
ja gewaltigen körperlichen Vorteile hat es die Südafrikanerin nie
vermocht, einen Uralt-Weltrekord zu brechen. Jarmila Kratochvílová
lief - damals noch für die Tschechoslowakei - am 26. Juli 1983 in
München die 800 Meter in sagenhaften 1:53,28 Minuten. Diese Leistung
stellt die älteste noch bestehende Freiluftbestmarke der
Leichtathletik dar. Caster Semenyas Bestzeit liegt bei 1:54,25
Minuten. Auf Kratochvilovas Fabelweltrekord lastet ein schwerer
Verdacht, er datiert aus einer Ära der ungehemmten, weil so gut wie
unkontrollierten Doping-Praktiken. Der Leichtathletik-Weltverband
IAAF ringt seit Jahren darum, sich dieser Hypothek zu entledigen,
zumal sie in der jüngeren und im besten Fall "sauberen" Generation
von Sportlerinnen eine frustrierende Wirkung entfaltet. Es wäre
höchste Zeit, solche Fantasiezeiten aus den Rekordlisten zu tilgen.
In einem zweiten Schritt sollte die IAAF über eigene Wettbewerbe oder
zumindest Wertungen für das dritte Geschlecht nachdenken. Das Problem
mit Medikamentengaben aus der Welt zu schaffen, wie es der
Internationale Sportgerichtshof gebilligt hat, kann nicht der
Weisheit letzter Schluss sein.



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Datum: 10.05.2019 - 21:24 Uhr
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