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WESTERWELLE-Interview für die "Bild am Sonntag (15.08.2010)

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WESTERWELLE-Interview für die "Bild am Sonntag" (15.08.2010)


(pressrelations) - Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundesaußenminister DR. GUIDO WESTERWELLE gab der "Bild am Sonntag" (aktuelle Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten MICHAEL BACKHAUS und MARTIN S. LAMBECK:

Frage: Herr Westerwelle, Sie und Ihr Partner Michael Mronz sind treue Gäste Mallorcas. Doch das ist Ihr erster Urlaub hier als Außenminister und Vizekanzler. Was hat sich dadurch geändert?

WESTERWELLE: Die Lagebesprechung morgens mit dem Büro dauert etwas länger, es gibt ein paar Einschränkungen wegen der Sicherheit. Ansonsten aber ist es wie immer auf Mallorca: Die Insel versetzt einen in gute Laune, sobald man sie betritt.

Frage: Ist wenigstens die Unterkunft nobler als zu Oppositionszeiten?

WESTERWELLE: Wir mieten uns immer ein Haus, weil wir etwas privater sein wollen. Daran hat sich nichts geändert.

Frage: Noch nicht daran gedacht, die schöne Villa von Carsten Maschmeyer zu nutzen?

WESTERWELLE: Ich bin dort noch nicht gewesen. Veronica (Ferres, d. Red.) und Carsten sind wunderbare Menschen und zauberhafte Gastgeber. Die Kritik, die es in diesem Zusammenhang an Bundespräsident Christian Wulff gab, halte ich für unangemessen.

Frage: Die Gewinne der Konzerne explodieren, ein Wirtschaftswachstum von deutlich über zwei Prozent erscheint erreichbar. Zeit, dass der Staat etwas von dem Geld, das er zur Rettung der Wirtschaft eingesetzt hat, zurück bekommt?

WESTERWELLE: Für mich bleibt das Thema: Wie geben wir die Aufschwungdividende an die weiter, die sie erwirtschaften? Wir haben Familien, Familienbetriebe und den Mittelstand insgesamt zum 1. Januar entlastet. Das war ganz augenscheinlich ein wichtiger Beitrag zum derzeitigen Wirtschafts- und Jobwunder in Deutschland. Diesen Wachstumskurs sollten wir fortsetzen. Wir streben weiter ein einfacheres und insbesondere für die Mittelschicht niedrigeres Steuersystem an.

Frage: Experten erwarten als Folge des Aufschwungs Steuermehreinnahmen von elf Milliarden Euro. Ist die Einschätzung des Bundesfinanzministers, für Steuersenkungen gebe es in diesem und nächsten Jahr keinerlei Spielraum, noch zu halten?





WESTERWELLE: Diese Regierung hat die Entlastung der Mittelschicht im Interesse von Wachstum, Arbeitsplätzen und mehr Leistungsgerechtigkeit unverändert fest im Blick. Wo sich Spielräume dafür ergeben, müssen sie genutzt werden. Auf Jahreszahlen will ich mich jetzt nicht festlegen. Wir haben dabei bereits zum 1. Januar einen ersten wichtigen Schritt getan. Dann hat uns die Euro-Krise mit der Haushaltskonsolidierung eine neue Priorität aufgezwungen. Aber in den kommenden Wochen werden wir uns an das Thema Steuervereinfachung machen. Dazu gehört für mich eine Vereinfachung in dem Sinn, dass Steuererklärungen künftig mit weniger Belegen, weniger bürokratischem Aufwand und mehr Pauschalen gemacht werden können. Künftig sollten die Finanzämter zum Teil bereits vorausgefüllte Formulare verschicken. Die Ämter verfügen ja über viele Daten. Das geht auf Knopfdruck.

Frage: In der SPD wird die Rente mit 67 in Frage gestellt. Ist die deutliche Heraufsetzung der Lebensarbeitszeit gegen eine Front aus Sozialdemokraten, Linke und Gewerkschaften durchsetzbar?

WESTERWELLE: Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit ist mit den Stimmen der SPD beschlossen worden. Wir alle werden älter und wollen gesund älter werden. Wenn die SPD jetzt die Illusion verbreitet, die Deutschen könnten früher in Rente gehen, bringt das vielleicht Beifall, es bedeutet aber den Ruin der Alterssicherung in diesem Land. Ich meine: Wir sollten flexibel auf die veränderte Altersstruktur unserer Bevölkerung eingehen. Ein Teil der Arbeitnehmer möchte gerne länger arbeiten, ein anderer ist dazu nicht in der Lage.

Frage: Aber es bleibt bei der Rente mit 67?

WESTERWELLE: Wer, wie Teile der SPD, glauben machen will, man könne in diesem Land generell früher in Rente gehen, der will uns auch weismachen, dass Zitronenfalter Zitronen falten. Ich begrüße, dass wenigsten der Fraktionsvorsitzende der SPD, Frank-Walter Steinmeier, noch nicht ganz vergessen will, was er zu Regierungszeiten als richtig erkannt und durchgesetzt hat. Der Bundesminister a.D., Sigmar Gabriel, weiß im Gegensatz dazu offenbar gar nicht mehr, für was er am Kabinettstisch alles die Finger gehoben hat.

Frage: Zu den aktuellen Streitthemen gehört auch der Umgang mit aus der Haft entlassenen, aber weiter gefährlichen Gewalt- und Triebtätern. Sollen sie weggesperrt werden oder reicht eine Fußfessel, wie die Justizministerin meint?

WESTERWELLE: Die Justizministerin hat recht, wenn sie darauf drängt, dass praktische Sicherheit für die Bevölkerung hergestellt wird. Sie hat aber auch recht, wenn sie auf die Rechtslage hinweist. Wir dürfen kein Gesetz beschließen, das an den Gerichten sofort scheitert. Damit wäre nichts gewonnen, schon gar nicht für die Sicherheit der Bürger. Man muss beides im Blick halten.

Frage: Der Innenminister hat eine "Sicherungsunterbringung? ins Spiel gebracht und fordert eine Entscheidung in den nächsten Wochen. Macht die FDP da mit?

WESTERWELLE: Ich gehe davon aus, dass diese Vorschläge zunächst zwischen den beiden zuständigen Ressorts ? Innen und Justiz ? besprochen wurden. Kein vernünftiger Mensch will, dass Gewalt- und Triebtäter eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen. Aber es muss eben nach den Regeln des Rechtsstaates erfolgen.

Frage: Der Internet-Gigant Google will schon bald damit beginnen, auch in Deutschland die Straßen zu verfilmen und ins Netz zu stellen. Dagegen wollen einige Politiker vorgehen und eine Unkenntlichmachung ihrer Wohnungen durchsetzen. Sie auch?

WESTERWELLE: Das werde ich auch tun. Für mich ist das eine prinzipielle Frage und deshalb werde ich meine Möglichkeiten nutzen, dies zu verhindern.

Frage: Sollte Google auf sein Straßenerfassungsprojekt verzichten?

WESTERWELLE: Die Sensibilität für das Thema "Schutz der Privatheit? wird in Deutschland wieder erkennbar zunehmen. Und dieses Bürgerrecht hat in der FDP einen bewährten Anwalt. Wir stehen an einer Grenze: Die moderne Netzwelt und die schutzwürdige Privatsphäre dürfen nicht zu Gegnern werden.

Frage: Vor drei Jahren haben Sie BILD am SONNTAG gesagt: Macht bedeutet schlaflose Nächte und Albträume. Seit einem dreiviertel Jahr sind Sie Außenminister und Vizekanzler. Haben Sie schlaflose Nächte und Albträume?

WESTERWELLE: Ja, die hat es gegeben. Vor allen Dingen in außenpolitisch schwierigen Situationen wie beim Tod deutscher Soldaten in Afghanistan oder wegen der Gefahren, die von einer nuklearen Bewaffnung des Irans ausgehen könnten.

Frage: Am vergangenen Wochenende ist ein Ärzteteam im Norden Afghanistans einem Massaker zum Opfer gefallen. Und es ging das Foto einer afghanischen Frau um die Welt, der man Ohren und Nase abgehackt hat, weil sie ihren Mann verlassen wollte. Beides geschah, obwohl der Westen seit knapp einem Jahrzehnt dort präsent ist. Ist die Mission am Hindukusch nicht gescheitert?

WESTERWELLE: Nein. Sicherlich gibt es leider auch immer noch zuviel Schatten. Ich habe unmittelbar nach meinem Amtsantritt eine völkerrechtliche Neubewertung unseres Afghanistan-Einsatzes vorgenommen und darauf hingewiesen, dass es sich um einen nicht-internationalen bewaffneten Konflikt handelt. Zugleich müssen wir neben den Rückschlägen auch die Fortschritte sehen. Ich nenne den Aufbau von Schulen und den Anteil von 20 Prozent Frauen bei der letzten großen Stammesversammlung. Zu Taliban-Zeiten war das undenkbar.

Frage: Jürgen Trittin und andere fordern, die Taliban an einer künftigen Regierung zu beteiligen. Ist das ein vernünftiger Weg?

WESTERWELLE: Herr Trittin hat seinerzeit als Bundesminister gemeinsam mit Bundskanzler Schröder und Bundesaußenminister Fischer in der rot-grünen Regierung den militärischen Einsatz in Afghanistan beschlossen. Wir haben eine neue Strategie erarbeitet, zu der eine politische Lösung zählt. Diese Strategie ist in London und Kabul international akzeptiert worden. Wir setzen als neue Bundesregierung verstärkt auf Aussöhnung und Wiedereingliederung.

Frage: Verteidigungsminister zu Guttenberg will vorschlagen, die Bundeswehr zu verkleinern und die Wehrpflicht auszusetzen. Wie steht die FDP dazu?

WESTERWELLE: Hier geht es um eine sehr grundsätzliche Reform. Da kann niemand erwarten, dass Entscheidungen in wenigen Wochen übers Knie gebrochen werden. Meine Position ist klar: Ich bin aus Gründen der Wehrgerechtigkeit für eine Aussetzung der Wehrpflicht, denn von jedem Jahrgang leisten nur noch etwa 16 Prozent der jungen Männer Dienst in der Bundeswehr.

Frage: Setzen Sie das durch? Werden im nächsten Jahr noch Rekruten eingezogen?

WESTERWELLE: Die Debatte nimmt Fahrt auf. Wir haben gerade erst die Verkürzung des Wehrdienstes auf sechs Monate durchgesetzt. Ich kann natürlich den Diskussionen innerhalb der Union nicht vorgreifen, aber ich sehe gute Chancen.

Frage: Der Sommerurlaub bietet immer auch die Gelegenheit zu Rück- und Ausblick. Haben Sie aus der Distanz von Mallorca aus eine Erklärung dafür gefunden, warum Ihre FDP in Umfragen an der Fünf-Prozent-Hürde krebst?

WESTERWELLE: Schlechte Umfragen sind nicht schön, aber sie sind kein Wahlergebnis. Wir haben uns am Anfang dieser Regierung zu viele Nebengeräusche erlaubt. Das ist vorbei. Zum Wohle des Landes mussten wir zudem ein paar sehr unpopuläre Entscheidungen fällen: Die Rettung unserer europäischen Währung, einen Haushalt, in dem zum ersten Mal wirklich gespart wird. Das Gesundheitssystem zukunftsfest zu machen.

Frage: Im nächsten Jahr stehen zahlreiche Wahlen an, für Schwarz-Gelb dürfte die wichtigste in Baden-Württemberg sein. Wird dort im März auch über das politische Schicksal von Angela Merkel und Guido Westerwelle abgestimmt?

WESTERWELLE: Im nächsten Jahr gibt es Landtagswahlen in fünf Bundesländern. Alle sind von großer Bedeutung. Dabei steht jeder Parteivorsitzende immer für alles gerade. Ich bin ja über Jahre hinweg Kritik gewohnt, auch persönliche Angriffe. Oft waren die Umfragen schlecht, doch die Wahlergebnisse haben insgesamt gestimmt. Die Bürger erleben nun mit der von den Linken getragenen rot-grünen Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen das Kontrastprogramm zu Schwarz-Gelb. Dort werden die neuen Schulden verdoppelt und die Einheitsschule soll eingeführt werden. Da ist die Bundesregierung auf besserem Weg. Der Wirtschaft, dem Arbeitsmarkt und dem Wohlstand für alle tut unsere Regierung gut!

Frage: Sie sind besonders scharf im Zusammenhang mit der Diskussion um die Hartz-IV-Sätze kritisiert worden. Da stehen jetzt wichtige Entscheidungen vor der Tür. Ist das eine Debatte um höhere Regelsätze?

WESTERWELLE: Ich bleibe ein Anhänger des Lohnabstandsgebotes: Wer arbeitet, muss mehr haben als wenn er nicht arbeitet. Die persönliche Anstrengung muss sich lohnen. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts müssen wir in diesem Herbst dafür sorgen, dass die Leistungen auch wirklich bei den Kindern als Bildungschancen ankommen. Ich unterstütze dabei die Überlegungen von Bundesarbeitsministerin von der Leyen, mit Gutscheinen und gezielten Programmen zu arbeiten. Ich selbst habe diese Debatte im Frühjahr gegen heftigen Widerstand geführt. Mir ging es um eine Kritik an der mangelnden Treffsicherheit der Sozialstaatsbürokratie, nicht aber um Kritik an Hartz-IV-Empfängern. Diese Debatte war nötig.

Frage: Wie sicher sind Sie sich, dass Sie im nächsten Jahr um diese Zeit noch im Amt sind?

WESTERWELLE: Ich bin sehr sicher, dass die Regierung im nächsten Jahr schon weit besser dasteht als nach den ersten Monaten, weil die Ergebnisse unserer Politik für die Bürger stimmen. Um es mit Helmut Kohl zu formulieren: Entscheidend ist, was hinten rauskommt. Im Übrigen ist man immer in der Hand der Wählerinnen und Wähler.

Frage: Das klingt jetzt aber sehr nach Roland Koch?

WESTERWELLE: So ist es nicht gemeint. Ich fühle mich mit meinen 48 Jahren frisch genug, um so manche politische Aufgabe in den nächsten Jahren noch zu stemmen.


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Datum: 16.08.2010 - 11:16 Uhr
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