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120. DeutscherÄrztetag:"Solidarität leben, Versorgung sichern, verantwortlich handeln"

ID: 1492525


(ots) - Der 120. Deutsche Ärztetag in Freiburg hat in
seiner gesundheits- und sozialpolitischen Generalaussprache den
Leitantrag des Bundesärztekammer-Vorstands mit überwältigender
Mehrheit angenommen.

Die Entschließung im Wortlaut:

Das deutsche Gesundheitssystem gehört zu den besten der Welt. Es
bietet allen Patientinnen und Patienten unabhängig von ihrem sozialen
Status ein hohes Versorgungsniveau und hält hochwertige
Gesundheitsleistungen flächendeckend und wohnortnah vor. Damit die
legitimen Ansprüche der Patientinnen und Patienten auf eine
individuelle, qualifizierte gesundheitliche Betreuung und Versorgung
auch in Zukunft erfüllt werden können, müssen jetzt die richtigen
Weichenstellungen vorgenommen werden.

Klares Bekenntnis zu freiheitlichem Gesundheitssystem

Die fachliche Weisungsungebundenheit der Ärztinnen und Ärzte und
die damit verbundene Verpflichtung zur Übernahme von Verantwortung
für das Wohl der Patienten einerseits und gegenüber der Gesellschaft
andererseits sind unabdingbar für einen wirksamen Patientenschutz.
Diese Wesensmerkmale freiheitlicher Berufsausübung dürfen nicht durch
Kommerzialisierung und Kontrollbürokratie in Frage gestellt werden.
Der 120. Deutsche Ärztetag 2017 fordert deshalb alle politischen
Parteien auf, sich klar und unmissverständlich zum Erhalt und zur
Stärkung unseres freiheitlichen Gesundheitswesens zu bekennen.

Therapiefreiheit in Therapieverantwortung

Die Therapiefreiheit ist ein hohes Gut und Voraussetzung für ein
freiheitliches Gesundheitswesen. Seit Jahren aber sehen sich
Ärztinnen und Ärzte mit einer unüberschaubaren Zahl gesetzlicher und
untergesetzlicher Regelungen konfrontiert. An die Stelle rechtlicher
Rahmenvorgaben, die von der ärztlichen Selbstverwaltung, insbesondere
durch Leit- und Richtlinien fachkompetent ausgefüllt werden, treten




vermehrt detaillierte, teilweise untereinander nicht kongruente
rechtliche Regelungen. Diese zunehmende Überregulierung unseres
Gesundheitssystems führt dazu, dass die im Gesundheitswesen
Beschäftigten immer weniger Zeit für ihre ureigenste Aufgabe haben,
den Dienst am Patienten. Der 120. Deutsche Ärztetag 2017 fordert
deshalb den Gesetzgeber auf, rechtliche Regelungen mit Augenmaß
vorzunehmen, so dass der notwendige Raum für Therapiefreiheit und
verantwortliche Patientenbetreuung wiederhergestellt wird.

Duales System erhalten und fortentwickeln

Trotz regulativer Defizite ist das deutsche Gesundheitswesen
leistungsstark, innovativ und sozial gerecht. Abgesichert wird diese
Leistungsfähigkeit durch das duale Versicherungssystem mit den beiden
Säulen Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und Private
Krankenversicherung (PKV). Die Ärzteschaft in Deutschland beobachtet
jedoch mit großer Sorge, dass Teile der Politik diese bewährten und
weltweit einmaligen Strukturen des deutschen Gesundheitswesens ohne
Not zerschlagen und durch eine Einheitsversicherung ersetzen wollen.
Mit der Einführung der Einheitsversicherung drohen Rationierung,
Wartezeiten und Begrenzungen des Leistungskataloges. Statt
ideologisch motivierter Feldversuche mit ungewissem Ausgang für die
Versicherten fordert der 120. Deutsche Ärztetag 2017, dass die
künftige Bundesregierung ihre Reformpolitik an den tatsächlichen
Problemen und Aufgaben des Gesundheitswesens ausrichtet: GKV und PKV
sind zu stärken und an die Herausforderungen der Zukunft anzupassen.

Länder für gute Patientenversorgung in die Pflicht nehmen

Angesichts der demografischen Entwicklung öffnet sich die Schere
zwischen Behandlungsbedarf und Behandlungskapazitäten. Dieser Trend
wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen. Vor diesem Hintergrund
kommt der konsequenten ärztlichen Nachwuchsförderung besondere
Bedeutung zu. Der 120. Deutsche Ärztetag 2017 begrüßt grundsätzlich
die Einigung von Bund und Ländern über Eckpunkte der geplanten Reform
des Medizinstudiums. Nicht hinnehmbar ist jedoch, dass die Umsetzung
der beschlossenen Maßnahmen auf Betreiben der Länder unter
Haushaltsvorbehalt gestellt wurde. Der 120. Deutsche Ärztetag 2017
fordert die Bundesländer auf, ihrer Verantwortung für die ärztliche
Nachwuchsförderung gerecht zu werden und die nötigen Finanzmittel für
die Umsetzung der Reform bereit zu stellen.

Gleiches gilt für die nach wie vor völlig unzureichende
Investitionsfinanzierung des stationären Sektors durch die
Bundesländer. Das Defizit beläuft sich bundesweit mittlerweile auf
mehr als 30 Milliarden Euro. Kliniken sind gezwungen, erhebliche
Finanzmittel, die für die Patientenversorgung bestimmt sind, für
dringend notwendige Investitionen zu verwenden. Der 120. Deutsche
Ärztetag 2017 bekräftigt deshalb seine Forderung nach klaren und
einklagbaren Verpflichtungen der Länder für Krankenhausinvestitionen.
Notwendig ist eine gemeinsame Finanzierung von Bund und Ländern über
zusätzlich mindestens drei Milliarden Euro pro Jahr.

Angemessene Personalausstattung in den Kliniken

Insbesondere im Hinblick auf die Patientensicherheit ist bei der
Krankenhausvergütung eine deutlich verbesserte Berücksichtigung der
notwendigen Personalausstattung und Personalentwicklung notwendig.
Der 120. Deutsche Ärztetag 2017 begrüßt die von der Bundesregierung
geplanten Personaluntergrenzen in der Pflege. Solche
Mindestpersonalvorgaben sind jedoch für alle Berufsgruppen in der
unmittelbaren Patientenversorgung einzuführen, insbesondere auch für
den ärztlichen Dienst. Die Maßnahmen müssen entsprechend
gegenfinanziert werden.

Attraktive Bedingungen für die vertragsärztliche Versorgung auch
auf dem Land

Der 120. Deutsche Ärztetag 2017 bekennt sich klar zum
Sicherstellungsauftrag der vertragsärztlichen Selbstverwaltung. Die
Politik muss die Kassenärztlichen Vereinigungen aber in die Lage
versetzen, ihrem Sicherstellungsauftrag auch nachkommen zu können. So
erfordert die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung vor allem in
strukturschwachen Gebieten eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten
vor Ort. Um dem unterschiedlichen Versorgungsbedarf in den Regionen
Rechnung zu tragen, ist eine Deregulierung und Regionalisierung der
Sicherstellung erforderlich, die den Kassenärztlichen Vereinigungen
die Möglichkeiten eröffnet, kassenartenspezifische Gesamtverträge zu
schließen. Flankiert werden müssen diese Maßnahmen durch eine
angemessene Honorierung vertragsärztlicher Tätigkeit sowie durch eine
Aufhebung der Budget-Begrenzung.

Notfallversorgung sektorenübergreifend gestalten

In den letzten zehn Jahren ist eine deutliche Steigerung der
Inanspruchnahme der Notfallversorgungsstrukturen in Deutschland zu
verzeichnen. Der Anstieg auf rund 25 Millionen Patienten pro Jahr
führt zu einer chronischen Überlastung des medizinischen Personals.
Der 120. Deutsche Ärztetag 2017 fordert Bund und Länder auf,
notwendige Investitionen, Vorhalteleistungen und
Personalentwicklungskosten durch eine extrabudgetäre Finanzierung
sicherzustellen.

Zudem sind Voraussetzungen für eine deutlich verbesserte
Kooperation und Abstimmung zwischen dem ambulanten und stationären
Sektor zu schaffen. Neben einer Harmonisierung der Strukturen, unter
anderem durch eine medizinische Dringlichkeitseinschätzung, sollte in
einer gemeinsamen Kampagne aller relevanten Akteure unter
Federführung des Bundesministeriums für Gesundheit über Art und
Zugang zu den Notfall-Versorgungsstrukturen und deren
Erreichbarkeiten (z. B. über die Servicenummer 116117) informiert
werden.

Gewalt gegen Ärzte stoppen

Der 120. Deutsche Ärztetag 2017 beobachtet mit großer Sorge die
zunehmende Gewalt gegen Ärzte und Angehörige anderer
Gesundheitsberufe. Umfragen zufolge wurde bereits jeder 10. Hausarzt
mit aggressiven Verhalten seiner Patienten konfrontiert. Aber auch in
den Krankenhäusern, sowie in den völlig überlasteten Notaufnahmen
kommt es immer wieder zu Übergriffen. Der 120. Deutsche Ärztetag 2017
fordert einen breiten gesellschaftlichen Konsens und politische
Unterstützung, damit Gewalt gegen Ärzte kein Dauerzustand wird.

Ärzte sind keine Berufsgeheimnisträger zweiter Klasse

Der 120. Deutsche Ärztetag 2017 lehnt die vom Bundestag
beschlossene Novelle des sogenannten BKA-Gesetzes ab. Der Gesetzgeber
hat es trotz heftiger Proteste der Ärzteschaft versäumt, bei
Überwachungsmaßnahmen auch Ärztinnen und Ärzte in den Kreis besonders
geschützter Personengruppen aufzunehmen. Dabei hatte das
Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 20.04.2016 darauf
hingewiesen, dass neben Familienangehörigen, Geistlichen und
Verteidigern auch Ärzte als Personen des höchstpersönlichen
Vertrauens an der geschützten nichtöffentlichen Kommunikation des
Einzelnen teilnehmen, die in der berechtigten Annahme geführt wird,
nicht überwacht zu werden. Das Gesetz verstößt gegen die Intention
des Gerichtes. Verdeckte Eingriffe in die Systeme einer Praxis oder
eines Krankenhauses beeinträchtigen das Geheimhaltungsinteresse der
Patienten, zumal nicht sichergestellt werden kann, dass bei solchen
Maßnahmen nicht auch die Daten anderer Patienten offengelegt werden.
Patienten sind besonders geschützte Personengruppen und deshalb muss
bei Ärzten der gleiche Vertrauensschutz gewährleistet werden wie bei
Strafverteidigern und Abgeordneten.

Ethik darf nicht zu einem Verwaltungsakt verkommen

Der 120. Deutsche Ärztetag 2017 betrachtet das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 02.03.2017, nach dem Patienten in
Ausnahmesituationen ein Recht auf Arzneimittel zur Selbsttötung
haben, mit großer Sorge. Das Urteil lässt viele Fragen ungeklärt,
etwa zu den Vorgaben für die Einzelfallprüfung sowie zu den dafür
notwendigen Rechtsgrundlagen. Mit dem Urteil konterkariert das
Bundesverwaltungsgericht das Bemühen der Ärzteschaft und der großen
Mehrheit des Deutschen Bundestages, Selbsttötung durch Beratung und
palliativmedizinische Angebote zu verhindern. Der 120. Deutsche
Ärztetag 2017 fordert den Gesetzgeber auf, alle gesetzlichen
Möglichkeiten zu prüfen, um staatliche Selbsttötungshilfe zu
verhindern.

Mehr Mut zur Subsidiarität in Europa

Der Vertrag von Lissabon garantiert die nationale Zuständigkeit
für die Organisation des Gesundheitswesens und verbietet jeglichen
Versuch der Harmonisierung. Vor diesem Hintergrund fordert der 120.
Deutsche Ärztetag 2017 eine Überarbeitung des sogenannten
EU-Dienstleistungspakets. Unter anderem fordert die Europäische
Kommission darin die Prüfung der "Verhältnismäßigkeit" von
Berufsregeln. Diese will sie auch für Regelungen durchsetzen, die dem
Patientenschutz dienen. In Deutschland ist die sorgfältige
Verhältnismäßigkeitsprüfung durch Bundes- und Landesregierungen sowie
Berufskammern geübte Praxis. Hierzu verpflichten das Grundgesetz und
die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die geplante
Regelung erschwert es den Mitgliedsstaaten und den Ärztekammern, die
Berufsausübung in verhältnismäßigem Rahmen zu regeln und missachtet
deren EU-vertraglich garantierten Gestaltungsspielraum. Zudem
verursacht die Verhältnismäßigkeitsprüfung enorme Kosten und
Bürokratie.



Pressekontakt:
Bundesärztekammer
Stabsbereich Politik und Kommunikation
Herbert-Lewin-Platz 1
10623 Berlin
Tel. 030-400456700
Fax. 030-400456707
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Datum: 23.05.2017 - 17:56 Uhr
Sprache: Deutsch
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