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"Innovationen werden nicht an Kosten scheitern" - DKFZ-Vorstand Prof. Otmar Wiestler im Interview

ID: 1128622

(ots) - Jeder dritte Deutsche muss damit rechnen, an Krebs
zu erkranken. Die Überlebenschancen werden aber dank neuer
Behandlungsmethoden immer besser. Das ist auch den Erkenntnissen der
mehr als 1.000 Forscher am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in
Heidelberg zu verdanken. Der Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Dr. h.c.
mult. Otmar D. Wiestler hat mit Pharma Fakten über die größten
Erfolge und die Ziele für die Zukunft gesprochen.

Über welche Erfolge bei der Behandlung von Krebspatienten haben
Sie sich persönlich zuletzt gefreut?

Prof. Dr. Dr. Otmar D. Wiestler: Das sind vor allem zwei Gebiete,
die in den letzten fünf Jahren enorme Fortschritte gemacht haben: Zum
einen sind wir dabei, die Krebsbehandlung wirklich zu
personalisieren. Da wir das Erbgut von Tumoren komplett lesen können,
erhalten wir bei vielen Patienten erstmals gezielte Hinweise auf die
biologische Natur ihrer Erkrankung. Das ist ein entscheidender
Schritt zu wirklich individualisierter Medizin.

Ein zweites sehr erfolgversprechendes Gebiet ist die
Immuntherapie. Seit Jahrzehnten haben Wissenschaftler davon geträumt,
das körpereigene Abwehrsystem gegen den Krebs zu lenken. Aber wir
haben lange nicht verstanden, warum das Immunsystem ausgerechnet bei
Krebs versagt. Jetzt wissen wir, dass der Tumor aktiv die Immunzellen
blockiert. Und seit kurzem gibt es erste Wirkstoffe, die in Studien
erfolgreich den Immunblock der Krebszellen abbauen.

Heißt das, wir dürfen von einer Impfung gegen Krebs träumen?

Wiestler: Bislang sind Impfstoffe insbesondere zur Vorbeugung
erfolgreich. Wie Sie wissen, gibt es bereits die Impfung gegen den
Gebärmutterhalskrebs, der von Viren verursacht wird. Die Forschung
hat nun auch damit angefangen, Impfstoffe zu entwickeln, die
individuell bei Patienten greifen, weil sie eine Immunantwort gegen




die individuellen Krebszellen des Patienten hervorrufen. Von einer
solchen Impfung, sind wir noch weit entfernt. Es wird allerdings
intensiv daran gearbeitet. Die Impfung verspricht auch in Verbindung
mit Wirkstoffen gegen den Immunblock neue Möglichkeiten. Aber klar
ist: Die Immuntherapie ist die wirklich große Innovation in der
Krebsmedizin in den letzten 15 Jahren. Diese Ansätze packen den Krebs
wirklich bei der Wurzel.

Die Immuntherapie ist wegen ihrer hohen Kosten nicht unumstritten.
Kann die Kostendiskussion zur Blockade für neue Durchbrüche werden?

Wiestler: Ich habe in vielen Ländern der Welt gearbeitet und
nirgendwo ein Gesundheitssystem gesehen, das so leistungsfähig ist,
wie das deutsche. Wenn es um wirkliche Innovationen geht, werden
diese sicher nicht an den Kosten scheitern.

Was ist das große Ziel der Krebsforschung für die nächsten Jahre?

Wiestler: Wir wollen eine langfristige Kontrolle der bösartigen
Krebserkrankungen erreichen, ähnlich wie dies bei der HIV-Infektion
gelungen ist. In den nächsten 15 bis 20 Jahren wird es darum gehen,
aus der tödlichen Krankheit Krebs eine chronische Krankheit zu
machen.

Welchen Weg muss die Forschung dafür einschlagen?

Wiestler: Zwei große Richtungen sind nötig. Bei allen
Erkrankungen, die wir diagnostizieren - und oft spät diagnostizieren
- geht es um eine Verbesserung des Therapiearsenals. Wir brauchen
einen intelligenten Mix aus traditionellen und neuen Therapien, um
die Patienten individuell zu behandeln.

Früherkennung und Prävention muss der zweite große Schwerpunkt
sein: Wir müssen den Weg hin zu einer früheren Diagnose finden, um
die Behandlungschancen zu verbessern. Das Beispiel der
Darmkrebsvorsorge zeigt, dass die Instrumente da sind - allerdings
machen nur 15 Prozent der Menschen, die dafür in Frage kommen, von
diesem wichtigen Angebot Gebrauch. Die Impfung gegen Humane
Papillomviren, die Gebärmutterhalskrebs verursachen können, ist ein
weiteres Beispiel, bei dem das Potenzial nicht ausgeschöpft wird.

Muss sich auch die Pharmaindustrie stärker an der
Grundlagenforschung beteiligen, damit neue Therapien entwickelt
werden können?

Wiestler: Die Grundlagenforschung, also das Verstehen der
Krankheit, ist eine akademische Domäne, das sollen die Unternehmen
gar nicht zwingend leisten. Die Herausforderung ist, die Lücke
zwischen der Grundlagenforschung und der Industrie besser zu
schließen. Gute Ansätze müssen auch in neuen Therapeutika und
Diagnostika zum Einsatz kommen - das funktioniert zu häufig noch
nicht schnell genug. Die Partner aus der Forschung und aus der
Industrie müssen sich dazu aufeinander zu bewegen und genau das
geschieht aktuell. Es gibt gute Allianzen und eine gute neue
Kommunikation mit der Pharmaindustrie. Klar ist: Wir benötigen
stabile Kooperationen mit industriellen Partnern, um unsere
Erkenntnisse zu verwerten, denn die Wissenschaftler am DKFZ sind
Forscher, keine Anwender.

Jenseits der Durchbruchsinnovationen kommen kontinuierlich neue
Onkologika auf den Markt. Ist das fehlgeleitete Energie oder eine
nutzbringende Entwicklung?

Wiestler: Wir brauchen für jeden Patienten künftig einen
individuellen Mix von Therapien, da geht es nicht nur um neue
Ansätze. Solange die Industrie bei traditionellen Verfahren echte
Innovationen erzielt, also zum Beispiel in der Darreichungsform von
Spritzen auf Tabletten umsteigt, die Nebenwirkungen abschwächt, das
Wirkungsspektrum oder die Leistungsfähigkeit erhöht, ist das wichtig.
Es dürfen natürlich keine Scheininnovationen sein. Im onkologischen
Bereich sehe ich da kein grundlegendes Problem.

An einer Innovationsmüdigkeit leidet Deutschland zumindest im
Bereich Onkologie also nicht?

Wiestler: Ich wüsste nicht, wie sich ein solcher Vorwurf begründen
ließe. Es gibt kein Gebiet, in dem es so viele Innovationen gibt, wie
in der Onkologie. Die onkologische Forschung der letzten Jahrzehnte
ist ganz klar eine Erfolgsgeschichte.



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Pharma Fakten
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Datum: 30.10.2014 - 12:31 Uhr
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